Verbraucher - Hannover:Lebensmittelkontrolleure stoßen an Grenzen

Deutschland
Barbara Otte-Kinast, Niedersachsens Landwirtschaftsministerin (CDU). Foto: Peter Steffen/dpa (Foto: dpa)

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Hannover (dpa/lni) - Missstände in Schlachthöfen, Betrug bei der Lebensmittelkennzeichnung, Listerien-Skandal: Die Lebensmittelkontrolleure und Veterinärämter der Landkreise in Niedersachsen brauchen mehr Geld. Bei der personellen Kapazität seien Grenzen erreicht, zusätzliche zehn Millionen Euro vom Land seien notwendig, sagte der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Hubert Meyer, am Freitag bei der Vorstellung des Verbraucherschutzberichts. Das zusätzliche Geld entspreche 100 Stellen, bislang gebe es in der Lebensmittelüberwachung gut 1600 Mitarbeiter. Das Budget liegt bei 23 Millionen Euro. "Wir sind mit der Ministerin einig", betonte er.

Gleichzeitig kommen für die Behörden neue Aufgaben wie die Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes in der Landwirtschaft hinzu. Schon vor einem Jahr hatte Meyer mehr Mitarbeiter und mehr Geld verlangt.

ERGEBNISSE DES VERBRAUCHERSCHUTZBERICHTS 2019

Im vergangenen Jahr gab es fast 66 000 Kontrollen in mehr als 41 000 Betrieben - das sind 38 Prozent aller Betriebe. Ein Jahr zuvor waren es landesweit knapp 62 000 Kontrollen, dabei kam es zu 467 schriftlichen Verwarnungen, 534 Bußgeld- und 105 Strafverfahren. 2019 wiederum gab es 469 schriftliche Verwarnungen, 736 Bußgeldverfahren und 109 Strafverfahren - ein Plus im Vorjahresvergleich zwar, aber "erstmals seit Jahren" habe die Zahl der Kontrollen etwas zugenommen, betonte Meyer. Verbraucherschutzministerin Barbara Otte-Kinast machte klar, wie klein der Anteil schwerwiegender Verstöße sei: "Noch nie waren unsere Lebensmittel so sicher wie heute", sagte die CDU-Politikerin.

Dennoch kam es bei 51 Prozent aller Kontrollen zu Beanstandungen - exakt wie ein Jahr zuvor. Die Hälfte davon waren wie in den Vorjahren Hygienemängel. Der Anteil der Verstöße gegen die Kennzeichnung von Lebensmitteln betrug 17 Prozent und war fast so hoch wie im Vorjahr. Das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) kam 2019 auf mehr als zwei Millionen Untersuchungen, wie dessen Präsident Eberhard Haunhorst sagte.

WIE SIEHT ES AUS BEI LEBENSMITTELN?

Weder einen Lebensmittelskandal noch eine Tierseuche habe es im vergangenen Jahr gegeben, frohlockte Otte-Kinast. Dafür habe sich der Listerien-Skandal der hessischen Firma Wilke ausgewirkt - allein in Niedersachsen seien mehr als 1000 Betriebe von dem Hersteller beliefert worden, sagte Meyer. Auch die Zahl der Kennzeichnungsmängel bei Lebensmitteln nehme nicht ab. Mängel dieser Art hätten einen Anteil von 72 Prozent an den Beanstandungen. Dabei gehe es um falsche Nährwertangaben, allerdings könne der Begriff "Kennzeichnungsmangel" auch eine "Verniedlichung" sein, sagte Haunhorst: "Nicht immer ist das drin, was draufsteht."

Lebensmittelbetrug nehme eine immer größere Rolle ein, erklärte er. Beispiel Vanille, eines der teuersten Gewürze überhaupt: Bei 17 von 38 Proben aus Eiscafés seien fürs Vanilleeis überhaupt keine Vanille oder natürliches Vanillearoma verwendet worden. 2017 wurden sogar 39 von 46 Proben beanstandet. Oder beim Wein: 5 von 545 Proben zeigten unzulässige Zusätze wie Sorbit, Wasserzusätze, Saccharose und Zitronensäure. In Restaurants sei es in Mode gekommen, Burger selber herzustellen. "Ich kann nur empfehlen: Sagen Sie, dass sie die gut durchgebraten haben wollen", riet Haunhorst. 35 Prozent der Proben seien beanstandet worden, die Gefahr von Durchfallerkrankungen sei "durchaus gegeben". Otte-Kinast riet zudem, weniger zuckerhaltige Getränke zu trinken.

KONTROLLE DES ANTIBIOTIKA-EINSATZES

Auf Kritik im Land stieß die geplante Verlagerung der Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes von der Landes- auf die kommunale Ebene. Nach Einschätzung der Grünen sind die Kommunen schon heute mit vielen Kontrollaufgaben in der Tierhaltung und in Schlachthöfen überfordert. Otte-Kinast erklärte, es habe einen einjährigen Dialogprozess gegeben - Hintergrund sei, dass die Kontrolle der 40 Tierversuchseinrichtungen und von Zirkustieren dem Laves übertragen worden sei. Im Gegenzug hätten die Veterinärämter neben der Tierarzneiüberwachung auch die Antibiotikakontrolle erhalten. Das sei "nicht unbedingt eine zusätzliche Belastung", das Meldesystem solle beim Laves bleiben. Meyer betonte wieder: "Wir müssen zusätzliche Mittel haben." Haunhorst wollte zum Entzug der Antibiotikakontrolle nichts sagen.

AUSWIRKUNGEN DER CORONAVIRUS-PANDEMIE

Der aktuelle Verbraucherschutzbericht bezieht sich auf 2019, die Pandemie werde sich am nächsten Bericht für 2020 ablesen lassen, sagte Meyer. "Wir werden 2021 ganz andere Zahlen vorstellen." Die Kontrollen hätten unter dem Virus gelitten.

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