Verbraucherschutz:Mündige Verbraucher sind für alle gut

Das alte läuft noch: Wann sich ein neues Haushaltsgerät lohnt

Vermeintlich niedriger Stromverbrauch ist für viele Kunden ein Kaufargument - obwohl sie den Angaben eigentlich gar nicht vertrauen.

(Foto: dpa-tmn)

Politik und Wirtschaft sollten aufhören, den Verbraucher für dumm zu verkaufen.

Kommentar von Stephan Radomsky

Der mündige Verbraucher - der ist nur "ein schönes Ideal", eine "Vorstellung", die mit der Realität wenig zu tun hat. Informiert, ja - aber verständig? Wohl kaum. Die Diagnose stammt von Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas, aus einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung vom März 2014. Seine Schlussfolgerung damals: "Einfachheit ist gefragt. Informationen müssen kurz, verständlich und vergleichbar sein."

Dass sie auch realistisch und präzise sein sollten, davon schrieb der Minister nichts. Ein Fehler, das ist inzwischen klar. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie einfallsreich die Industrie ist, wenn es darum geht, nach außen hin gut auszusehen, die Käufer über die wahren Eigenschaften der Produkte aber im Dunkeln zu lassen. Sei es mit realitätsfernen Testmethoden beim Spritverbrauch von Autos, mit den Dutzenden verschiedenen Bezeichnungen für Zucker auf Lebensmittelverpackungen, oder zuletzt, mit überaus industriefreundlich ausgelegten Leistungsdaten von Lampen und anderen Haushaltsgeräten.

Das alles war und ist zumeist legal. Aber es ist unredlich. Politik und Unternehmen gleichermaßen sollten endlich damit aufhören, Verbraucher für dumm zu verkaufen - im eigenen Interesse.

Daran, dass Regeln oft zu ihrem Nachteil ausgelegt werden, haben sich Käufer notgedrungen längst gewöhnt. Oft bemerken sie die Tricks auch gar nicht. Nur selten haben sie eine Chance, selbst zu prüfen, ob Angaben stimmen. Was bleibt, ist ein schlechtes Gefühl. Die Ahnung, irgendwie übers Ohr gehauen zu werden, machtlos etwas dagegen zu tun. Die Folge sind Misstrauen, Zynismus, Verweigerung. Sei es beim Umgang mit persönlichen Daten in einer digitalen Welt, bei der privaten Altersvorsorge oder schlicht dem Einkauf im Laden.

Regierungen sind lahm und lasch, wenn es darum geht, Verbraucher zu schützen

Dabei wäre die Politik auf die Unterstützung der Verbraucher angewiesen, etwa wenn sie die in Paris vereinbarten Klimaschutzziele erreichen will. Die Kunden müssten dazu teurere, aber sparsamere Geräte und Autos kaufen. Heute können sie sich aber nicht sicher sein, dass die Konzerne nicht doppelt an ihnen verdienen. Oder wenn es um die Potenziale von Big Data geht. Dafür müssen die Nutzer ihre Informationen als Rohstoff hergeben wollen. Sie wissen aber nicht, was damit geschieht und wie sie die Kontrolle behalten können.

Auf die Missstände reagieren Regierungen oft viel zu spät und zu lasch. Über einen europäischen Datenschutz beispielsweise wurde erst jahrelang diskutiert und nun, wo es endlich einen Kompromiss gibt, soll er noch für viele Monate nicht gelten dürfen. Ähnlich sieht es beim Stromverbrauch von Elektrogeräten oder den Verbrauchs- und Abgaswerten von Autos aus: Zunächst passiert lange nichts. Und wenn es dann so weit ist, kommt nur eine Minimallösung heraus.

Nicht nur Politiker sind gefordert, auch die Unternehmen. Sie täten gut daran, nicht nur auf die gesetzlichen Regeln zu verweisen, an denen sie oft genug selbst mitgearbeitet haben, und sich ansonsten zurückzulehnen. Sie sollten die Verbraucher endlich ernst nehmen. Denn Misstrauen schadet dem Geschäft.

Zudem stehen durch die Digitalisierung viele Informationen auch Verbrauchern zur Verfügung, und das sehr einfach. Noch wird das vor allem genutzt, um fleißig Preise zu vergleichen, zum Leidwesen vieler Händler. Der Schritt wäre aber nicht groß, auch abzufragen, wer der ehrlichste Anbieter ist. Mündige Verbraucher könnten also schon heute sehr viel näher an der Realität sein als so mancher Energieverbrauchswert.

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