Vereinigung Cockpit:Lufthansa-Piloten verwerfen Schlichtung

Lesezeit: 3 min

Die Piloten der Lufthansa kritisieren, dass die Eurowings-Gründung kein Thema der Verhandlungen ist. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Streiks bei der Fluggesellschaft werden wieder wahrscheinlicher. Knackpunkt ist die künftige Ausrichtung von Eurowings.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es hätte ein ziemlich stressiger Sommer für Theo Waigel werden können. Der Ex-Finanzminister, derzeit wegen der Griechenland-Krise wieder einmal gefragter Gast in Talkshows, hätte sich wohl monatelang kaum etwas anderes mehr vornehmen können, wenn er das Mandat als Schlichter zwischen Lufthansa und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) bekommen hätte. Die Lage war vor Beginn der möglichen Schlichtung schon äußerst schwierig.

Die Situation hat sich nun noch einmal verschärft, allerdings nicht für Waigel: Denn die Pilotengewerkschaft ließ die Schlichtung, auf die sie sich zunächst unter Vorbehalt eingelassen hatte, noch vor dem eigentlichen Beginn platzen. Das Angebot einer Gesamtschlichtung habe sich als "kurzfristiges taktisches Manöver entpuppt", mit dem Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre getäuscht worden seien. Die Lufthansa verkenne weiterhin die "elementaren Interessen des eigenen Cockpitpersonals". Die VC habe hingegen seit Beginn des Konflikts signalisiert, zu Zugeständnissen bereit zu sein.

Seit Anfang 2014 waren die VC-Mitglieder bereits zwölfmal im Ausstand

Mit der Entscheidung der VC steht die Lufthansa vor ihrem nächsten Arbeitskampf denn mit dem Scheitern des Vermittlungsversuchs fühlt sich die VC auch nicht mehr an die Zusage gebunden, bis Ende Juli nicht mehr zu streiken. Nach eigenen Angaben hat die Gewerkschaft aber noch nicht diskutiert, wann der nächste Arbeitskampf stattfinden wird. Sie hatte ihre Mitglieder seit Anfang 2014 bereits zwölfmal streiken lassen. Nun sagt die Gewerkschaft, eine "Eskalation des Konfliktes" sei wieder wahrscheinlich geworden.

Der Konflikt ist so verfahren und komplex, dass er von außen kaum mehr zu durchblicken ist. Im Kern ist die Schlichtung daran gescheitert, dass sich die beiden Seiten noch nicht einmal darauf einigen konnten, was überhaupt geschlichtet werden soll. Die Piloten haben gefordert, dort auch die "Arbeitsplatzthemen" anzusprechen. Damit meinen sie die von der Lufthansa beschlossene Gründung der Billigsparte Eurowings, die künftig den europäischen Direktverkehr und einige Langstrecken übernehmen soll. Der Konzern lehnt dies allerdings ab, denn das Thema könne nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sein, sondern sei eine unternehmerische Entscheidung. Mit dem gleichen Argument hatte Lufthansa es schon in den eigentlichen Tarifverhandlungen abgelehnt, über Eurowings zu reden.

Bei Lufthansa müssen zahlreiche Tarifverträge neu verhandelt werden, unter anderem die Abkommen zu Gehältern sowie zur Alters- und Übergangsversorgung, die die Fluggesellschaft neu regeln will. Doch die Piloten sehen die Eurowings-Pläne als die eigentliche Bedrohung an. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat wiederholt klargemacht, dass das Kerngeschäft unter der Marke Lufthansa weiter schrumpfen werde, wenn sich Piloten und Flugbegleiter nicht zu erheblichen Zugeständnissen bereit erklärten. So lange Eurowings nur als separate Marke auftritt, haben die Gewerkschaften keine tarifliche Handhabe gegen die Pläne. Erst in der vergangenen Woche hatte Spohr verdeutlicht, dass die Kernmarke auch noch deutlich weiterschrumpfen könne, von derzeit etwa 310 Flugzeugen auf ungefähr 250. Im Gegenzug könne Eurowings dann auch immer mehr Langstrecken übernehmen, die für die Lufthansa nicht mehr profitabel zu betreiben seien.

Nirgendwo sonst sind die unterschiedlichen Interessen der Kontrahenten so deutlich wie bei Eurowings: Lufthansa muss alles daran setzen, Eurowings zu entwickeln, um die Kosten zu senken und Druck auf die Piloten und Flugbegleiter im Kerngeschäft aufzubauen. Aus dem gleichen Grund versuchen beide Mitarbeitergruppen, das aus ihrer Sicht Schlimmste in Sachen Eurowings zu verhindern.

Der lange Konflikt zwischen Lufthansa und VC ist nun um eine ungewöhnliche Wende reicher, denn es waren ursprünglich die Piloten, die eine Schlichtung aller strittigen Fragen gefordert hatten und es war Lufthansa, die das abgelehnt hatte. Spohr hatte dem Vorschlag dann aber auf der Hauptversammlung des Konzerns Anfang Mai unter dem Eindruck des traumatischen Absturzes des Germanwings- Airbus vom 24. März zugestimmt. Niemand konnte sich damals in der Phase akuter Trauer einen weiteren Streik vorstellen.

Die Entscheidung der Piloten erhöht nun wiederum den Druck auf das Unternehmen, möglicherweise mit einem neuen Angebot Streiks doch noch zu verhindern. Dies war auch schon bei der Schlichtung ein wichtiges Motiv: Den Kunden sollten nicht weitere Ausstände zugemutet werden, schließlich hätten diese langsam aber sicher erkennbar negative Folgen für die selbsternannte Premium-Marke Lufthansa gehabt.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: