Verkehr:Der Bahn fehlt eine klare Strategie

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Trotz aller Probleme gibt es einen regelrechten Run auf die ICE-Tickets für die Strecke München - Berlin. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Mit der neuen Trasse München-Berlin ist die Bahn eine echte Alternative zum Flugzeug geworden. Doch die Probleme des Unternehmens kann sie nicht übertünchen.

Kommentar von Markus Balser

Abgedunkelter Bahnhof, Feuerwerk auf dem Gleis: Als am 10. Dezember die Premierenzüge auf der Neubautrasse München- Berlin in der Hauptstadt einrollten, verlief die Inszenierung noch nach Drehbuch.

Doch schon auf der Rückfahrt nahm eine desaströse Betriebsstörung ihren Lauf. Nicht nur der Premierenzug blieb liegen. In den ersten Tagen hatten Dutzende Züge wegen Problemen mit der neuen Steuerungstechnik Verspätung oder kamen gar nicht erst an.

Mehr als zwanzig Jahre Bau- und Planungszeit hatten nicht ausgereicht, um Probleme bei Testfahrten auszurotten. Nach einem langen Monat gibt die Bahn nun endlich Entwarnung. Die Züge sind pünktlich, die technischen Probleme scheinen gelöst zu sein. Und die Strecke zeigt, was in Deutschland möglich ist, wenn Bahn und Politik groß denken und das Angebot auf der Schiene stimmt.

Trotz aller Probleme gibt es einen regelrechten Run auf die ICE-Tickets. Seit eine Zugfahrt zwischen Berlin und München im Normalfall nicht mehr gut sechs, sondern etwas mehr als vier Stunden dauert, steigen doppelt so viele Passagiere ein - und das bei deutlich gestiegenen Preisen. Die Bahn ist zur echten Alternative zum Flugzeug geworden. Zum Auto sowieso.

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Die Lage des Staatskonzerns war schon lange nicht mehr so verfahren wie heute

Vom Beginn eines neuen Zeitalters des Bahnfahrens ist bei der Bahn nun schon die Rede. Man werde zur komfortablen Alternative für Flugzeug und Auto, wirbt der Konzern. Doch das Ende des Fiaskos auf einer Neubaustrecke ist noch lange kein Indiz für einen Aufbruch in eine neue Schienenära. Der verspätete Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass abseits der Prestigeroute bei der Bahn vielerorts Tristesse herrscht.

In Wahrheit war die Lage für den Staatskonzern schon viele Jahre nicht mehr so verfahren wie heute. Fernzüge sind in den vergangenen Monaten trotz gegenteiliger Pläne des Managements unpünktlicher geworden. Verspätungen, defekte Toiletten, falsche Wagenreihungen sind noch immer Begleiter auf vielen Reisen und schaffen weniger zufriedene Kunden. Kein Wunder: Manches Stellwerk stammt noch aus der Kaiserzeit. Mit Millionenaufwand versucht die Bahn zwar inzwischen, die Ärgernisse zu reduzieren. Doch die Rekordzahl an Baustellen wird zur Geduldsprobe auf Reisen.

Der Konzern steht zudem auch wirtschaftlich wacklig da. Gleich mehrere Geschäftsfelder bereiten Probleme. Der Güterverkehr der Bahn ist ein Sanierungsfall. Und auch der Regionalverkehr, bislang ein stabiles Geschäft, bekommt zunehmend Konkurrenz von privaten Anbietern.

Eigentlich müsste die Bahn noch viel mehr Geld in eine modernere digitale Infrastruktur investieren, um mehr Züge auf dem Netz fahren lassen zu können und die Kommunikation mit dem Kunden zu verbessern. Doch wegen hoher Schulden sind dem Konzern die Hände gebunden, auch weil Projekte wie Stuttgart 21 finanziell aus dem Ruder laufen.

Der Reisemarkt boomt, der Gütertransport auch. Noch nie waren so viele Menschen und Waren unterwegs wie heute. Die Gelegenheit wäre eigentlich gut für einen großen Wurf. Doch es gibt keine Pläne von Bahn und Politik für neue Schnelltrassen. Auch ein besseres Taktsystem, das unkompliziertes Reisen im Stundentakt ermöglichen könnte, ist nur angedacht.

Stillstand bei der Weiterentwicklung der Bahn droht auch, weil es in der Politik keine Klarheit darüber gibt, welche Rolle die Bahn eigentlich künftig im Fern- und Nahverkehr spielen soll. Will die Politik eine Staatsbahn, die in jeden Winkel des Landes fährt? Und darf dies den Staat auch etwas kosten? Oder soll die Bahn mehr privates Unternehmen sein und dem Finanzminister Gewinne liefern und dafür Kosten senken?

Die Zeit für Antworten drängt. Auch weil die Probleme außerhalb der Bahnzentrale wachsen. Der öffentliche Nahverkehr ist im ländlichen Raum immer stärker auf dem Rückzug. Ohne Auto geht es vielerorts nicht mehr. In vielen wachsenden Ballungsräumen dagegen schaffen die Verkehrsunternehmen die Beförderung steigender Fahrgastzahlen kaum noch. Auch auf den Straßen herrscht dort immer mehr Stillstand. Die Zahl der Staus ist 2016 auf Rekordlänge gewachsen.

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Von Markus Balser

Die Probleme werden so für die neue Bundesregierung zum zentralen Auftrag. Nötig ist ein neues Gesamtkonzept für die Mobilität im Land. Eines, das den wachsenden Verkehr mit Elektroautos im Nahverkehr besser mit der Bahn verzahnt. Und eine Abkehr von einer vor allem auf den Straßenverkehr konzentrierten Politik. Erst wenn die offenen Fragen in Berlin geklärt sind, wird das Klein-Klein einer echten Bahn-Strategie weichen.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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