Verkehr - Stuttgart:49-Euro-Ticket: Länder kritisieren Wissings Pläne

Verkehr - Stuttgart: Ein Ticketautomat steht an einer Haltestelle der U-Bahn in Stuttgart-Sillenbuch. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Ein Ticketautomat steht an einer Haltestelle der U-Bahn in Stuttgart-Sillenbuch. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stuttgart (dpa/lsw) - Die eine oder andere Verspätung ist man bei der Bahn ja gewöhnt. Nun könnte sich aber auch der als großer Wurf angekündigte Start des deutschlandweiten 49-Euro-Tickets für Busse und Bahnen ein weiteres Mal verzögern. Ursprünglich sollte es Anfang 2023 losgehen, dann war der 1. April im Gespräch und schließlich sprach Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) von einem Start "nicht später als der 1. Mai". Weil sie nun selbst diesen Termin gefährdet, kritisieren Baden-Württemberg und Bayern die Vorbereitungen Wissings scharf und schieben ihm die Schuld für die Verzögerung zu.

"An uns Ländern liegt es nicht, dass sich das 49-Euro-Ticket verzögert", sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Wir sind verwundert, dass der Bundesverkehrsminister mit den Vorbereitungen nicht vorankommt." Wissing selbst habe das deutschlandweite Ticket für Busse und Bahnen schließlich ursprünglich bereits zum Jahreswechsel einführen wollen.

"Die Länder und die Verkehrsverbünde sind zu einer raschen Einführung bereit", sagte Hermann zudem der Deutschen Presse-Agentur. Es dürfe aber keine unnötigen Verzögerungen mehr geben, das Bundesverkehrsministerium müsse vielmehr "den Weg für pragmatische Lösungen freimachen". Damit das Ticket von möglichst vielen Menschen genutzt werden könne, sollten bis zum Jahresende neben dem digitalen Angebot auch Papierfahrscheine zulässig sein. "Dies ist gerade für Kinder und für Erwachsene ohne Smartphone wichtig, um ihnen den Zugang zum Deutschlandticket zu ermöglichen", sagte Hermann. Es könnten auch nicht alle Verkehrsunternehmen aus dem Stand die digitalen Zeitkarten verkaufen.

Außerdem sollten die von Arbeitgebern bezuschussten Jobticketmodelle sowie die Studierendentickets in das 49-Euro-Ticket integriert werden, sagte Hermann der dpa weiter und forderte vom Bund "mehr Verständnis und Beweglichkeit für praktische Lösungen".

Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) lehnt Wissings Plan ab, das Ticket nur digital anzubieten. Im "Münchner Merkur" forderte er außerdem, bei der Aufteilung der Einnahmen aus dem Ticket müssten die kleineren Unternehmen im ländlichen Raum ihr Auskommen haben.

Die FDP-Fraktion in Baden-Württemberg erinnert hingegen an Vereinbarungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ländern. "Dort heißt es zweifelsfrei "digital" und "deutschlandweit"", sagte der FDP-Verkehrsexperte Christian Jung. "An diese sollte man sich halten und zügig die Vorbereitungen treffen." Außerdem müsse man kein Smartphone besitzen, es reiche eine Chip-Karte, wie es von Bankkarten oder der Bahncard bekannt ist.

Am Samstag hatte bereits Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) gewarnt, der Start zum 1. Mai sei akut in Gefahr. Wissing blockiere die Umsetzung, warf sie dem Liberalen vor. Das Bundesverkehrsministerium hingegen hatte zuletzt erklärt, für die Umsetzung des Tickets seien in erster Linie die für den ÖPNV zuständigen Länder und Verkehrsunternehmen zuständig.

Auch Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer schiebt dem Bund den "Schwarzen Peter" zu: "Volker Wissing bremst das Deutschland-Ticket und will gleichzeitig den Bau weiterer Autobahnen beschleunigen", sagte sie. Um die Emissionen im Verkehr zu senken, müsse der Minister aber weniger auf weitere Straßen setzen sondern konsequent auf gut ausgebauten und bezahlbaren öffentlichen Verkehr.

Im vergangenen Sommer hatten Millionen Fahrgäste während einer dreimonatigen Rabattaktion das 9-Euro-Ticket genutzt. Als dauerhafter Nachfolger ist das bundesweit gültige Ticket für 49 Euro im Monat für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr geplant.

Noch im Herbst hatten die Verkehrsminister eine Einführung im Januar angestrebt, doch viele Fragen sind noch nicht geklärt. Damit die Länder bei dem Pauschaltarif mitmachen, will der Bund im ersten Jahr die Mehrkosten zur Hälfte übernehmen; für die Folgejahre steht eine gemeinsame Regelung aber noch aus. Der Bund hat zudem den jährlichen Zuschuss, die Regionalisierungsmittel, um eine Milliarde erhöht. Bremens Senatorin Schaefer erneuerte aber die Länderforderung von zusätzlich 1,5 Milliarden Euro, damit Klimaziele im Verkehr nicht verfehlt werden.

Bussen und Bahnen in Deutschland fehlt chronisch Geld. Der Fahrkartenverkauf deckt nach Branchenangaben nur etwa die Hälfte der Kosten, den Rest schießt die öffentliche Hand zu. Nach Corona setzen hohe Energiepreise und voraussichtlich auch das 49-Euro-Ticket die Betriebe weiter unter Druck. Der Bund spannte einen Corona-Rettungsschirm auf und verabreichte Energie-Hilfen.

© dpa-infocom, dpa:230123-99-323047/3

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