Verkauf von Stromnetz:Vattenfall bricht ein Tabu

Erstmals gibt ein deutscher Energiekonzern sein Stromnetz ab. Den Zuschlag bekommt eine Gruppe von Finanzinvestoren. Ebenfalls an Bord: Josef Ackermann.

M. Balser u. M. Bauchmüller

Auf dem deutschen Energiemarkt bahnt sich eine historische Zäsur an. Erstmals steigen Finanzinvestoren in das überregionale Stromnetz ein. Vattenfall verkauft seine Energieautobahn an eine Gruppe um Goldman Sachs. Verbraucherschützer erwarten mehr Konkurrenz und niedrigere Preise.

Vattenfall, Stromnetz, Foto: dpa

Vattenfall-Stromleitungen bei Riesa: Der Verkauf des Stromnetzes ist eine historische Zäsur.

(Foto: Foto: dpa)

Die 20 Mitglieder des Vattenfall-Aufsichtsrats wollten am Montag in Berlin nach Angaben aus Konzernkreisen auf einer Sondersitzung des Gremiums grundsätzlich grünes Licht für das Millionengeschäft geben. "Der Verkauf ist durch", hieß es. Das Höchstspannungsnetz soll an ein Konsortium aus Goldman Sachs sowie Töchtern von Allianz und Deutscher Bank gehen. "Wir sind auf der letzten Meile", sagte ein Konzernsprecher am Montag zum Stand der Gespräche. Vattenfall wolle den Verkauf noch in diesem Jahr abschließen. Höchstspannungsnetze liefern den Strom über lange Distanzen, bevor regionale Versorger ihn an die Haushalte weitergeben.

Hoffnung auf die Wende

Vattenfall bricht damit in der Branche als erster ein Tabu. Denn seit Jahrzehnten versuchen deutsche Energieversorger neben der Stromproduktion auch die Energienetze zu kontrollieren. Vor allem die Europäische Union drängt die Netzbetreiber RWE, Eon, Vattenfall und EnBW seit langem, sich endlich vom teils lukrativen Geschäft zu trennen und so mehr Konkurrenz zu ermöglichen. Denn auch elf Jahre nach der Liberalisierung herrscht auf dem deutschen Strommarkt nach Auffassung der Monopolkommission zu wenig Wettbewerb.

Die vier Großkonzerne machen 85 Prozent der Produktion unter sich aus und teilen sich auch die Höchstspannungsnetze. Allein Vattenfall versorgt über sein fast 10.000 Kilometer langes Netz in Ostdeutschland 18 Millionen Bürger.

Verbraucherschützer hoffen nun auf eine Wende und lebhaftere Konkurrenz auf dem deutschen Strommarkt. "Auf dem Weg zu einem europäischen Netz ist das ein wichtiger Zwischenschritt", sagte Holger Krawinkel, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Eine Abspaltung der Stromnetze erlaube einen effizienteren Betrieb der Leitungen und damit mehr Wettbewerb.

Schwierige Gespräche

Auch komme Vattenfall mit einem Verkauf den Plänen der schwarz-gelben Koalition entgegen. Die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, "die deutschen Übertragungsnetze in einer unabhängigen und kapitalmarktfähigen Netzgesellschaft zusammenzuführen". Pläne zu einer solchen "Deutschen Netz AG" hatte auch schon die Vorgängerkoalition. Sie kam allerdings darüber nicht hinaus.

Der Politik ist ein Dorn im Auge, dass die vier Netzbetreiber weitgehend unabhängig voneinander agieren. In ihren Netzgebieten, den so genannten Regelzonen, sorgen sie für eine gleichbleibende Stromspannung. Dazu fahren sie ihre Kraftwerke wahlweise herauf oder herunter und gleichen so Knappheiten oder Überschüsse aus. Experten verlangen schon seit langem eine Zusammenlegung der Zonen. Überschüsse in einem Gebiet könnten so Knappheiten in einem anderen leichter ausgleichen als bisher.

Doch auch auf die neue Regierung warten schwierige Gespräche. Denn am Montag bekräftigten RWE und EnBW ihre Ablehnung. Sprecher betonten, die Konzerne wollten dem Beispiel von Vattenfall nicht folgen und an ihren Netzen auf jeden Fall festhalten. Nur der Düsseldorfer Eon-Konzern ist zum Verkauf bereit. Auch an dessen Netz hat das Konsortium Interesse. Investoren aus der Finanzbranche reizen an den Stromautobahnen die stetigen Einnahmen, die zwar keine sehr hohen, aber dafür kalkulierbare und krisensichere Gewinne versprechen. Mehrere Bieter waren abgesprungen, weil sie in der Finanzkrise offenbar das Geld für einen Kauf nicht auftreiben konnten.

Den Kaufpreis für das Vattenfall-Netz liegt laut Konzernkreisen bei gut 500 Millionen Euro. Damit erhält Vattenfall offenbar weniger für seine Leitungen als erhofft. Als im vergangenen Jahr erstmals Verkaufspläne publik geworden waren, hatten Experten den Wert auf eine Milliarde Euro taxiert.

Für Vattenfall könnte sich der Verkauf dennoch rechnen. Denn sowohl Vattenfall als auch Eon müssen mit ihren Netzen in Norddeutschland hohen Investitionen rechnen. Wegen des geplanten Ausbaus der Windkraft müssten sie so genannte Offshore-Parks auf hoher See anbinden. Zwar sollen die Milliardeninvestitionen für die langen Seekabel auf die Netzgebühren aufgeschlagen werden. Es bleiben allerdings Risiken, wenn etwa ein Kabel verlegt ist, der Windpark aber scheitert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: