Vegane Ernährung:Das neue Bio

Vegetarische Lebensmittel

Immer beliebter: Vegetarische Lebensmittel

(Foto: dpa)
  • Vegane Produkte werden immer beliebter. Die Umsätze der Branche steigen.
  • Viele Discounter reagieren auf den Trend und bieten ihrerseits vegane Lebensmittel an.
  • Verbraucherschützer kritisieren aber, dass vegane Produkte oft nicht bio seien.
  • Zugleich sei es wenig nachhaltig, wenn Waren um die halbe Welt transportiert würden.

Von Silvia Liebrich

Für die einen ist es eine Lebenseinstellung. Für die anderen einfach nur ein gutes Geschäft: Vegane Ernährung liegt im Trend, immer mehr Menschen steigen auf rein pflanzliche Kost um. Verzicht üben muss dabei heute niemand mehr. In den Filialen der ersten rein veganen Supermarktkette Veganz etwa mangelt es an nichts. Wer die Läden betritt, taucht ein in eine Warenwelt, die einige Überraschungen zu bieten hat. Dazu gehört etwa die echt wirkende Pute im Gefrierschrank für gut 50 Euro, die nach Angaben des US-Herstellers unter anderem aus Soja, Pflanzenstärke und Zucker modelliert wurde. Selbst für Haustiere ist gesorgt: Einen Gang weiter gibt es eine Auswahl an pflanzlichem Hundefutter.

Vegane Produkte sind längst mehr als einfach nur Nischenartikel. Dem will nun auch die Messe Biofach gerecht werden, die an diesem Mittwoch in Nürnberg beginnt und als einer der wichtigsten Treffpunkte der internationalen Ökoszene gilt. Erstmals gibt es dort in diesem Jahr eine Sonderschau, die sich dem völlig tierfreien Konsum widmet, mehr als 730 Aussteller stellen vegane Produkte vor.

Veganer Boom

Die Nachfrage ist groß. Sojamilch, Tofuwürstchen und andere vegane Produkte landen immer häufiger im Einkaufswagen. Das schlägt sich auch in den Branchenzahlen nieder. Der Umsatz wächst rasant, seit 2010 mit jährlichen Zuwachsraten, die im Schnitt bei 17 Prozent liegen, wie der Datenanbieter Statista angibt. Der Umsatz mit vegan deklarierten Artikeln - darunter fallen etwa auch Kosmetika, Kleidung und vegane Blumenerde - wird inzwischen auf mehr als 700 Millionen Euro im Jahr geschätzt. Zum Vergleich: Der gesamte deutsche Biomarkt legte 2014 um fünf Prozent auf knapp acht Milliarden Euro zu.

Größer, aber nicht groß genug

Die gute Nachricht vorweg: Auch im vergangenen Jahr ist die Biobranche in Deutschland gewachsen. Die Zahl der Öko-Betriebe stieg um 2,9 Prozent auf 23 937 - und die ökologisch bewirtschafteten Flächen um 2,7 Prozent auf 1,01 Millionen Hektar. Und doch reicht der Anstieg bei Weitem nicht, um die Nachfrage der Verbraucher nach Biolebensmitteln zu decken. Das zeigen Marktdaten, die die grüne Bundestagsfraktion ausgewertet hat. Die Auswertung liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Demnach muss 33 Prozent der hierzulande konsumierten Biomilch aus dem Ausland importiert werden. Gleiches gilt für 39 Prozent der Biobutter, 38 Prozent der Biozwiebeln, 42 Prozent der Biomöhren, 43 Prozent der Bioäpfel und 20 Prozent des Bioschweinefleischs. Für den Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sind das alarmierende Zahlen. "Mir erschließt sich nicht, warum Lebensmittel über riesige Strecken transportiert und importiert werden sollen, wenn sie genauso gut hier produziert werden könnten."

