Verhandlungen in Brüssel:Warum Deutschland die Bankenunion bremst

Finance ministers meeting

Wolfgang Schäuble beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel

(Foto: dpa)

Die Bankenunion soll das Finanzsystem stabiler machen und eine neue Euro-Krise verhindern. Doch der deutsche Minister Schäuble blockiert aus Sicht der EU-Partner, wo er kann. Beim Treffen der Finanzminister in Brüssel hat er vor allem ein Problem: die SPD.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Claus Hulverscheidt, Berlin

Es könnte so schön sein, dieses gemeinsame Europa, wenn, ja wenn da nicht dieses "eine spezielle große Land wäre, Sie wissen schon", das dauernd blockiert und den großen Wurf verhindert. Der Finanzminister dieses "speziellen großen Landes, Sie wissen schon", über das EU-Diplomaten dieser Tage so oft wie resigniert sprechen, wird an diesem Freitag in Brüssel erneut mit seinen Amtskollegen über die Errichtung einer europäischen Bankenunion verhandeln. Die Erfolgsaussichten sind gering, denn es sind sich zwar alle einig - bis eben auf das bekannte "spezielle große Land, Sie wissen schon".

Die Bankenunion, das ist das Projekt, mit dem die EU-Staaten verhindern wollen, dass es noch einmal zu jener fatalen Abwärtsspirale aus Banken- und Staatsverschuldung kommt, die seit 2010 mehrere Euro-Länder an den Rand des Ruins getrieben und die gesamte Währungsunion beinahe hat implodieren lassen. Dazu übernimmt in einem ersten Schritt die Europäische Zentralbank die Aufsicht über die 130 größten Geldhäuser des Kontinents. Daran anschließen soll sich die Gründung einer Abwicklungsbehörde, die in Not geratene Banken umstrukturiert und rekapitalisiert oder aber geordnet schließt. Das dafür notwendige Geld soll aus einem Abwicklungsfonds kommen, den die Kreditinstitute über viele Jahre selbst füllen.

So weit, so einfach, wäre da nicht der Jurist Wolfgang Schäuble aus dem "speziellen Land", der die Pläne seiner Amtskollegen nur über eine langwierige Änderung der EU-Verträge für umsetzbar hält. Auch lehnt er das Vorhaben der Brüsseler Kommission ab, selbst in die Rolle der neuen Abwicklungsbehörde zu schlüpfen. Eine solche Aufgabenballung würde aus Sicht des Bundesfinanzministers die Gefahr von Interessenkonflikten bergen.

Manipulationsanfällig und unpraktikabel

Ihm schwebt stattdessen ein Netzwerk aus den heutigen nationalen Abwicklungsbehörden mit einer gemeinsamen Agentur an der Spitze vor. Von "abgestuften Entscheidungsmechanismen" ist in deutschen Diplomatenkreisen die Rede, was wiederum die französischen Kollegen auf die Palme bringt: Sie halten die von Berlin angezettelte Diskussion für eine "theologische Debatte". Auch wäre eine beim EU-Ministerrat angesiedelte Agentur in ihren Augen ebenso manipulationsanfällig wie unpraktikabel.

Ein klein wenig Rückendeckung erhält der Bundesfinanzminister jetzt vom Juristischen Diensts des Bundestags. Zwar geht dieser nicht ganz so weit wie Schäuble und hält die Pläne der Kommission und der übrigen EU-Staaten bei Einhaltung einer ganzen Reihe von Bedingungen für umsetzbar. Ganz am Ende der 69-seitigen Expertise heißt es jedoch: "Insgesamt sprechen (...) gewichtige Gründe dafür, dass es für die Errichtung einer einheitlichen Bankenabwicklungsbehörde und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds jedenfalls in der von der Kommission vorgeschlagenen Form einer Vertragsänderung bedarf." Umgekehrt heißt das aber auch: Schäubles Darstellung, die Bankenunion sei ohne Vertragsänderung gänzlich unmöglich, wird durch das Gutachten auch nicht gedeckt.

Entscheiden wird sich an diesem Freitag ohnehin noch nichts, wie der Finanzminister eines großen Euro-Landes bereits einen Tag zuvor bei einem Champagner-Empfang in der Chef-Etage der Kommission einräumte: "Schäuble hat kein Mandat, er steckt in Koalitionsverhandlungen. Wir müssen im Dezember wieder reden."

Streit zwischen Union und SPD

Das hat der Kollege in der Tat richtig erkannt, denn Schäuble hat der SPD als mutmaßlichem Koalitionspartner von CDU und CSU zugesagt, in Brüssel ab sofort nur noch bereits abgestimmte deutsche Positionen vorzutragen. Die Verhandlungen der Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen zum Thema Bankenunion sollten daher eigentlich bis zu diesem Donnerstag abgeschlossen sein - sind sie aber nicht.

Vielmehr liegen Union und SPD in wichtigen Punkten immer noch auseinander. Das gilt insbesondere für die Frage des Abwicklungsfonds: Während Schäuble nationale Bankenabgaben erheben und ein Netz aus bereits bestehenden oder noch zu gründenden nationalen Fonds knüpfen will, fordert der SPD-Finanzexperte Carsten Scheider eine EU-Bankenabgabe und den Aufbau eines Gemeinschaftstopfs. Er fürchtet, dass bei einer Umsetzung von Schäubles Idee eine marode Bank am Ende doch nicht oder aber zu Lasten der Steuerzahler geschlossen wird, weil sich die einzelnen Länder die nötigen Mittel nicht gegenseitig zur Verfügung stellen. In der Aufbauphase soll sich der Gemeinschaftsfonds nach Schneiders Ansicht die fehlenden Mittel am Kapitalmarkt leihen können.

Die Opposition erhöht schon den Druck auf die SPD, Schäuble nicht nachzugeben. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei der SPD-Basis besonders gut ankommt, wenn Banken weiter mit Steuergeldern gerettet werden", sagt Schneiders Grünen-Kollegin Priska Hinz und fordert einen aus "Bankengeldern gespeisten EU-Abwicklungsfonds". In der Aufbauzeit könne dieser Fonds Kredite beim Euro-Rettungsschirm ESM aufnehmen, "damit Bankenkrisen nicht weiter die Haushalte nationaler Regierungen vergiften".

Immerhin: Es gibt auch Punkte, in denen Union, SPD und sogar die Grünen einig sind: So soll es direkte Hilfszahlungen aus dem ESM an marode Banken weiter nicht geben - und das obwohl die EU-Partner geglaubt hatten, sie hätten Schäuble dieses neue Instrument längst abgetrotzt. Auch künftig wird deshalb in Brüssel wohl von dem "einen speziellen großen Land" die Rede sein - "Sie wissen schon".

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