Süddeutsche Zeitung

Vergleichsportale:Das Geschäft mit dem Wechselwillen

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Wer einen neuen Strom- oder Gasanbieter sucht, informiert sich meist auf Vergleichsportalen. Aber wie neutral sind die wirklich? Verivox-Chef Puschmann wehrt sich gegen die Kritik - und greift die Politik an.

Von Caspar Busse und Andreas Jalsovec

Daniel Puschmann, 48, wohnt mit seiner Familie in Mering, einem Städtchen südlich von Augsburg, 50 Kilometer von München entfernt. Strom und Gas bezieht er aber nicht wie die meisten in der Gegend vom örtlichen Versorger, den Lechwerken. Er ist Kunde bei einem Unternehmen, das seinen Sitz rund 900 Kilometer weiter nördlich direkt an der dänischen Grenze hat - von den Stadtwerken Flensburg. Puschmann sagt, er wechsle regelmäßig seinen Strom- und Gasanbieter, denn damit könne man Geld sparen.

Puschmann, der früher bei der Beratungsfirma Roland Berger und beim Hamburger Medienunternehmen Bauer gearbeitet hat, ist seit zwei Jahren der Chef von Verivox, nach Check 24 die größte deutsche Vergleichsplattform im Internet. Wenn Kunden ihren Strom- oder Gasversorger, die Versicherung oder den Telekommunikationsanbieter wechseln oder einen günstigen Kredit suchen, ist das gut für Puschmann. Anbieterwechsel ist das Geschäftsmodell von Verivox: Das Unternehmen verdient daran, erhält Provisionen und Werbeeinnahmen, arbeitet also ähnlich wie ein Vermittler oder Finanzberater. Doch das Geschäft ist auch umstritten. Der Verdacht: Vergleichsportale würden oft solche Anbieter empfehlen, die hohe Provisionen zahlen und damit gut für den Umsatz sind. Angesichts der gestiegenen Strom- und Gaspreise und den Problemen einiger Anbieter wird diese Kritik jetzt lauter.

Verivox-Chef Puschmann wehrt sich dagegen. "Es ist unser Anspruch und unser Ziel, eine möglichst breite Auswahl zu bieten", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Und betont: "Unsere Ergebnislisten sind absolut unabhängig von der Höhe der jeweiligen Provisionen, die wir erhalten." Verivox sei dabei transparent und orientiere sich an den Präferenzen der Kunden. "Der Konsument will selbst entscheiden - und wir sollten ihm alle zutrauen, dass er das auch kann", sagt Puschmann. Zudem sei sein Unternehmen unabhängig etwa von Banken oder Versicherungen.

Es geht um ein "knallhartes Geschäftsmodell"

Verbraucherschützer kritisieren dennoch immer wieder, dass die Suchergebnisse der Portale häufig darauf ausgerichtet seien, mit den angezeigten Tarifen über Wechselprovisionen möglichst viel Geld zu verdienen. "Grundsätzlich sind die Portale gut für den Wettbewerb auf dem Energiemarkt", sagt etwa Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Aber es ist auch ein knallhartes Geschäftsmodell, über das sie sich finanzieren müssen." Nicht immer seien die Ranglisten dabei vollständig transparent für die Nutzer. Mitunter lande auch das ein oder andere "graue Schaf" auf den oberen Rängen. Das Bundeskartellamt hatte deshalb 2019 eine breite Untersuchung von Vergleichsportalen angestellt. So monierten die Kartellwächter teilweise verbraucherschädigende Irreführungen, Transparenzverstöße oder Schleichwerbung.

Tatsächlich bekommt, wer über ein Vergleichsportal einen Strom- oder Gastarif sucht, in der Regel nur Anbieter angezeigt, zu denen er direkt von der Internetseite des Portals aus wechseln kann. So kann das Portal an jedem Wechsel verdienen. Oft steht ganz oben eine gekennzeichnete Anzeige, für die der Anbieter extra zahlt. Dann folgen die standardmäßig nach Preis geordneten Angebote, oft scrollen die Kunden aber nicht weit nach unten. Um andere Anbieter zu sehen, müssen die Nutzer sich schon intensiv mit den Einstellungen beschäftigen. Man sollte ihnen aber zutrauen, dass sie das können, sagt Verivox-Chef Puschmann: "Wenn über 50 Prozent der Verbraucher noch nie den Anbieter gewechselt haben, weil sie etwa Angst haben, danach ohne Strom dazustehen - dann liegt die Aufgabe des Verbraucherschutzes doch weniger beim Warnen als bei der Befähigung und der Information der Verbraucher."

