Süddeutsche Zeitung

Verfehlte Reklame:Sachsen-Anhalt ist gar nicht das Land der Frühaufsteher

  • Jahrelang hat sich Sachsen-Anhalt damit gebrüstet, das "Land der Frühaufsteher zu sein".
  • Daten des Mobilfunkanbieters Mobilcom-Debitel zeigen jetzt, dass das gar nicht stimmt: Sachsen-Anhalter stehen im Durchschnitt erst um 8.47 auf - Bayern schon um 8.19 Uhr.

Von Helmut Martin-Jung

Die Baden-Württemberger können alles außer Hochdeutsch, Berlin ist arm, aber sexy, Niedersachsen wirbt kurz und bündig mit "Klar", eh klar, oder? Und Bayern hat dergleichen sowieso nicht nötig. Gemessen daran war das lange Jahre genutzte Bild der Sachsen-Anhalter als Frühaufsteher ohnehin nicht so besonders genial. Anstatt die Investoren in Massen in das Land zu locken, ergoss sich vor allem Spott über das Bundesland.

Aber die EU hat die Landeswerbung ja bezahlt, ganz billig ist so eine Kampagne schließlich nicht. Und als die Förderung endete, half der Himmel, na ja, fast. Das Reformationsjahr brachte die Möglichkeit, sich als "Ursprungsland der Reformation" zu präsentieren. Das ist nun auch wieder vorbei, aber schon kommt das nächste Jubiläum: 2019 wird das Bauhaus 100. "Sachsen-Anhalt. Hier macht das Bauhaus Schule. #moderndenken", heißt es jetzt.

Wird dieser Spruch endlich eine Masseninvasion von Start-ups und Weltkonzernen lostreten? Nein, das wird er wohl nicht. Obwohl wir es Magdeburg, Halle, Dessau und Co. natürlich gönnen würden. Aber wie viele Menschen, die an den Schildern mit dieser Aufschrift auf der Autobahn vorbeifahren, tatsächlich wissen, was das überhaupt ist, dieses Bauhaus, wäre schon mal eine interessante Frage. Und nein, es ist nicht die gleichnamige Baumarktkette.

Da war der Spruch mit den Frühaufstehern doch noch irgendwie griffiger. Obwohl das vielleicht nie gestimmt hat, aber bestimmt nicht im vergangenen Oktober. Da nämlich hat der Mobilfunkanbieter Mobilcom-Debitel mal die Probe aufs Exempel gemacht. Wie das ging? Mit seinen Daten. Das Unternehmen muss ja erfassen, wann die Nutzer ihre Handys verwenden, um genaue Abrechnungen erstellen zu können.

Also haben die Datenfüchse mal ein paar Knöpfe gedrückt und kamen zu folgendem Ergebnis: Am frühesten stehen unter den Bundesbürgern nicht die Sachsen-Anhalter auf und auch nicht die fleißigen Schwaben. Es sind die Bayern. Durchschnittlich um 8.19 Uhr krochen sie aus den Federn oder nahmen zumindest ihr Smartphone erstmals an diesem Tag zur Hand. In Bremen, dem Schlusslicht, verweilten die Bewohner satte 50 Minuten länger im Bett. Die angeblichen Frühaufsteher finden sich im Drittel der Langschläfer wieder, 8.47 Uhr ist für die Sachsen-Anhalter die Nacht zu Ende, dicht gefolgt von Berlin, Hamburg und Sachsen (alle 8.52 Uhr).

Das Dumme ist, dass Sachsen-Anhalt daraus nichts machen kann. Wenn sie jetzt anfingen, sich als "Land der Ausgeschlafenen" zu präsentieren, würden sie ja zugeben, dass das mit den Frühaufstehern nix war.

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Quelle:
SZ vom 27.12.2017/vit
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