Verbraucherkredite:Es darf ein bisschen mehr sein

Visitor passes dishwasher installation during opening day of IFA consumer electronics fair in Berlin

Gerade bei teuren und langlebigen Gütern wie einer Küche, bleibt die Anschaffungsneigung der Deutschen wohl hoch.

(Foto: Tobias Schwarz/REUTERS)

Die Deutschen verschulden sich wieder stärker für den Konsum, wenn auch nur moderat. Viele und vor allem sichere Jobs, dazu niedrige Zinsen - das befeuert die Kauflaune. Die Wirtschaft dürfte es freuen.

Von Stephan Radomsky

Die Deutschen gönnen sich wieder was. Zumindest ein bisschen. Und sie finanzieren es neuerdings wieder stärker auf Pump. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der französischen Bank Crédit Agricole in 28 europäischen Ländern. Demnach hatte jeder Deutsche im vergangenen Jahr durchschnittlich 2754 Euro Schulden für seinen privaten Konsum - knapp 40 Euro mehr als noch 2013. Im laufenden Jahr, so erwarten die Autoren der Erhebung, dürfte der Wert nochmals ansteigen.

Damit lockern die Verbraucher in Deutschland ihre Zurückhaltung offenbar etwas, wenn es um Anschaffungen geht, die sie nicht sofort bezahlen können. Andere Nationen sind traditionell spendierfreudiger, etwa die Norweger, die den Daten zufolge pro Kopf mit umgerechnet 5500 Euro in der Kreide stehen, oder die Briten mit knapp 4450 Euro. Trotzdem sanken die Ausstände europaweit insgesamt erneut, wenn auch nur leicht auf knapp 1,1 Billionen Euro. Es war seit der Finanzkrise 2009 der sechste Rückgang in Folge.

Im laufenden Jahr könnte die Nachfrage in Deutschland weiter anziehen, dank stabiler Konjunktur, geringer Arbeitslosigkeit und niedrigen Zinsen. Darauf deuten auch die Umfragen des Marktforschungsunternehmens GfK hin. Das Unternehmen erhebt im Auftrag der EU-Kommission monatlich das Konsumklima in Deutschland. Zwar hat die Einkaufslaune der Deutschen im August leicht nachgelassen, nach wie vor ist der Optimismus aber auf dem höchsten Niveau der vergangenen Jahre. Bleiben die grundlegenden Rahmenbedingungen so gut, gehen die Forscher daher von einer "weiterhin sehr hohen Anschaffungsneigung" der Deutschen bei teuren und langlebigen Gütern aus, die häufiger per Kredit finanziert werden.

Zumindest im zweiten Halbjahr dürfte sich daran kaum etwas ändern, glaubt auch Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. "Der Konsum sollte eine stabile Konjunkturstütze bleiben", sagt der Ökonom. Darauf deutet auch der von seinem Institut erhobene Konsumindikator hin. Große Wachstumsimpulse erwartet Döhrn von den Verbrauchern allerdings nicht mehr, dafür ist das erreichte Niveau bereits zu hoch, außerdem legen die privaten Konsumausgaben langsamer zu als noch zu Jahresanfang. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft wäre angesichts der äußerst unsicheren Lage in China aber bereits diese stabile Aussicht auf dem Heimatmarkt erfreulich.

Schließlich hielten sich die Deutschen jahrelang mit Anschaffungen eher zurück und sparten ihr Geld lieber. In Zeiten von Minizinsen auf dem Sparbuch lohnt sich das allerdings nicht mehr - was zunehmend auch den Verbrauchern bewusst wird. Sollten sich die Verwerfungen an den Börsen aber zu einer großen Wirtschaftskrise auswachsen, könnte die Kauflaune von heute aber auch zum Konjunkturproblem von morgen werden, sagt RWI-Forscher Döhrn. "In einem heftigen Abschwung kann ein stark auf Pump finanzierter Konsum die Lage sogar verschlimmern, weil sich die Haushalte wegen der Altschulden und der Unsicherheit neue Anschaffungen vielleicht verkneifen."

Bisher seien die Schuldenstände der Deutschen aber vergleichsweise niedrig, auch weil es hier schwieriger als in anderen Ländern sei, etwa Immobilien für Konsumzwecke zu beleihen, erklärt Döhrn. Dass die Konsumentenkredite in Deutschland nun durch den Mindestlohn befeuert werden, wie es die Crédit-Agricole-Studie nahelegt, glaubt Döhrn aber nicht. Meist ersetze der Mindestlohn nur staatliche Transferleistungen, die Bezieher hätten damit unter dem Strich auch nicht mehr Geld in der Tasche. "Und leichter an Kredite werden sie auch kaum kommen."

Bei größeren Anschaffungen ist ein Ratenkredit viel günstiger als der Dispo

Insgesamt dürften die Konsumschulden der Deutschen höher sein, als es die Daten zunächst vermuten lassen. So wird zwar der Dispo-Kredit, den viele Banken ihren Kunden auf dem Girokonto ungefragt einräumen, in der Studie berücksichtigt. Posten wie Leasingraten und bestimmte Autofinanzierungen tauchen aber beispielsweise nicht in den Statistiken für Konsumentenkredite auf. Zudem belasten auch eine gestiegene Miete oder die Raten für einen höheren Immobilienkredit die Budgets der Haushalts, und zwar dauerhaft. Wird das Geld knapp, sparen sie daher zuerst bei kurzfristigen Anschaffungen. Der neue Fernseher, die Einbauküche oder das Auto fallen also eine Nummer kleiner aus - oder werden gar nicht gekauft.

In jedem Fall sollten Verbraucher aber bei größeren Anschaffungen eine feste monatliche Rate in Kauf nehmen, anstatt den Dispo voll auszureizen, raten Verbraucherschützer. Denn noch immer verlangen viele Banken Zinssätze von acht, neun oder mehr Prozent, wenn ein Kunde mehr vom Girokonto holt, als er hat. Einen Ratenkredit oder eine Autofinanzierung gibt es dagegen oft schon für weniger als ein Drittel der Kosten. Und wer sich neue Möbel oder ein teures Elektrogerät anschaffen möchte, dem machen einige Händler sogar noch günstigere Finanzierungsangebote.

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