Viele Griechen haben in den vergangenen Krisenjahren vor allem eines hassen gelernt: die Troika. Sie ist, beziehungsweise war, das Dreiergespann aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB). Regelmäßig flogen die strengen Prüfer in den vergangenen Jahren in die griechische Hauptstadt, überprüften die umgesetzten Reformen und Finanzzahlen und gaben erst dann weitere Kreditraten frei - oder eben nicht. Die Troika wurde so zum Gesicht der als sparwütig und mitleidlos wahrgenommenen Gläubiger. Genau das wollte Regierungschef Alexis Tsipras nach seiner Wahl nicht mehr akzeptieren - und bestand darauf, das Wort Troika zu verbannen. Die drei Gläubiger heißen seitdem "die Institutionen".
Seit dieser Woche ist aber ebenjene Troika faktisch wieder zurück in Athen. Sie ist sogar zu einer Quadriga geworden. Mit dabei sind diesmal Vertreter des Euro-Rettungsfonds ESM, der die meisten der benötigten Milliarden leihen soll. Mit ESM, Zentralbank, Währungsfonds und EU-Kommission muss die Regierung von Ministerpräsident Tsipras ab sofort ein neues Kreditprogramm verhandeln. Neue Kredite sind dringend nötig, regelmäßig muss Athen alte Schulden zurückzahlen. Doch die Verhandlungen stehen vor einigen großen Hürden.
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Die einzelnen Staaten Europas müssen einen Teil ihrer Souveränität abgeben - zum Beispiel an einen EU-Finanzminister.
Erstens: Die Details des Reformabkommens
Athen und die Gläubiger müssen auf Grundlage der Vereinbarung von Brüssel ein detailliertes Papier aushandeln. "Die Reformvereinbarungen müssen jetzt deutlich konkreter werden", sagt Matthias Kullas vom Centrum für europäische Politik (CEP). Wann dürfen Läden in Griechenland an Sonntagen künftig öffnen und schließen? Ab welchem Alter können Griechen in Rente gehen, nach wie vielen Jahren Erwerbstätigkeit? Welche Medikamente dürfen nun auch in gewöhnlichen Läden verkauft werden? Ein solches "Memorandum of Understanding" (MoU) dürfte wegen zahlloser Details am Ende Hunderte Seiten stark sein.
Es dürfte für die griechische Regierung unmöglich sein, die mit den Kreditgebern vereinbarten Strukturreformen abzuwenden. In den Verhandlungen könne es nun höchstens um Details und um alternative Wege zu Reformzielen gehen, sagt Kullas. "Eine Strategie Athens könnte sein, dass die Regierung bestimmte, besonders schmerzhafte Reformen in die Zukunft verschiebt." Allzu offensichtliche Reformverschleppung dürften die Gläubiger aber unterbinden.
Ökonom Kullas ist überzeugt, dass die Reformen den größten Teil der Griechen hart treffen werden. Hinzu komme, dass viele Menschen auf liebgewonnene Rechte verzichten müssen: "Da werden für viele Griechen Pfründe wegfallen", sagt Kullas.
Zweitens: Tsipras' Regierung zerfällt
Die unbequemen Details der Reformvereinbarung mit den Kreditgebern dürften die innenpolitische Spannung in Athen noch verstärken. Schon jetzt zeichnen sich zwei besonders konfliktträchtige Themen ab. Neben der umstrittenen Rentenreform sind dies besonders die Steuererleichterungen für Bauern. Neben vielen Syriza-Abgeordneten ziehen bei den Renten und Bauernsubventionen sogar die Oppositionsparteien nicht mit.
Auf die Unterstützung ebenjener Opposition ist Tsipras aber dringend angewiesen. Schon die beiden Reformpakete der vergangenen Wochen konnte er nur mit den Stimmen der Parteien Nea Dimokratia und Pasok durchs Parlament bringen. Seine eigene Regierung zerbröselt zusehends. Bis zu 38 Syriza-Abgeordnete, vor allem aus dem ultralinken Flügel der Partei, stimmten im Parlament gegen die Gesetze. In der Folge bildete Tsipras sein Kabinett um und ersetzte aufmüpfige Minister mit Vertrauensleuten.
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Außerdem gibt der zurückgetretene Finanzminister Yanis Varoufakis keine Ruhe. In einer Telefonkonferenz plauderte er aus, dass er geheime Pläne zur Einführung der Drachme entwickeln ließ. Teil des Plans soll gewesen sein, sein eigenes Ministerium zu hacken. Die Enthüllungen belasten Premier Tsipras noch stärker. Die Opposition fordert eine Erklärung von ihm, wie weit die Pläne für einen "Grexit" tatsächlich gediehen waren.
Drittens: Neue Gelder hängen am IWF
An einem dritten Kreditpaket muss auch der Währungsfonds IWF teilnehmen. So hat es der Euro-Gipfel am 12. Juli auf die erste Seite seiner Erklärung geschrieben (hier als PDF in deutscher Übersetzung).
Entscheidend dürfte eine Frage werden, sagt Ökonom Matthias Kullas: "Wird der IWF auf einen Schuldenschnitt drängen - oder reicht eine Umschuldung?" Der Unterschied ist gewaltig - zumindest aus politischer Perspektive. Einen harten Schuldenschnitt schließt der Euro-Gipfel in seiner Erklärung vom 12. Juli nämlich explizit aus. Offen lässt das Papier dagegen eine Umschuldung. Dabei werden Laufzeiten von Krediten in die Zukunft gestreckt und Zinssätze auf Schulden gesenkt. Außerdem muss er nach einer verlängerten Kreditlaufzeit nur die nominale Kreditsumme zurückzahlen. Durch die Inflation ist diese Summe real zu diesem Zeitpunkt aber wahrscheinlich deutlich weniger wert. Der Schuldner hat also faktisch einen Schuldenschnitt bekommen. Auch wenn der nicht so heißt.
IWF-Direktorin Christine Lagarde hat immer wieder betont, dass ein neues Kreditprogramm ohne Schuldenerleichterung nicht tragbar sei. Diese Haltung ist in den Grundsätzen des Fonds begründet. Er darf nur Geld verleihen, wenn er annehmen kann, dass ein Schuldner neue Kredite auch zurückzahlen kann.
Besteht der IWF auf einen harten Schuldenschnitt, kann der Fonds nicht Teil eines Kreditprogramms sein. Gibt sich der Fonds mit einer Umschuldung zufrieden, kann er prinzipiell mit von der Partie sein. Ein Problem bleibt aber bestehen: Der Währungsfonds will eine Umschuldung vor einem neuen Kreditpaket. Der Euro-Gipfel schreibt in seinem Papier vom 12. Juli dagegen, eine Umschuldung könne es frühestens nach einer Evaluation im November geben.