Gegenüber dem Konkurrenten Check 24 will sich Verivox als die seriösere Alternative präsentieren. "Wir sind kein Bauchladen und machen deshalb zum Beispiel keinen Vergleich von Schönheitschirurgen", sagt Puschmann. Die Werbung von Verivox kommt zumindest nicht so laut und schrill daher wie die von Check 24. Auf dem Markt tummeln sich weitere Anbieter wie Finanztip oder Biallo. Die Konkurrenz ist groß, die Marktmacht der Portale aber auch.

Verivox mit mehr als 500 Mitarbeitern - die Zentrale ist in Heidelberg - gehört zu 70 Prozent Pro Sieben Sat 1 Media und zu 30 Prozent General Atlantic. Das Münchner Fernsehunternehmen betreibt zusammen mit dem amerikanischen Finanzinvestor eine ganze Reihe von Onlinegeschäften, etwa Datingplattformen wie Parship und Elite oder Billiger-Mietwagen.de. Die Marken werden unter anderem in den eigenen TV-Sendern beworben. Zahlen veröffentlicht Verivox kaum, nur soviel: Es gebe rund 29 000 Tarife auf der Plattform. Seit der Gründung im Jahr 1998 habe Verivox mehr als acht Millionen Kunden beim Anbieterwechsel unterstützt, die damit zusammen mehr als zwei Milliarden Euro gespart haben sollen. "In den vergangenen Jahren hatten wir eine gute Geschäftsentwicklung und gewinnen Marktanteile", sagt Puschmann, ohne konkret zu werden. Bei Kreditanfragen habe es alleine ein Wachstum von mehr als 30 Prozent gegeben.

Schwierig geworden ist in den vergangenen Monaten dagegen das Geschäft mit Tarifvergleichen für Strom und Gas. Es herrsche Ausnahmezustand auf dem Energiemarkt. "Die Leute zeigen gerade ein sehr hohes Interesse, die Suchanfragen sind zuletzt um mehr als 30 Prozent angestiegen", sagt Puschmann. Aber es gebe derzeit nur wenig attraktive Tarife. "Wir empfehlen momentan, möglichst flexible Verträge einzugehen und dann später zu wechseln", sagt der Verivox-Chef.

Hunderttausende Kunden landeten zuletzt in der teuren Grundversorgung

Für einige Kunden, die gewechselt haben, gab es zu zuletzt eine böse Überraschung. Wegen der steigenden Beschaffungskosten hatten viele kleinere Firmen ihre Strom- oder Gaslieferung eingestellt, einige Energieanbieter mussten Insolvenz anmelden. Hunderttausende Kunden landeten so in teuren Tarifen ihres Grundversorgers. Kritiker machen dafür auch die Vergleichsportale verantwortlich, die zuvor zum Wechseln animiert hatten. Der Anbieter Stromio etwa hat Ende vergangenen Jahres seine Stromlieferverträge gekündigt. Bei Verivox heißt es, dass Verträge etwa mit Stromio schon länger nicht mehr vermittelt wurden.

Gegen strengere Vorschriften wehrt sich Verivox. "Neue Regelungen dürfen nicht dazu führen, dass der Wettbewerb etwa auf den Energiemärkten zum Erliegen kommt", sagt Puschmann. Und er greift Politik und Verbraucherschutz auch direkt an: "Sowohl die Politik als auch die Verbraucherschützer müssen aufhören, Technologie als Bedrohung zu empfinden", kritisiert er. Ein paternalistisches, bevormundendes Verhalten sei der falsche Weg: "Der Konsument ist mündig."

Das bezweifle auch niemand, sagt Hans Weinreuter, Fachbereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Dennoch sei etwa die Einrichtung einer staatlich finanzierten und kontrollierten "neutralen Tarifplattform, die nicht über den Wechsel Geld verdient", sinnvoll. Deren Anspruch müsse es sein, "maximale Transparenz herzustellen". Nach den Plänen der Ampel-Regierung soll bei der Finanzaufsicht Bafin ein neues, umfassendes Vergleichsportal für Girokonten entstehen. Im Energiebereich sieht eine EU-Regelung vor, dass es in den Mitgliedstaaten mindestens eine unabhängige Vergleichsplattform geben soll. In Deutschland soll das die Bundesnetzagentur umsetzen. Der Verivox-Chef hält von diesen Ideen und der neuen Konkurrenz nichts. Solche Plattformen werden den Verbrauchern nicht helfen, meint Puschmann: "Die öffentliche Hand das machen zu lassen, ist der falsche Weg. Da fehlt auch das Know-how im Umgang mit großen, unstrukturierten Datenmengen." Verivox dagegen habe mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Online-Vergleichen.

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