Süddeutsche Zeitung

Verbraucherschutz:Endlich einen Deckel drauf

Noch dürfen Banken ihren Kunden mit Krediten und Restschuldversicherungen viel Geld abnehmen. Aber wie lange noch? Der Ruf nach einer harten Obergrenze für die Provisionen wird lauter.

Von Thomas Öchsner

Der Fall des Ehepaares aus Leipzig hat es unter Verbraucherschützern zu einer traurigen Berühmtheit gebracht. Die Eheleute unterschrieben 2015 einen Ratenkredit für einen Zinssatz von 7,97 Prozent. Gleichzeitig schlossen sie eine Restschuldversicherung ab, um sich vor einem möglichen Zahlungsausfall zu schützen. Die Prämie für die Versicherung, die gleich am Anfang auf einen Schlag fällig wird , finanzierte die Bank gleich mit, dadurch summierte sich der effektive Zins auf satte 21,78 Prozent. Man könnte auch von Wucherzinsen sprechen. Solche Verträge sind nicht selten.

Etwa ein Viertel der Ratenkredite in Deutschland (siehe Artikel unten) werden mit Restschuldversicherungen kombiniert. 2017 belief sich die Zahl dieser Policen auf fast 2,5 Millionen. "Für Banken ist der Verkauf eine Art Gelddruckmaschine", sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Dafür gibt es drei Gründe: Das ohnehin verschwindende geringe Risiko, den Kredit nicht zurück zu erhalten, sinkt noch weiter, springt eine Versicherung dafür ein, wenn der Kunde stirbt, arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos wird und deshalb nicht mehr zahlen kann. Die Bank erhält eine Abschlussprovision, die nach Angaben der Finanzaufsicht Bafin bei zwei von drei Instituten mindestens die Hälfte der Versicherungsprämie umfasst. Außerdem kassiert das Kreditinstitut zusätzlich Zinsen, da die Police von der Bank mitfinanziert wird. Dadurch kann der Ratenkredit inclusive Versicherung schnell um mehrere tausend Euro teurer werden.

Verbraucherschützer kritisieren Restschuldversicherungen schon lange. Auch die Bundesregierung stuft die Angebote als "teuer und überflüssig" ein. Im Verbraucherschutz- und im Finanzministerium wird deshalb darüber nachgedacht, die Profite der Banken bei diesen umstrittenen Produkten zumindest zu begrenzen. Noch ist der Freiraum der Geldhäuser groß: Sie müssen die Versicherungsbeiträge nicht in den Effektivzins für den Ratenkredit hineinrechnen, es sei denn, die Kunden erhalten den Kredit nur, wenn sie eine Versicherung abschließen. Dadurch sehen die Kosten wie im Fall des Leipziger Ehepaares viel geringer aus, als sie tatsächlich sind. Gerade bei den Banken, die regelmäßig das Koppelgeschäft von Kredit und Versicherung anbieten, kämen aber gezielt Vertriebsstrategien zum Einsatz, "mit denen wirksam überdurchschnittlich viele Verbraucherinnen und Verbraucher zum Abschluss von Restschuldversicherungen veranlasst werden", heißt es in der Untersuchung der Finanzaufsicht.

Auch Online-Formulare sind laut dem Vergleichsportal biallo.de "in vielen Fällen so programmiert, dass der Schutz automatisch mit beantragt wird". Bei Verbrauchern entstehe "der Eindruck, dass sie den Kredit nicht ohne Versicherung bekommen", hier seien aber gerade Kunden "in einer Schuldensituation in einer verwundbaren Lage", bestätigt der vzbv in einem Positionspapier.

Nun ist im Februar eine neue europäische Richtlinie für den Vertrieb von Versicherungen in Kraft getreten. Banken sollen jetzt ihre Kunden besser über Restschuldversicherungen und ihr Widerrufsrecht aufklären. Doch dem Verbraucherzentrale Bundesverband reicht das nicht. Was könnte die Bundesregierung also tun? Im Gespräch ist ein Deckel für die Provisionen auf Lebensversicherungen in Höhe von 2,5 Prozent der vom Kunden zu zahlenden Versicherungsbeiträge. "Dieser Deckel sollte auch für Restschuldversicherungen gelten", fordert Verbraucherschützerin Mohn.

Vorbild ist für sie Großbritannien. Dort mussten die Banken 40 Milliarden Pfund an Prämien an ihre Kunden zurückzahlen, weil sie mehr als 20 Jahre lang Kreditnehmer in Sachen Restschuldversicherungen falsch beraten hatten. Im Mutterland des Kapitalismus müssen zwischen dem Verkauf des Kredits und der Versicherung mindestens sieben Tage liegen. Eine solche Regelung sollte laut vzbv auch für Deutschland gelten. Wenn eine Bank eine Restschuldversicherung mit dem Ratenkredit verkaufe, könnten Kunden die Produkte weder vergleichen, noch abwägen, ob sie eine solche Police überhaupt benötigen. "Die Versicherung darf deshalb niemals direkt mit dem Kredit verkauft werden", sagt Mohn. Außerdem sollte die per Kredit finanzierte Prämie für die Versicherung statt als einmaliger Betrag in regelmäßigen kleinen Raten abzuzahlen sein, um die Kreditverbindlichkeiten nicht unnötig zu erhöhen.

Einige Verbraucherzentralen greifen noch an einer anderen Front an: Sie haben ein "Bündnis gegen Wucher" gegründet, um überhöhte Zinsen wie bei dem Leipziger Ehepaar öffentlich anzuprangern.

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SZ vom 26.10.2018
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