Rabattaktionen beim EinkaufenIn 10 000 Jahren nichts gelernt

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Das menschliche Gehirn reagiert beim Einkaufen sehr stark auf Rabatte, echte und scheinbare  (Symbolbild) .
Das menschliche Gehirn reagiert beim Einkaufen sehr stark auf Rabatte, echte und scheinbare (Symbolbild). (Foto: Markus Lenhardt/Markus Lenhardt/dpa)

Bei spektakulär erscheinenden Preisnachlässen greifen viele Verbraucher zu.  Ein Verhaltensmuster, das entwicklungsgeschichtlich weit zurückreicht. Den Bundesgerichtshof beschäftigt jetzt eine besonders verwirrende Reklame für Kaffee.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Entwicklungsgeschichtlich gesehen, gab es eine Zeit, in der es im Wortsinne überlebenswichtig war, günstige Gelegenheiten zu ergreifen – ohne eine Sekunde des Zögerns. Wer die Beute vor der Nase hatte, der packte zu und dachte nicht darüber nach, ob noch ein größeres, saftigeres Beutestück des Weges kommen könnte. Das Gehirn sendete in solchen Fällen Botenstoffe, die das menschliche Zaudern und Wägen ausschalten und den Jäger zur Tat rufen. Das ist so um die 10 000 Jahre her.

So ungefähr erklären Psychologen, warum der Mensch bis heute nicht lange nachdenkt, wenn er im Supermarkt auf ein Schnäppchen trifft.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Mittwoch auf eine Klage der Wettbewerbszentrale über eine Vorschrift verhandelt, die den Menschen vor den Fallen der eigenen Psyche in Schutz nehmen soll. Es gibt dazu deutsche und europäische Paragrafen, um der nimmermüden Werbewirtschaft Tricksereien mit Tiefst- und Bestpreisen zu verbieten. Und doch haben sie einen Discounter nicht davon abgehalten, eine virtuos verwirrende Reklame für eine Packung der Kaffeesorte Jacobs Krönung zu entwerfen.

Kosten sollte das 500-Gramm-Paket 4,44 Euro, im Vergleich zu 6,99 Euro in der Woche zuvor – eine Preisermäßigung um 36 Prozent, so schrie es in Rot und Gelb vom Plakat. Die Wahrheit verbarg sich freilich in einer Fußnote zu den 6,99, eine Erläuterung, die kaum zu verstehen war: „Bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer: Jacobs Krönung 4,44“ stand dort. Das bedeutet: Der angebliche Bestpreis war das Ergebnis einer Berg-und-Tal-Fahrt – man erhöht den Preis, um ihn gleich wieder zu senken.

Gibt es ein Schlupfloch?

Genau dieses Spiel mit Schaukelpreisen hatte der Gesetzgeber eigentlich unterbinden wollen, indem er vorschrieb, neben jedem angeblichen Preisnachlass müsse auch der niedrigste Preis der vergangenen 30 Tage ausgewiesen sein. Das war in der Jacobs-Werbung der Fall, wenngleich in einer Fußnote versteckt. Gleichwohl glaubte der Discounter ein Schlupfloch gefunden zu haben: Sein 36-Prozent-Rabatt bezog sich nicht auf den 30-Tage-Tiefstpreis, sondern auf den kurz zuvor erhöhten Kaufpreis. Also auf den Berg, nicht auf das Tal. Muss er auch nicht, meinte der Anwalt des Discounters in der BGH-Verhandlung, weil die Verordnung hier sprachlich nicht eindeutig sei. „Das steht da nicht.“

Wie es aussieht, wird der Discounter mit dem Verwirrspiel trotzdem nicht durchkommen. Bereits das Oberlandesgericht Nürnberg hatte der Wettbewerbszentrale recht gegeben, wegen Irreführung der Verbraucher. Inzwischen hat auch der Europäische Gerichtshof über einen ähnlichen Streit entschieden; danach darf sich der behauptete Preisnachlass einzig auf den niedrigsten Preis der vergangenen 30 Tage beziehen. Keine Schaukelstrategie, keine Berg-und-Tal-Fahrt. So wird wohl auch der BGH urteilen; sein Urteil spricht er im Oktober.

Die Schnäppchenangebote werden trotzdem nicht aussterben, dazu ist das Spiel mit der urzeitlich geprägten Psyche zu reizvoll. Und bis sich das menschliche Gehirn an die Gegebenheiten des modernen Einzelhandels angepasst hat, gehen schnell weitere 10 000 Jahre ins Land.

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