Volocopter:Erstes Lufttaxi fliegt über europäischer Stadt

Volocopter: Der Volocopter über dem Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart

Der Volocopter über dem Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart

(Foto: AFP)
  • In Stuttgart ist zum ersten Mal der Prototyp eines Flugtaxis über einer europäischen Stadt abgehoben.
  • Der Volocopter soll, so die Hoffnung der Hersteller und Investoren, Stauprobleme auf deutschen Straßen lösen.
  • Die Herstellerfirma will in drei Jahren ein erstes Modell auf den Markt bringen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Punkt 14.02 Uhr setzen sich die 18 Rotoren des Volocopters in Bewegung. Dann hebt er ab. Es surrt verhältnismäßig leise, ganz anders als bei einem herkömmlichen Hubschrauber. Die weiße Mischung aus Drohne und Helikopter fliegt ohne Pilot in etwa 50 Metern Höhe, vom Boden aus ferngesteuert. Für den Auftrieb sorgen elektrisch betriebene Rotoren, die in einem Kranz über der zweisitzigen Passagier-Kabine installiert sind. Das Gerät bleibt stets über einem leeren Fußballplatz. Direkt über die Köpfe der Zuschauer auf dem Vorplatz des Mercedes-Museums in Stuttgart fliegt es nicht - aus Sicherheitsgründen. Nach vier Minuten landet es wieder auf dem Rasen. Applaus. Fertig ist der erste unbemannte Flug eines Flugtaxis über einer europäischen Stadt.

Tausende Neugierige hatten sich vor dem Museum versammelt, um den Flug in echt und auf Großleinwand mitanzuschauen, darunter auch Daimler-Chef Ola Källenius und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Das "emissionsfreie und vernetzte" Gerät entwickle den Traum vom Fahren zum "Traum vom Fliegen" weiter, sagte Källenius, der sich überzeugt zeigte, dass der Volocopter bald das Stauproblem "auf spezifischen Strecken lösen kann".

Denn mit den Lufttaxis zielt der Hersteller auch darauf ab, den Straßenverkehr in staugeplagten Großstädten zu entlasten. Insofern passt dieser erste Start in einer europäischen Stadt gut nach Stuttgart: In der Autostadt sitzen nicht nur die Hersteller Daimler und Porsche, sondern jede Menge Zulieferer - entsprechend viele Kraftfahrzeuge sind auf den chronisch verstopften Straßen unterwegs. Wegen der Schadstoffbelastung gilt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt seit Januar ein Einfahrverbot für Autos mit Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 4/IV und älter.

Vertrauen in die neue Technik wird erforscht

Volocopter-Chef Florian Reuter gab sich zudem optimistisch, in wenigen Jahren die Genehmigung für einen Flugtaxi-Betrieb in Städten zu erhalten, in drei Jahren soll das erste Modell marktfähig sein. "Wir wollen einen Beitrag zum Umweltschutz leisten", sagte er. Die Nutzung des Flugtaxis solle "erschwinglich" sein, nicht nur für die Reichen und Mächtigen, sondern für alle Verkehrsteilnehmer.

Ob die Menschen der neuen Technik auch vertrauen werden, ist allerdings noch offen. Dieser Frage ging die Hochschule für Technik in einer Umfrage am Rande der Veranstaltung nach. Ministerpräsident Kretschmann glaubt an die Akzeptanz in der Bevölkerung, vor allem unter jenen Menschen, die wie er unter ständigem Zeitdruck stehen. Der Grünen-Politiker wertete den Flug auch als Beleg für die Innovationskraft des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg: "Die Mobilitätsrevolution findet hier statt, geht von uns aus, wird von uns geprägt." Die Firma Volocopter aus Bruchsal bei Karlsruhe tüftelt neben vielen weiteren Herstellern an einem Konzept für senkrecht startende Lufttaxis, die Menschen innerhalb von Städten oder auch von Metropole zu Metropole transportieren können.

Airbus-Lufttaxi versagt beim Probeflug

2017 absolvierte Volocopter als erstes Unternehmen einen unbemannten Testflug über bewohnten Gebiet: Das Gerät war acht Minuten in Dubai City in der Luft. Damals drückte Dubais Kronprinz Scheich Hamdan bin Mohammed bin Rashid Al Maktoum auf den roten Knopf, um den Volocopter abheben zulassen. Im März 2019 gab es in Ingolstadt eine ähnliche Veranstaltung, dabei drückten CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer mit Digital- und Flugtaxi-Ministerin Dorothee Bär ebenfalls auf einen Knopf. Doch das einzige, was danach aufstieg, war weißer Rauch - das Fluggerät aus dem Hause Airbus blieb auf der Bühne stehen.

Der Volocopter ist da offenbar etwas weiter, wie er am Samstag bewies. Es gibt mehrere Investoren, die dem Startup weitere Erfolge zutrauen. Zu den Teilhabern gehört seit 2017 auch der Autobauer Daimler. Zuletzt ist auch der chinesische Daimler-Großaktionär Geely bei Volocopter eingestiegen. Geely und Volocopter planen ein Joint-Venture-Unternehmen, um die Lufttaxis in Chinas Megastädten zu etablieren. Inzwischen wird das Unternehmen mit 85 Millionen Euro bewertet, eine weitere Finanzierungsrunde steht nach eigenen Angaben unmittelbar bevor.

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