Süddeutsche Zeitung

Vattenfall:Baggern für die Kohle

Vattenfall hatte zuletzt wenig Freude am Braunkohlegeschäft in der Lausitz. Nun haben die Schweden einen Käufer gefunden, der dort trotzdem Geld verdienen will.

Von Michael Bauchmüller und Varinia Bernau, Düsseldorf

Der Poker um die Braunkohle in der Lausitz ist entschieden: Der tschechische Versorger EPH übernimmt das Geschäft mit vier Kohlegruben und drei Kraftwerken in Deutschlands zweitgrößtem Revier vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall.

Der Deal ist vor allem wegen der Altlasten äußerst sensibel: Über die Frage, wie teuer Rückbau und Rekultivierung in der Region werden, gehen die Schätzungen weit auseinander. Manche Schäden sind heute womöglich noch gar nicht absehbar. Vattenfall tritt deshalb nicht nur die Anlagen ab, deren Wert auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt wird. Der Konzern gibt auch 1,7 Milliarden Euro an Barmitteln dazu. Im Gegenzug übernehmen die Tschechen sämtliche Verpflichtungen. Und zwar nicht nur für die Rekultivierung der Region, sondern auch für Pensionen. Diese Summe wird auf etwa zwei Milliarden Euro geschätzt.

Vattenfall zahlt damit für seinen Abschied aus der Lausitz einen hohen Preis. Dafür rückt der schwedische Staatskonzern seinem selbstgesteckten Ziel für eine umweltfreundliche Energieversorgung etwas näher. "Die Option, an dem Geschäft festzuhalten, war schlechter, als die, es zu verkaufen", betonte Konzernchef Magnus Hall. Denn Vattenfall befreit sich nicht nur von einem zuletzt verlustreichen Geschäft und unabsehbaren Risiken in der Zukunft. Auch einer Auseinandersetzung mit Politikern und Gewerkschaften, die fürchten, das schwedische Bekenntnis zum Klimaschutz mit dem Verlust Tausender Arbeitsplätze bezahlen zu müssen, gehen die Schweden so aus dem Weg. Vattenfall beschäftigt in der Lausitz etwa 7500 Menschen und ist damit der wichtigste Arbeitgeber in der Region, die nach dem Zusammenbruch der DDR wirtschaftlich nicht wieder auf die Beine gekommen ist.

Wie viel Geld sich mit der Braunkohle in der Lausitz wirklich verdienen lässt, hängt vor allem davon ab, wie lange dort noch gebaggert werden darf - und wie sich die Strompreise entwickeln. Seit die Bundesregierung offen über ein Ende für die Braunkohle in Deutschland debattiert, sind auch die Aussichten für die Lausitzer Tagebaue schlechter geworden. Jan Špringl, Mitglied des Vorstands bei EPH, gibt sich im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung dennoch gewiss, dass Deutschland die Braunkohle auch in Zeiten der Energiewende braucht. "Es ist der einzige Rohstoff, aus dem sich verlässlich Strom gewinnen lässt und der nicht erst importiert werden muss. Deshalb wird er im Energiemix weiterhin nicht einfach zu ersetzen sein."

Weil immer mehr Ökostrom ins Netz fließt, ist der Großhandelspreis an der Strombörse allerdings stark gesunken. Derzeit liegt er knapp über 20 Euro pro Megawattstunde. EPH setzt darauf, dass der Preis spätestens 2022 steigt, wenn der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz geht und damit weniger Strom eingespeist wird. Dann könnte aus der Braunkohle in der Lausitz wieder ein lohnenswertes Geschäft werden. Ob diese Rechnung aufgeht, ist alles andere als gewiss. Denn dass der Strompreis so niedrig ist, liegt nicht nur daran, dass mehr Energie erzeugt als gebraucht wird. Es liegt auch an den niedrigen Preisen für Öl und Gas.

Špringl aber betont: "Wir glauben, dass dies ausreicht, um alle langfristigen Verpflichtungen zu leisten."

Weil die Aussichten im Energiegeschäft so unsicher sind, haben die Schweden darauf gepocht, dass EPH für eine gewisse Zeit kein Geld aus der Lausitz abschöpfen darf: Drei Jahre lang etwa sind Dividenden oder eine Auflösung der Rückstellungen tabu, in den folgenden zwei Jahren dürfen die aus dem Unternehmen abgeführten Gewinne eine betriebsübliche Rendite nicht überschreiten.

EPH verdient den größten Teil seines Geldes mit Gasgeschäften. In Deutschland gehören dem Unternehmen bereits das Bergbauunternehmen Mibrag mit Sitz in Zeitz in Sachsen-Anhalt sowie deren Tochtergesellschaft Helmstedter Revier mit dem Kraftwerk Buschhaus. Dadurch kennt EPH auch die energiepolitischen Debatten in Deutschland. Und das Unternehmen weiß auch, was Sozialpartnerschaft bedeutet: Betriebsbedingte Kündigungen wurden bis Ende 2020 ausgeschlossen. "Die Kraftwerke in der Lausitz gehören zu den effizientesten in Europa. Für uns war dies der nächste logische Schritt", sagt Špringl. Spekulationen, EPH könne auch deshalb an der Kohle in der Lausitz interessiert sein, weil Tschechien den Ausbau der heimischen Tagebaue per Gesetz begrenzt hat, wies Špringl zurück. Es gebe keine Absichten, die Kohle aus der Lausitz in andere Länder zu exportieren.

Vattenfall hatte 2014 entschieden, sich von dem Geschäft mit der Braunkohle zu trennen. Die rot-grüne Regierung in Stockholm hatte dem Staatskonzern zuvor das Ziel vorgegeben, mehr erneuerbare Energien anzubieten. Dass EPH der einzige Bieter war, der öffentlich Interesse gezeigt hatte, zeigt, wie wenig Spielraum Vattenfall bei der Suche nach einem Käufer zuletzt blieb. Der tschechische Energiekonzern CEZ war kurz vor Ende der Bieterfrist abgesprungen. Das deutsch-australische Konsortium von Steag und Macquarie hatte zwar kein offizielles Gebot vorgelegt, aber eine Stiftung ins Gespräch gebracht. Diese sollte das Vermögen verwalten und vor Ort in Projekte für erneuerbare Energien investieren - und so die Kosten für die Rekultivierung erwirtschaften. Allerdings verlangte das Konsortium dazu etwa zwei Milliarden Euro als Einlage von Vattenfall. Etwas zu viel, wie sich nun zeigt.

Die schwedische Regierung muss der Transaktion noch zustimmen. Auch Brandenburg und Sachsen müssen noch entscheiden, ob sie Bergrechte, die an vier offenen sowie zwei weitere bereits genehmigte Kohlegruben geknüpft sind, an EPH übertragen. Man werde, so heißt es dort, sehr genau prüfen, ob der künftige Eigner seinen Verpflichtungen nachkommen kann.

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Quelle:
SZ vom 19.04.2016
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