Süddeutsche Zeitung

Preisvergleiche:Zeigt her eure Provisionen

Vergleichsportale geben vor, neutral zu sein - dabei verdienen sie an den vorgeschlagenen Angeboten mit. Der Staat muss für mehr Transparenz sorgen, nur dann können Verbraucher wirklich profitieren.

Kommentar von Hendrik Munsberg

Kann das sein? Gibt es noch Menschen, die sich arglos durchs Internet klicken, um auf einem der vielen Vergleichsportale nach Produkten oder Dienstleistungen zu fahnden - Reisen, Leihwagen, Versicherungen, Girokonten, Stromanbieter, die am besten zu ihren Bedürfnissen passen? Ja, solche Menschen gibt es, und zwar wohl ziemlich viele. Wäre sonst zu erklären, dass ungefähr ein Viertel all derjenigen, die sich auf Vergleichsportalen wie Verivox oder Check 24 eine Empfehlung in Gestalt eines Rankings präsentieren lassen, reflexhaft die an oberster Stelle stehende Offerte wählen? Dabei müsste inzwischen eigentlich jeder wissen, dass diese Positionierung oft nur deshalb zustande kommt, weil der Anbieter dem Portal eine beträchtliche Provision zahlt - was dem äußeren Anschein nach aber überhaupt nicht erkennbar wird.

Ist solches Konsumentenverhalten illusorisch, naiv oder dumm? Darauf kommt es nicht an, wichtig ist nur dies: Verbraucher verdienen Schutz, damit sie nicht durch Schwindeleien oder Unterlassungen der Anbieter getäuscht werden, denn naturgemäß kennen Hersteller und Verkäufer ihre Produkte, deren Stärke und Schwächen, am besten. Gerade in Zeiten des Internets, in denen sich Tricks und Techniken unablässig wandeln, ist und bleibt Verbraucherschutz eine Staatsaufgabe. Der Staat muss, wenn es im Wirtschaftsleben an Transparenz und Fairness mangelt, eingreifen und für verbindliche Regeln sorgen, die unlauteren Wettbewerb verhindern. Natürlich bleibt auch jeder selbst gefragt, sich zu informieren. Als Grundregel darf dabei gelten: Traue im Zweifel niemanden. Und bei Vergleichsportalen wie Check 24 oder Verivox sollte zudem für alle Zeiten klar sein: Sie gehören privaten Firmen, die vorrangig eine Absicht haben - möglichst hohen Gewinn zu erzielen.

Das gibt Anlass, ein heute eher selten gehörtes Loblied auf Ämter und Behörden anzustimmen. Das Bundeskartellamt mag vielen als eine über Jahrzehnte hinweg angestaubte Behörde erscheinen. Sind das nicht diese langweiligen Wettbewerbshüter aus Bonn, die wichtigen deutschen Konzernen, die fortwährend in edelster Absicht danach streben, schlagkräftige Global Player zu werden, lästigerweise immer wieder in den Arm fallen - angeblich im Interesse der Verbraucher? Ja, genau die sind das.

Gerade diese Behörde hat mal wieder gezeigt, wie wichtig in einem marktwirtschaftlichen Gefüge staatliche Ordnungspolitik ist. In einer umfassenden Untersuchung haben sich die Wettbewerbshüter Dutzende Internet-Vergleichsportale vorgeknöpft und dabei, ausgestattet mit hoheitlichen Ermittlungsbefugnissen, die größten Missstände aufgedeckt. Eine Behörde hat bei ihrer Arbeit einen entscheidenden Vorteil: Sie kann zwar gähnend langweilig und behäbig sein, verfolgt aber ganz gewiss kein Gewinninteresse - und unterhält auch keine verdeckten ökonomischen Beziehungen zu denjenigen, die sie überprüft. Bei Internet-Vergleichsportalen ist das anders, und man muss bei diesem Befund nicht großartig moralisieren.

Fest steht jedenfalls: Ergebnislisten, die von solchen Portalen auf Knopfdruck präsentiert werden, sind in der Realität alles andere als objektive Wahrheiten. Tatsächlich weisen sie vorzugsweise nur einen Teil der Anbieter aus, andere Firmen, selbst wenn diese bessere und günstigere Produkte haben, tauchen nicht auf, weil sie den Portalbetreibern keine Provisionen zahlen.

Die Portale müssen zeigen, wie ihre Vorschläge zustande kommen

Vorsorgender Verbraucherschutz verlangt aber vom Staat mehr als nur Kontrolle durch das Kartellamt. Bundesverbraucherschutzministerin Katarina Barley hat schon mehrfach Beharrlichkeit bewiesen - bei Mietpreisbremse und Musterfeststellungsklage für geschädigte Dieselfahrer. Jetzt sollte die Sozialdemokratin dafür sorgen, dass Internet-Vergleichsportale zu unübersehbaren Hinweisen auf ihren Websites verpflichtet werden. Dort müsste gut lesbar dokumentiert sein, auf welche Weise die Rankings zustande kommen. Heißt konkret: Wie groß ist der Marktanteil der ausgewiesenen Anbieter? Wer zahlt Provisionen? Erst dann haben Verbraucher die Chance zu einer wirklich fairen Wahl.

Dann müssten sich die Portalbetreiber auch nicht länger vorhalten lassen, für Pleiten wie die des bayerischen Stromanbieters BEV mitverantwortlich zu sein. Im Gegenteil: Man könnte dann beinahe ein Loblied auf Internetportale ersinnen: Nie war es so einfach wie heute, einen Überblick über das zu gewinnen, was der überbordende Markt hergibt. Ein Leben ohne Vergleichsportale wäre, nun ja, jedenfalls ein bisschen komplizierter.

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SZ vom 08.02.2019/vd
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