Verdacht auf Geldwäsche bei der Deutschen Bank:Im Kreis drehen und dabei reich werden

Es ist ein gigantisches Verfahren. Mehr als 150 Beschuldigte aus ganz Europa sollen ein kriminelles Netzwerk gebildet haben, um den Staat auszunehmen. Und mittendrin: Die Deutsche Bank. Wie sich das größte deutsche Geldinstitut in einen betrügerischen Handel mit Emissionszertifikaten verwickeln ließ.

Von Klaus Ott

Dieses Mal war niemand gewarnt, als die Ermittler Einlass begehrten. Es gab - anders als bei der Razzia Ende April 2010 - kein Leck in den Behörden, keinen Maulwurf, der die Deutsche Bank über die bevorstehende Razzia informierte, keinen Verrat vom Amtsgeheimnissen. Die 500 Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kriminalpolizisten, die am Mittwoch Deutschlands größte Bank und weitere Geschäftsräume sowie Privatwohnungen im halben Bundesgebiet durchsuchten, kamen unangemeldet. Und präsentierten fünf Haftbefehle wegen Geldwäsche und versuchter Strafvereitelung. Mitarbeiter der Bank, so einer der Vorwürfe, sollen den Behörden "Beweismittel vorenthalten" haben. Das gibt der Affäre um Steuerhinterziehung, die im Frühjahr 2010 begann, eine neue Dimension.

Händler der Deutschen Bank sollen im Verbund mit kriminellen Geschäftsleuten aus halb Europa und vom Persischen Golf Verschmutzungsrechte so schnell im Kreis an- und verkauft haben, dass dem Fiskus schwindlig wurde. So schwindlig, dass die Finanzbehörden den Überblick verloren und den beteiligten Firmen mehr Umsatzsteuern erstatteten, als diese zuvor gezahlt hatten. Umsatzsteuerkarussell wird das genannt. Der Staat wurde damit um viele hundert Millionen Euro betrogen. Ein wahrhaft schmutziger Handel. Anschließend sollen Beschäftigte der Bank sogar noch versucht haben, auch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und andere Ermittlungsbehörden zu täuschen.

Heute hat die Deutsche Bank noch mehr Ärger

Das führt zurück zur ersten Razzia am 28. April 2010, mit der die Affäre begonnen hatte. Damals hatten die Mitarbeiter der Deutschen Bank einen Wink bekommen, wie von den Ermittlern abgehörte Telefonate belegen. Mehrere Beschäftigte des Geldinstituts riefen am Vorabend der Durchsuchung einander zu, dass ein Vögelchen meine, es könne bald etwas passieren. Schon am nächsten Morgen könnten "die Typen" kommen. Einer der Bankangestellten sagte den Kollegen, man solle auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass man mit dem Besuch gerechnet habe. Teilweise klang das so, als mache man sich in der Bank lustig über die Staatsanwälte und Steuerfahnder. Das war vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren. Heute ist die Lage erst recht nicht mehr lustig. Heute hat die Deutsche Bank, gegen die auch in anderen Fällen wegen fragwürdiger Praktiken ermittelt wird, noch mehr Ärger.

Ermittlungsunterlagen legen den Verdacht nahe, die Bank könnte eine Art Frühwarnsystem gehabt haben. CO2 -Händler des Geldinstituts hatten sich vor der Razzia vom 28. April 2010 darüber unterhalten, wer in der Bank den heißen Tipp aufgeschnappt habe. "Vom Risikomanagement muss das kommen", sagte ein Beschäftiger einem anderen. Anschließend wurde eine Telefonkette in Gang gesetzt. Träfe das zu, dann hätte das Risikomanagement bei der Deutschen Bank nicht nur die Funktion gehabt, zweifelhafte Geschäfte zu verhindern. Sondern auch die Aufgabe, solche Praktiken zu kaschieren. Die offenbar vom Risikomanagement instruierten Händler überlegten, wie man mit den Ermittlern umgehen solle.

Schauen, ob die Ermittler sich zähmen lassen

Telefonische Ratschläge, die abgehört wurden: gleich am Eingang abholen; in ein bestimmtes Büro setzen, das am Tag der Durchsuchung frei ist; erst mal sehen, was die wollen; in der Zwischenzeit die Kollegen in der Bank informieren. Und dann schauen, ob die Ermittler sich zähmen lassen.

Es hat sich aber niemand zähmen lassen bei den Staatsanwälten und Steuerfahndern und Kriminalpolizisten. Sie haben den Betrug am Staat beharrlich aufgeklärt. Sie haben mit einer ersten Anklage sechs Geschäftsleute aus Deutschland, Frankreich und England vor Gericht gebracht, die Ende 2011 zu Gefängnisstrafen zwischen drei und knapp acht Jahren verurteilt wurden. Sie haben erreicht, dass die Deutsche Bank vorläufig 300 Millionen Euro aufwenden musste, um den durch das Institut mitverursachten Schaden wiedergutzumachen. Und sie haben jetzt erneut zugeschlagen.

