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Verhandlungen um Schuldenschnitt:Athen hofft, Gläubiger zögern

Die Griechen sahen sich schon vor einem "historischen Deal" - allerdings endete ein nächtlicher Verhandlungsmarathon lediglich mit großen Worten. An diesem Wochenende sollten die Gespräche in die entscheidende Runde gehen, doch der Verhandlungsführer des Bankverbands ist aus Athen abgereist.

Es war schon die Rede von einem "historischen Deal": Der Internationale Bankenverband IIF erklärte, bei den Gesprächen über den griechischen Schuldenschnitt seien am Freitagabend deutliche Fortschritte erzielt worden. "Elemente eines noch nie dagewesenen freiwilligen Schuldenschnitts werden in die Tat umgesetzt", sagte ein Sprecher des IIF. Es müsse jetzt entschlossen gehandelt werden, um diese Einigung zu einem Ende zu bringen und Griechenland zu stabilisieren.

Doch die Taten von IlF-Verhandlungsführer Charles Dallara wollen so gar nicht zu diesen Worten passen: Der nämlich reiste am Samstag zu Konsultationen mit Bankenvertretern nach Paris ab. Zwar sollen die Gespräche telefonisch fortgesetzt werden. Doch eine Einigung sei nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters erst kommende Woche möglich.

Griechische Medien hatten zuvor berichtet, dass die angestrebte Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) noch vor dem Euro-Gipfel am Montag fertig sein sollte. Auch aus Kreisen der EU hieß es, man halte eine Einigung noch am Wochenende für möglich.

Die Verhandlungen mit Vertretern des IIF führten Ministerpräsident Lukas Papadimos und Finanzminister Evangelos Venizelos. Letzterer plant nach eigenen Angaben, das Memorandum mit dem IIF seinen Kollegen der Eurogruppe am Montag zu präsentieren.

Worüber noch gestritten wird

Seit Monaten feilschen Regierung und Gläubiger Griechenlands erbittert um eine Lösung, wenige Tage zuvor hatte Ministerpräsident Papadimos noch den Gläubigern mit einem Gesetz zum Forderungsverzicht gedroht. Denn tatsächlich sind die großen Streitfragen noch nicht ausgeräumt. Die Verhandlungspartner sind sich uneins über die Höhe der Zinsen, die die Banken für ihre neuen Griechenland-Kredite erhalten sollen.

Für die privaten Gläubiger dürfte eine Einigung, die den Staatsbankrott des Landes verhindern soll, mit einem Forderungsverzicht von 65 bis zu 70 Prozent verbunden sein. Im Gegenzug sollen ihnen nach Angaben eines Bankenvertreters Staatsanleihen mit einer 30-jährigen Laufzeit und einer Verzinsung von durchschnittlich vier Prozent angeboten werden. Der Privatsektor hatte zunächst mehr als fünf Prozent gefordert.

Am Samstagmorgen deuteten Informationen aus Bankkreisen darauf hin, dass die Geldgeber aus den Euro-Ländern noch niedrigere Zinsen von den Banken verlangen. Die Rede war von weniger als drei Prozent. Anderenfalls könne Griechenland nie auf eigenen Beinen stehen, denn: Je höher die Zinsen, desto geringer sinkt die griechische Verschuldung. Die Banken wollten dies nicht akzeptieren. Solche Zinsen würden keinen locken, beim Schuldenschnitt mitzumachen, hieß es aus Bankkreisen.

Nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wird die angestrebte Einigung Europa auf lange Sicht teuer zu stehen kommen. "Die Erwartung war, dass Staatsanleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Dieses Prinzip wurde verletzt - und zwar entgegen allen Aussagen, die zuvor gemacht worden waren", so Ackermann zur Nachrichtenagentur dpa. "Dafür werden wir einen hohen Preis zahlen müssen, unter anderem in Form höherer Zinsen, die Investoren von vielen Regierungen verlangen werden."

Ziel des angestrebten Schuldenschnitts ist, Griechenland um 100 Milliarden Euro zu entlasten. Das Land sitzt derzeit auf einem Schuldenberg von rund 352 Milliarden Euro. Das entspricht 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich allenfalls 60 Prozent. 206 Milliarden davon befinden sich in den Händen von Privatleuten, Banken, Versicherungen und Hedge Fonds.

Gespräche mit Troika um neue Milliarden-Hilfen

Sollte der Schuldenschnitt gelingen, können die Schulden nach Schätzungen der EU und des Internationalen Währungsfonds IWF zunächst auf 152 Prozent fallen. Bis 2020 sollen sie auf 120 Prozent sinken - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft nach mehrjähriger Rezession ab 2013 wieder deutlich wächst. Ein solches Wachstum ist aber bislang nicht in Sicht.

Den teilweisen Schuldenerlass für Athen sollen die privaten Gläubiger freiwillig schultern. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland. Am Freitag kam die Regierung auch zu ersten Gesprächen mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zusammen, bei denen es um die weiteren Finanzhilfen geht.

Die Troika muss die Umsetzung der Reformmaßnahmen überprüfen und analysieren, ob die bisher geplante Hilfe von 130 Milliarden Euro aus den Euro-Staaten und der mögliche Verzicht auf Forderungen in Höhe von 100 Milliarden Euro seitens der Banken zur Sicherung der griechischen Schuldentragfähigkeit ausreichen. Nur bei Zustimmung der Troika erhält Griechenland die nächste Rate des internationalen Rettungspakets.

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