Süddeutsche Zeitung

Dienstsitz Vatikan:Im Auftrag des Papstes

Norbert Rollinger, deutscher Versicherungsmanager und oberster Lobbyist der Branche, hat noch einen interessanten Nebenjob.

Von Herbert Fromme, Köln

Wenn Norbert Rollinger im Vatikan seinen Dienstausweis zückt, der ihn als Mitarbeiter des Heiligen Stuhls ausweist, dürften die Gardisten der Schweizergarde besonders stramm stehen. Denn der deutsche Versicherungsmanager spielt für ihre Altersversorgung eine entscheidende Rolle. Er verwaltet nebenberuflich im Auftrag des Papstes die Renten aller 5000 Mitarbeiter des Vatikans.

Dabei wäre Rollinger auch ohne diese Aufgabe gut ausgelastet. Der 58-Jährige mit Wohnsitz in Köln steht an der Spitze der Versicherungsgruppe R+V in Wiesbaden, die zur genossenschaftlichen Finanzgruppe aus Raiffeisenbanken und Volksbanken gehört. Im September 2022 wählte ihn außerdem der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin zu seinem Präsidenten. Er ist in politisch schwierigen Zeiten der oberste Lobbyist der deutschen Versicherer. Seit Anfang 2022 hat er zudem noch diesen kleinen ehrenamtlichen Job als Präsident des Fondo Pensioni Vaticano, des vatikanischen Pensionsfonds. Rollinger bestätigt das, will aber keine Einzelheiten nennen.

Viel ist nicht bekannt über die diskret agierende Einrichtung in der Via della Conciliazione 5. Sie dürfte mit zehn Mitarbeitern etwa 700 Millionen Euro verwalten. Wie alle Pensionsfonds hat auch dieser spezielle Fonds in den vergangenen Jahren unter den niedrigen Zinsen gelitten und kann den professionellen Blick Rollingers gut gebrauchen.

Dass überhaupt ein externer Manager und kein Geistlicher den Fonds leitet, verdanken die Vatikan-Mitarbeiter Papst Franziskus. Er hat ihre Altersversorgung umfassend reformiert: Früher war sie eng verwoben mit der päpstlichen Güterverwaltung mit dem komplizierten Namen "Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae" (APSA), der immer ein Kardinal vorsteht. Bis 2016 leitete deshalb ihr Chef Kardinal Domenico Calcagno auch den Pensionsfonds. Franziskus trennte die Einrichtungen und machte Nino Savelli, Professor für Finanzwirtschaft in Mailand, zum Chef der Altersversorgung. Jetzt steht Rollinger an der Spitze.

Das Rentensystem des Vatikans ist ganz besonders. Denn der Fondo Pensioni verwaltet keine Zusatzrenten, sondern die erste Säule der Altersversorgung. Das entspricht den gesetzlichen Renten in Deutschland und den meisten Ländern der Welt. Der Vatikan hat also ein vollständig durch Kapital gedecktes Rentensystem und kein Umlageverfahren. In der deutschen Debatte über die Altersversorgung kann Rollinger diese Erfahrungen aus Rom bestimmt sinnvoll einbringen, wenn denn die vatikanische Einrichtung auch langfristig funktioniert und keine allzu großen Zuschüsse der Kirche benötigt.

"Er ist eben ein guter rheinischer Katholik."

Den Nebenberuf in Rom übt Rollinger ehrenamtlich aus. Er kostet dennoch Zeit. Der Verwaltungsrat trifft sich mindestens dreimal im Jahr persönlich, dazu kommen noch Online-Sitzungen. Doch seinen Arbeitgeber - das genossenschaftliche Finanzlager - scheint das nicht zu stören. Das könnte daran liegen, dass Marija Kolak, die einflussreiche Präsidentin des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, sehr gute Beziehungen zur katholischen Kirche unterhält. Sie nimmt an Sitzungen des vatikanischen Wirtschaftsrates als Expertin teil.

Norbert Rollinger hat nicht nur Erfahrung mit der Vermögensverwaltung als Versicherer, er hat als Katholik auch die richtige Glaubenshaltung für die Nebenbeschäftigung. Er ist zwar Luxemburger Staatsbürger, aber im Rheinland geboren und aufgewachsen. Rollinger sitzt im Kirchenvorstand seiner Kölner Gemeinde St. Matthias und Maria Königin, war Messdiener im Kölner Dom und hat auf einem erzbischöflichen Gymnasium das Abitur abgelegt. "Rollinger macht das gerne", sagte ein Vertrauter. "Er ist eben ein guter rheinischer Katholik." Für ihn sei es ein Erlebnis, ein Büro mit Blick auf die Engelsburg zu haben und mehrmals im Jahr im Vatikan zu wohnen. "Manchmal trifft er den Papst am Aufzug." Und wer kann das schon über seinen Nebenjob sagen.

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