Deutsche Bank als Dreh- und Angelpunkt

Es ist ein gigantisches Verfahren. Mehr als 150 Beschuldigte aus ganz Europa und der halben Welt sind betroffen, von Spanien bis Rumänien, von Zypern bis Norwegen, von Hongkong über Dubai bis in die USA und Kanada. Sie sollen ein kriminelles Netzwerk gebildet haben, mit dem Zweck, den Staat auszunehmen. Erst in Großbritannien, dann in Deutschland. Mit einem komplizierten und lange Zeit erfolgreichen System, das von anderen Banden früher bereits mit Autos oder Handys praktiziert wurde.

Das kriminelle System funktioniert so: Die Ware wird aus dem Ausland importiert, ohne die dabei fällige Umsatzsteuer zu erklären und abzuführen. Weitere Stationen folgen, immer mit Rechnungen inklusive Steuer. Die letzte Firma in der Handelskette exportiert die Ware dann wieder und bekommt die vom Fiskus bei der Einfuhr angeblich gezahlte Umsatzsteuer zurückerstattet. Das Geld wird dann unter den Mitwirkenden verteilt. Einige der Firmen verschwinden anschließend ebenso schnell, wie sie zuvor aufgetaucht sind. Bis der Fiskus merkt, was los ist, sind die Millionen weg. Und mit ihnen die Kriminellen, die in den Firmen oft nur Strohmänner eingesetzt haben.

Erfindung zum Schutze der Umwelt, angeblich

Früher war dieses System recht aufwendig, weil Autos oder Handys im- und exportiert werden mussten. Dann kamen die Verschmutzungsrechte. Eine Erfindung zum Schutze der Umwelt, angeblich. Unternehmen, die sauber produzieren, können eigene, nicht benötigte CO2 -Zertifikate veräußern. Deren An- und Verkauf sollte dazu führen, dass die Industrie weniger Abgase ausstößt. In Europa entstand ein reger Handel mit diesen Rechten, der den Betreibern der Umsatzsteuerkarusselle das Handwerk erleichterte. Die Ware wurde nur noch auf dem Papier hin und her geschoben, teilweise binnen Stunden und über mehr als zehn Stationen. Und mittendrin immer wieder: die Deutsche Bank.

Ausgerechnet jenes Institut, das so viel Wert auf sein Image legt, soll vom Herbst 2009 an Dreh- und Angelpunkt gewesen sein. Bis dahin hatte die CO2-Bande vor allem in Großbritannien agiert, doch dort wurde die Umsatzsteuer beim Emissionshandel im Sommer 2009 abgeschafft. Daraufhin verlagerten die Kriminellen ihr Geschäft nach Deutschland. Offenbar mit Hilfe der Deutschen Bank, wie aus einem Vermerk der Steuerfahndung beim Finanzamt Wetzlar vom 22. Februar 2011 hervorgeht. Die Fahnder hatten die Transaktionen bei der Bank bis ins Detail untersucht und festgestellt, dass eine in London in Verdacht geratene Firma (SVS Securities) Partner der Deutschen Bank geworden war, nachdem die britischen Behörden ihr Steuerschlupfloch geschlossen hatten.

Hintermann namens "Sunny"

Von da an kam die Außenstelle der Deutschen Bank in London immer mehr ins Spiel. Einer der dortigen Bankmanager soll von den kriminellen Händlern sogar dafür bezahlt worden sein, dass er geholfen habe, deren Karusselle anzukurbeln. Das hat einer der vom Landgericht Frankfurt verurteilten Geschäftsleute ausgesagt. Ein anderer Verurteilter berichtete, ein Hintermann namens "Sunny" habe besten Zugang zur Deutschen Bank gehabt. Sunny habe erzählt, er verfüge über einen "Zauberstab". Ein Krimineller, der die Banker des deutschen Geldinstituts dirigiert?

Auffällig ist jedenfalls, wie leicht dubiose Firmen mit der Bank ins Geschäft kamen. Und wie sehr die Außenstelle London des deutschen Geldinstituts frühzeitige Warnungen der HMRC ignorierte, der britischen Zoll- und Steuerbehörde. Emissäre der HMRC hatten im November und Dezember 2009 leitende Angestellte der Bank an der Themse alarmiert. 85 bis 95 Prozent des Emissionshandels in der EU seien "mit Betrugskriminalität behaftet", in Form von Umsatzsteuer-Karussellen. Doch bei der Bank drehte sich das Karussell weiter, bis die deutschen Ermittler Ende April 2010 zuschlugen.

Nach dieser Razzia hat die Bank die Anschuldigungen immer wieder heruntergespielt. Man gehe davon aus, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter der Bank "entkräftet werden". Erst zwei Jahre nach der ersten Razzia änderte sich die Tonlage. "Falls in einer Weise gehandelt wurde, die nicht unseren hohen ethischen Standards genügt, werden wir umgehend angemessene Maßnahmen ergreifen", kündigte die Bank im März 2012 an. Dieses "umgehend" dauerte sechs Monate. Im September 2012 wurden mehrere der in Verdacht geratenen Händler vom Dienst suspendiert. Das kann wohl nur ein Anfang gewesen sein.

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