Verhandlungen mit RWE:Gazprom drängt in deutschen Strommarkt

Erstmals könnte sich ein russischer Großinvestor in einen Dax-Konzern einkaufen: Nach dem erzwungenen Ausstieg aus der Atomenergie will RWE-Chef Jürgen Großmann sein Unternehmen umbauen und sucht finanzkräftige Partner. Womöglich wird einer von ihnen Gazprom sein.

Der russische Rohstoffriese Gazprom steht vor dem Einstieg in den deutschen Strommarkt. Wegen der Kosten der Energiewende erwägt der Essener RWE-Konzern einen Teilverkauf an das mächtige Unternehmen aus Moskau. Damit könnte erstmals ein russischer Großinvestor in einem Dax-Konzern Fuß fassen.

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Ein Einstieg von Gazprom bei RWE dürfte in Berlin auf Widerstand stoßen.

(Foto: Bloomberg)

In Paris loteten RWE-Vorstandsvorsitzender Jürgen Großmann, Chefstratege Leonhard Birnbaum und Gazprom-Chef Alexej Miller am Wochenende die Chancen eines Einstiegs von Gazprom aus, verlautete aus Konzernkreisen. Nach dem erzwungenen Ausstieg aus der Atomenergie will der RWE-Chef seinen Energiekonzern umbauen und sucht finanzkräftige Partner. Gazprom könnte dabei nicht nur als Gaslieferant eine wichtige Rolle spielen, hieß es weiter. Auch eine strategische Beteiligung an RWE oder Konzerntöchtern sei aus Sicht des RWE-Chefs möglich. Selbst als langfristiger Großaktionär komme Gazprom in Frage.

Abhängigkeit von Russland würde wachsen

Werden sich die Konzerne einig, stellt das die deutsche Politik vor gravierende Probleme. Denn bislang blockte die Bundesregierung alle Versuche russischer Investoren ab, bei Großkonzernen wie EADS, der Deutschen Telekom oder Infineon einzusteigen. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hatte die Verschlossenheit Deutschlands zuletzt mehrfach kritisiert.

Damit droht eine neue Auseinandersetzung mit dem Kreml. Denn auch der Einstieg von Gazprom dürfte in Berlin auf Widerstand stoßen. Dieser würde die Abhängigkeit der deutschen Stromversorgung von Russland weiter erhöhen. Gazprom kontrolliert ein Sechstel der weltweiten Gasreserven. Deutschland bezieht 40 Prozent seines Gases aus Russland. Mit dem Einstieg bei RWE bekäme Gazprom auch noch Zugriff auf das strategisch wichtige Leitungssystem des deutschen Konzerns.

RWE-Chef Großmann bestätigte bereits erste Gespräche mit Gazprom. "Es geht um die laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen unseren Häusern", sagte er der Süddeutschen Zeitung und warb um Offenheit gegenüber Investoren aus Russland. "Ich freue mich über jeden, der Kapital nach Deutschland bringt und deutsche Aktien kauft", sagte er. "Wenn Gazprom sich in Deutschland engagieren will, ist das in Ordnung. Es steht jedem Unternehmen frei, einer deutschen Gesellschaft ein Übernahmeangebot zu machen. Deutschland sollte Gazprom nicht diskriminieren." RWE mache seit Jahren gute und verlässliche Geschäfte mit dem Partner.

Für Gazprom wäre die Investition lohnend. Der Konzern will sich künftig nicht mehr damit zufrieden geben, nur an der Quelle zu kassieren. Er will auch in die lukrative Stromproduktion in Deutschland einsteigen und Kunden direkt mit Energie beliefern. Finanziell wäre der Ausbau des Deutschlandgeschäftes für Gazprom problemlos machbar. Das Unternehmen investiert derzeit jährlich bis zu 30 Milliarden Euro in die eigene Expansion.

Der gesamte RWE-Konzern ist derzeit nach einem monatelangen Kursverfall noch etwa 20 Milliarden Euro wert, 13 Milliarden weniger als vor gut einem Jahr. Doch ob ein Einstieg tatsächlich gelingt, ist offen. Die Verhandlungen könnten sich hinziehen, heißt es aus den Unternehmen. Und auch der RWE-Rivale Eon buhlt um den einflussreichen Investor. Das letzte Wort hätte ohnehin das Bundeskartellamt. Der Einstieg des russischen Gazprom-Konzerns bei einem deutschen Versorger würde auf kartellrechtliche Bedenken stoßen, warnte die Behörde. Man werde ein solches Geschäft genau prüfen, teilte ein Sprecher mit.

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