Verdacht der Schwarzarbeit:Billige PR für Knorr-Bremse

Zollfahnder und Staatsanwälte beim Autozulieferer Knorr-Bremse: Bei einer Werbetochter des Konzerns wird wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit ermittelt. Träfe dieser zu, wäre das angesichts der Dimensionen absurd.

Von Klaus Ott

Es ist fast schon ein Ritual. Bei Betriebsversammlungen der Knorr-Bremse AG am Konzernsitz in München verkündet der Vorstand regelmäßig Rekordzahlen. Tolle Umsätze, tolle Gewinne. In diesem Jahr erreichte der Auftragseingang einen neuen Höchststand. Das weltweit agierende Unternehmen, das Bremsen und andere Teile für Züge, Busse und Lkws herstellt, hat Bestellungen im Wert von 4,75 Milliarden Euro vorliegen.

Solchen Jubelbotschaften folgt immer wieder Kritik. Betriebsräte und Vertreter der IG Metall rügen, dass der Vorstand bei der Belegschaft knausere. Viele Beschäftigte müssten mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten, bekämen aber nicht viel mehr Geld als Mitarbeiter anderer Konzerne mit 35-Stunden-Woche. Hohe Profite, die sich nicht in den Gehältern widerspiegeln, das passe einfach nicht zusammen.

Jetzt ist der Konzern in Verdacht geraten, bei einzelnen Beschäftigten mehr zu sparen, als das gesetzlich zulässig sei. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) und Staatsanwälte haben vergangene Woche mehrere Tage lang den Stammsitz des Unternehmens in München-Moosach durchsucht. Der Vorwurf: Bei der Konzernfirma KB Media seien seit Ende der Neunzigerjahre Mitarbeiter als Selbständige eingestuft und abgerechnet worden, obwohl es sich bei ihnen faktisch um Angestellte gehandelt habe.

Das wäre ein Verstoß gegen Paragraf 266a Strafgesetzbuch: "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt". Geschädigte wären neben den Beschäftigten auch die Sozialversicherungen gewesen. Bei den Beschuldigten soll es sich um eine aktuelle Führungskraft und um drei frühere Manager handeln. Träfe der Verdacht zu, dann wäre das absurd.

Das Unternehmen hat mehr als 20 000 Stellen, die rund um den Globus verteilt sind. In Deutschland sind es etwas mehr als 4000 Arbeitsplätze. Die KB Media ist eine klitzekleine Konzernfirma mit im Schnitt zehn Beschäftigten. So ist es dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht zu entnehmen. Dort ist ein Bilanzgewinn von 13 060,47 Euro im Jahr 2012 notiert.

"Kleinerer Personenkreis" betroffen

Im Vergleich zu den Konzernzahlen, 4,3 Milliarden Euro Umsatz und 367 Millionen Euro Überschuss im Jahr 2013, ist das so gut wie nichts. Und dafür würde die Knorr-Bremse AG das Risiko in Kauf nehmen, dass der gute Ruf angekratzt wird? Der Konzern bezeichnet sich als "weltweit führenden Hersteller" von Bremssystemen für Straße und Schiene. Mehr als eine Milliarde Menschen vertrauten täglich auf die Technik von Knorr-Bremse.

Der Konzern erklärte, man kooperiere "vollumfänglich" mit den Ermittlern und sei dabei, alle Fakten zusammenzutragen. Es sei eine "komplexe rechtliche Thematik" bei der Beschäftigung von Fremdarbeitern. Betroffen sei ein "kleinerer Personenkreis". Mehr könne man wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen. Im Umfeld der AG werden die Vorwürfe zurückgewiesen.

Die Ermittler vermuten absurde Zustände bei der KB Media, die sich der Firmensatzung zufolge um Werbung und Marketing für den Konzern kümmert sowie Messestände plant und betreut. Beschäftigte bis hin zu Führungskräften sollen als Selbständige geführt worden sein; trotz Urlaubsregelungen und anderer Umstände, die für eine feste Beschäftigung sprächen.

Die IG Metall verlangt mehr als nur "warme Worte"

Als Knorr-Bremse vergangene Woche gefilzt wurde, sollen Unternehmen-Anwälte ganz genau aufgepasst haben, dass nicht zu viel Dateien und Ordner mitgenommen werden. Manchen Ermittler hat das offenbar noch misstrauischer gemacht. Ob denn der Konzern mehr zu verbergen habe? Das Gefährliche an solchen Durchsuchungen seien "Zufallsfunde" über andere Vorgänge, sagt ein beteiligter Jurist.

Mit schnellen Ermittlungsergebnissen ist nicht zu rechnen. Und auch nicht damit, dass Knorr-Bremse bei künftigen Betriebsversammlungen neben neuen Rekorden auch höhere Gehälter verkündet. Investitionen sind aus Sicht des Vorstands wichtiger. Das gilt wohl auch für Eigentümer und Aufsichtsratschef Heinz Hermann Thiele. Ende April hat der 73-jährige Unternehmer den Grundstein für ein Versuchs- und Entwicklungszentrum mit rund 100 Prüfständen für Bremssysteme in München gelegt. Es ist Teil eines weltweiten, 500 Millionen Euro teuren Investitionsprogramms.

Die IG Metall fordert, die Beschäftigten nicht zu vergessen. Die seien sehr engagiert, "das könnte man auch mal anders würdigen als nur mit warmen Worten", sagt der Gewerkschafter Sebastian Roloff, der im Aufsichtsrat von Knorr-Bremse sitzt. Der Konzern könnte ja Prämien zahlen oder Arbeitszeiten verkürzen.

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