Verkehr:Warum die Deutschen ihren Diesel lieben

Diesel-Zapfhahn an einer Tankstelle in Berlin.

Trotz Umweltproblemen und Herstellerskandalen: An deutschen Tankstellen ist der Diesel weiterhin sehr beliebt.

(Foto: Reuters)
  • Dem Diesel drohen Fahrverbote in Städten, die Verkaufszahlen brechen ein. Doch gleichzeitig verkaufen die Tankstellen so viel Diesel wie nie zuvor.
  • Für die weiterhin hohe Nachfrage gibt es eine Reihe von Gründen. Unter anderem sind es die vielen Lkws, die ohne den Treibstoff bislang nicht auskommen.

Von Max Hägler und Jan Schmidbauer

In den 1980er-Jahren formulierte die sehr norddeutsche Countryband Truck Stop eine Liebeserklärung an die bevorzugte Motorisierung aller Fernfahrer, Pendler und Familienväter. "Ich und mein Diesel, wir ham's immer noch geschafft, mit vereinter Kraft, mhm" - so begann der Refrain des Liedes. Was folgte war eine kleine Ode an die Unerschütterlichkeit dieser Technik, die den Protagonisten, einen gealterten Fernfahrer, noch immer an sein Ziel gebracht hat.

Eine Melodie aus alter Zeit, könnte man meinen, seit dem Dieselskandal, dem großen Versagen bei VW und anderen Herstellern. Heute drohen Fahrverbote, spätestens im Februar 2018, wenn das Bundesverwaltungsgericht darüber befinden wird. Da sind die Statistiken über die gesundheitsschädlichen Stickoxide. Und fortwährend werden Abschaltungen enttarnt, mit denen Diesel-Katalysatoren nur bei Schleichfahrt im Sommer richtig gut funktionieren. Kurzum, der Diesel hat spätestens im Jahr 2017 ein so mieses Image bekommen, dass er so gut wie abgeschrieben zu sein schien.

Doch die Statistiken zeigen: "Ich und mein Diesel" - das gilt schon noch. Trotz allem. Wie der Mineralölwirtschaftsverband gerade bekannt gab, verbrauchen Autofahrer und Gewerbetreibende in Deutschland so viel Diesel wie nie zuvor: Nach einer vorläufigen Hochrechnung für das Jahr 2017 hat sich der Absatz auf knapp 39 Millionen Tonnen erhöht. Diesel verkaufte sich damit zwei Prozent besser als im Vorjahr; ein Zuwachs wie beim Benzin.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) meldet für November zwar einen abermaligen Rückgang der Diesel-Zulassungen um 17 Prozent im Vergleich zum Oktober: in besten Zeiten, vor dem Dieselskandal, fuhren mal die Hälfte der Neuwagen mit Diesel vom Hof. Im Moment ist es nur noch ein Drittel. Aber man kann auch sagen: Immerhin ist es noch ein Drittel. Bei einem Bestand von bereits 15 Millionen Dieselautos im Land. Der Kraftstoff ist also an der Zapfsäule ein Dauerläufer. Und dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.

Zum einen ist da der Güterverkehr, der weiter kräftig zunimmt. Der deutschen Wirtschaft geht es prächtig, die Firmen produzieren reichlich, und die Menschen kaufen viel ein. Alle die Rohstoffe, Teile oder Pakete müssen transportiert werden. Und die Sattelzüge auf den Autobahnen wie auch die Lieferwagen der Paketzusteller fahren meist mit Dieselmotoren.

Der stets visionär denkende Unternehmer Elon Musk vom kalifornischen Tesla-Konzern kündigt inzwischen zwar Elektro-Lastwagen an. Doch nach Auffassung von wirklich erfahrenen Fahrzeugherstellern dürfte es noch viele Jahre dauern, bis solche Gefährte auf Fernverkehrsstraßen zu sehen sind. Um einen prall gefüllten Sattelschlepper mit 40 Tonnen Gewicht zu bewegen, bräuchte es riesige Batterien, die auf absehbare Zeit zu teuer sein werden.

Firmen sparen mit dem Diesel weiterhin viel Geld

Irgendwann könnte der Antrieb per Wasserstoff und Brennstoffzelle kommen, doch auch das dauert noch. Vielversprechender ist dagegen der Erdgas-Antrieb. Der Hersteller Iveco setzt bei großen und kleinen Nutzfahrzeugen bereits auf die Technologie. Einige Tausend Laster mit dem Antrieb sind bereits verkauft worden, im Jahr 2020 soll jeder zehnte Lkw mit Erdgas-Antrieb ausgerüstet sein. Auch der Volkswagen-Konzern zieht inzwischen ein wenig mit bei der Technologie. Der Großteil der Fahrzeuge wird jedoch, allen Antriebsdiskussionen zum Trotz, auch in den kommenden Jahren mit Diesel unterwegs sein.

Es sind aber längst nicht nur die Lastwagen, die dem Diesel weiterhin das Überleben sichern. Nach Angaben des Mineralölverbands haben auch Pkw zu einer steigenden Nachfrage nach dem Kraftstoff beigetragen. Den Autoexperten Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) wundert das nicht: "Wir erkennen zwar, dass die Leute bei Neuwagen auf den Benziner umsteigen", sagt er. "Aber das heißt nicht, dass die Leute jetzt in Massen ihren Diesel abgeben."

Der Wirkungsgrad eines Diesels ist im Regelfall besser als der eines Ottomotors. Man kommt für das gleiche Geld also ein bisschen weiter. Mit diesem Kostenvorteil können Unternehmen, deren Autos viel bewegt werden, den höheren Anschaffungspreis schnell wettmachen. "Der Diesel spielt eine enorm wichtige Rolle in den Fuhrparks, und er wird ihn auch künftig spielen", heißt es vom Bundesverband Fuhrparkmanagement, in dem sich Firmen mit großen Dienstwagen-Flotten abstimmen. Der Diesel sei "nicht so leicht ersetzbar." Während die Debatte um den sogenannten Selbstzünder viele Privatleute verunsichert, zeigen sich die Dienstwagenmanager unbeeindruckt wie auch Gewerbetreibende, die viel fahren.

Selbst der VW-Chef fordert jetzt höhere Steuern auf Diesel

Bei beiden Auto-Kaufgruppen, den Dienstwagenmenschen und den Privatleuten, spielt zudem eine ganz bestimmte Fahrzeugart eine immer größere Rolle, die auch einen starken Einfluss auf die Dieselquote hat: SUVs. Diese Gefährte sind im Vergleich zu herkömmlichen Wagen sehr breit, sehr hoch und sehr schwer - und zudem wenig windschnittig - also insgesamt nur mit großer Anstrengung von der Stelle zu bewegen. Damit die Fahrer beim Tanken zumindest kein ganz schlechtes Gefühl haben, werden in diese Autos fast überall Dieselmotoren verbaut. Das wirkt dann sparsam.

Ändern könnte dies allenfalls eine stärkere Besteuerung des Kraftstoffs, die nun selbst VW-Chef Matthias Müller ins Spiel gebracht hat. Doch die Debatte hat eben erst begonnen, der Anteil des Diesels wird höchstens mittelfristig sinken. Und auch die "Umweltprämie" ändert daran kaum etwas. Die Besitzer, die ihren alten Dieselwagen gegen ein saubereres Modell eintauschen, kaufen überwiegend neue Dieselautos, und nicht etwa Benziner oder E-Wagen. Deutschland bleibt also Dieselland, auch im Jahr drei nach dem Abgasskandal.

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