Verbraucherschutz:Die DIN-Norm für die Finanzanalyse

Ein neues Regelwerk soll Bank- und Versicherungskunden helfen. Doch steht das nur auf dem Papier?

Von Max Ferstl

Regeln gibt es mittlerweile für fast alles, sogar für die einzelne Borste einer Zahnbürste. Sie muss einer Zugkraft von 15 Newton standhalten - so schreibt es die DIN-Norm EN ISO 20126 vor. Das kann man kleinkariert finden. Oder anerkennen, dass Zahnbürstenborsten beim Putzen so gut wie nie ausfallen. Normen regeln das Selbstverständliche: dass der Brief genau ins Kuvert passt oder dass sich der Tankstutzen jeder Tankstelle in den Tank jedes Autos fügt. Darauf kann man sich, dank der Norm, verlassen.

Ähnliches erhofft sich das Deutsche Institut für Normung (DIN) von der DIN-Norm 77230, die an diesem Freitag erscheint. Sie trägt den etwas sperrigen Namen "Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte", und soll sicherstellen, dass sich Privatpersonen der Analyse ihrer Finanzberater vertrauen können. Sie liefert "einen empfohlenen Prozess, welche Informationen vom Kunden erhoben werden sollen", sagt Klaus Möller, Obmann des Normausschusses, der das Regelwerk mit großen Versicherungen, Banken aber auch der Stiftung Warentest entwickelt hat. Die genormte Analyse ermittelt, welche finanziellen Risiken jemand trägt, welche Absicherungen schon abgeschlossen sind, wo sich Lücken auftun.

Dadurch soll verhindert werden, "dass der Kunde ein Finanzprodukt angeboten bekommt, das gar nicht zu seinen Bedürfnissen passt", sagt Möller. "Wer zum Beispiel kein Segelboot will, sollte gar nicht erst anfangen, dafür sparen." Die Branche brauche nachvollziehbare Regeln, es gehe da auch um Vertrauen. Denn anders als der genormten Zahnbürste folgt Finanzberatern hartnäckig der Ruf, dass sie gerne mal das verkaufen, wofür es die höchsten Provisionen gibt. Oder Produkte ihren Kunden empfehlen, die ihr Arbeitgeber gerade auf den Markt geworfen hat. Also dass sie manchmal für den Kauf eines Segelboots schwärmen, obwohl der Kunde lieber Geld fürs Alter zurücklegen sollte. Das soll anders werden - vorausgesetzt die Norm setzt sich in der Branche durch.

Eine DIN-Norm ist ein freiwilliger Standard, kein Gesetz. Wenn alle Finanzberater mitmachen, hofft Möllers, würde jeder Kunde nach demselben Standard eine Finanzanalyse bekommen, unabhängig von demjenigen, der sie erstellt hat. Er spricht von einer "standardisierten Anamnese", wie beim Arzt. Aus dem Befund geht eine genormte Rangliste hervor, weit oben zum Beispiel steht der - aus Sicht der Entwickler der neuen DIN - wichtige Schutz gegen Arbeitsunfähigkeit, die Segelboote kommen eher weiter unten. Allerdings: "Wer das Boot will, kann sich trotzdem dafür entscheiden", sagt Möller.

Denn die Norm legt nicht fest, welches Produkt der Berater empfiehlt und der Kunde letztendlich kauft. Um im Bild zu bleiben: Die Norm betrifft nur die Diagnose, nicht die anschließende Behandlung. "Damit ist sie für Verbraucher im Grunde nutzlos", kritisiert Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Was bringt eine Diagnose, wenn die Therapie später falsch ist?"

Der Verbraucherschützer zweifelt schon an der Qualität der Diagnose: Sie sei zu allgemein, gehe zu wenig auf individuelle Bedürfnisse ein, setze recht willkürlich Prioritäten. Auch gibt es keine Pflicht, dass Berater günstige Produkte anbieten müssen. "Sie können verkaufen, was sie wollen. Es wird sich also nichts ändern", findet Nauhauser. Viel effektiver wäre ein Gesetz, das der Staat kontrollieren und an das sich alle Beteiligten halten müssten. Ob sie wollen oder nicht.

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