Seiner Ansicht nach ist die "rückwärtsgewandte Agrarpolitik" der Bundesregierung schuld an der Entwicklung. "Obwohl immer mehr Menschen Biolebensmittel kaufen, setzt die Bundesregierung auf Massentierhaltung und fördert Billigfleisch-Exporte", kritisiert er. Den kleinen Betrieben dagegen lege man "Bremsklötze in den Weg". Die Fördergelder der EU müssten dringend umgeschichtet werden. "Die bisherige Unterstützung für Biolandwirtschaft steht in keinem Verhältnis zur wachsenden Nachfrage." Daniela Kuhr

Veganes und vegetarisches Essen sei der nächste große Trend in der Biobranche, erwartet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Auch beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) zeigt man sich beeindruckt. "Mit diesen Wachstumsraten wird der vegane Trend auch für den konventionellen Handel interessant", sagt ein Sprecher. Er vermutet, dass wachsende Kritik an der Tierhaltung dazu beigetragen hat.

Zugleich warnt der Handelsverband aber davor, den Boom zu überschätzen. Nach wie vor sei die Zahl der Veganer in Deutschland relativ gering. Das bestätigt auch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Yougov. Nur 1,1 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich überwiegend vegan ernähren. Dagegen bekannten sich 88 Prozent zu regelmäßigem Fleischkonsum. Studien zeigen zudem: der typische Veganer ist weiblich und hat studiert. Fest steht aber auch, dass das vegane Leben ganz schön teuer werden kann. Ein 500-Gramm-Becher Eis kostet bei Veganz fünf Euro und mehr. Veganes Shampoo oder Duschgel ist bis zu vier Mal teuerer als ein konventionelles Produkt.

Die Discounter reagieren schon

Vegane Ernährung: Man sieht es dem Hamburger nicht an, aber zwischen diesen beiden Brötchenhälften steckt kein Fleisch.

Man sieht es dem Hamburger nicht an, aber zwischen diesen beiden Brötchenhälften steckt kein Fleisch.

(Foto: Jack Guez/AFP)

Die großen Handelskonzerne, selbst Aldi und Lidl, haben mittlerweile erkannt, dass sich mit der veganen Lebensphilosophie gutes Geld verdienen lässt. Alle bieten zumindest ein kleines Sortiment an, und das wird stetig ausgebaut. "Wir beobachten eine steigende Nachfrage, auf die wir uns bewusst einstellen", sagt ein Rewe-Sprecher. Mit der Ausweitung des Angebots steige auch der Umsatz dieser jungen Warengruppe. Konkurrent Edeka geht noch einen Schritt weiter, mit einer neuen Eigenmarke für Fleischersatzprodukte, die nicht nur vegetarischen, sondern auch veganen Standards entsprechen soll.

Einer, der den Trend frühzeitig erkannt hat, ist der ehemalige Daimler-Manager Jan Bredack, der 2011 Veganz, die erste rein vegane Supermarktkette in Europa, gegründet hat. Seine Vision: "Wir wollen verändern, mitreißen, animieren und die Menschen zum Nachdenken bringen." Der Erfolg gibt ihm recht. Inzwischen betreibt die Firma neun Geschäfte in Deutschland, Österreich und Tschechien. Bis Ende 2015 sind europaweit 21 Filialen geplant.

"Mit naturbelassener Ernährung hat das wenig zu tun"

Verbraucherschützer verfolgen den Boom mit gemischten Gefühlen. Susanne Moritz von der Verbraucherzentrale Bayern kritisiert, dass viele vegane Fertigprodukte stark verändert seien. "Um die gewünschte Konsistenz und das Aussehen zu erreichen, werden viele Zusatzstoffe, Aromastoffe und andere Hilfsmittel eingesetzt. Mit naturbelassener Ernährung hat das wenig zu tun." Hinzu komme, dass es keine strengen Herstellungsrichtlinien gebe, wie für Bioprodukte. Vegane Produkte sind mit einem "V" gekennzeichnet. Das bedeute jedoch nicht, dass sie automatisch auch bio seien.

Ein weiteres Manko sieht die Verbraucherschützerin in den Angaben auf den Verpackungen. Viele der veganen Produkte kommen aus dem Ausland, weil das inländische Angebot fehlt. "Wir stellen fest, das immer wieder Erklärungen auf Deutsch fehlen, das ist nach EU-Recht nicht erlaubt." Außerdem fragt sie sich, "wo der Nachhaltigkeitsgedanke bleibt, wenn Waren um die halbe Welt transportiert werden müssen".

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