Alischer Usmanow war einst wohlgelitten bei den Mächtigen im Freistaat Bayern. Im Spätherbst 2015 lud der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den russischen Oligarchen zum Abendessen „im kleinen Kreis“ in die „Alba Trattoria“ in München ein – einem Italiener der feineren Art im Nobel-Stadtteil Bogenhausen.
Heute, fast neun Jahre später, würde wohl keiner der CSU-Granden Usmanow noch mal zu „Stubenküken Aglio e Rosmarino“ oder „Branzino in Salzkruste“ ins Restaurant bitten. Der russische Multimilliardär ist in den vergangenen Jahren vom geschätzten Gesprächspartner zur unerwünschten Person mutiert. Und statt mit dem Ministerpräsidenten zu dinieren, soll Usmanow jetzt vier Millionen Euro zahlen, um nicht wegen Geldwäscheverdacht vor Gericht zu landen. So ändern sich die Zeiten.
Für den 71-jährigen Geschäftsmann mit geschätzt 13 Milliarden US-Dollar Vermögen begann die Zeitenwende am 24. Februar 2022, an jenem Tag, an dem Wladimir Putins Truppen die Ukraine überfielen. Wegen seiner angeblichen Nähe zu dem Herrscher im Kreml setzte die EU-Kommission Usmanow auf die Sanktionsliste – und auch die deutschen Behörden begannen plötzlich, sich für die Geschäfte des Multi-Unternehmers mit usbekischen Wurzeln zu interessieren.
Drei Verfahren eröffneten Staatsanwälte in Frankfurt am Main und in München gegen ihn: Weil Usmanow angeblich fast ein Jahrzehnt lang viele Monate im Jahr am Tegernsee verbracht hat, dort aber keine Steuern entrichtete, soll er hierzulande Abgaben in dreistelliger Millionenhöhe hinterzogen haben – was Usmanow freilich bestreitet. Und weil er nach Beginn des russischen Angriffskrieges die von Ermittlern Usmanow zugerechneten Kunstwerke sowie eine Weinsammlung und weitere Vermögensgegenstände hierzulande nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, angegeben hat, laufen weitere Ermittlungen wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. „Unbegründet“ und „politisch motiviert“ nennt Usmanow diese Verfahren.
Die Ermittlungen gegen den reichen Russen werden auch in Berlin mit Interesse verfolgt. Immer wieder gab es Kritik, die Russland-Sanktionen würden hierzulande schleppend umgesetzt, auch wenn inzwischen schon russische Vermögen im Wert von fast 3,9 Milliarden Euro eingefroren worden sind.
Russland-Sanktionen:Warum Sanktionsverstöße so wenig verfolgt werden
Auch zwei Jahre nach Kriegsbeginn tut sich Deutschland schwer bei der Jagd auf russisches Oligarchen-Geld. Ein neues Gesetz gegen Finanzkriminalität gilt bei Fachleuten als viel zu lax.
Im Fall von Usmanow war da noch der Verdacht der Geldwäsche. Über die Jahre – also auch schon bevor er sanktioniert wurde – hatten deutsche und internationale Banken immer wieder verdächtige Transaktionen gemeldet. Sie standen im Zusammenhang mit Usmanow und einer ganzen Reihe von den Ermittlern ihm zugerechneten Firmen, die zum großen Teil in Steueroasen wie der Isle of Man ihren Sitz haben: Mehr als 90 Verdachtsmeldungen gingen in dem Zusammenhang bei der deutschen Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) ein. Wenn Banken in ihren Systemen verdächtige Transaktionen sehen, müssen sie diese an die Behörden melden.
Unter anderem deshalb hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt den Oligarchen im Visier. Sie vermutete, dass Usmanow von 2017 bis 2022 mehrere Transaktionen von Geldern veranlasst habe, um deren Herkunft zu verschleiern. Für das Verschieben hoher Summen soll er sein komplexes Netzwerk an Unternehmen und Gesellschaften, überwiegend in Offshore-Staaten, genutzt haben. Es bestehe der Verdacht, so mutmaßten die Ermittler, dass die Geldbeträge aus Straftaten, insbesondere aus Steuerhinterziehungsdelikten, stammten. Die Höhe der so verschobenen Geldbeträge soll sich im mehrstelligen Millionenbereich bewegen. Bereits 2017 hatte Alexej Nawalny, der im Straflager verstorbene Kremlkritiker, den Oligarchen beschuldigt, dem damaligen russischen Premierminister Dmitrij Medwedjew eine wertvolle Immobilie überlassen zu haben. Usmanow wies sämtliche Vorwürfe zurück und überzog Nawalny mit einer Verleumdungsklage.
Usmanows Anwälte drängten auf die Einstellung des Verfahrens und akzeptierten eine Geldstrafe
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte am Montag die Einstellung des Geldwäscheverfahrens gegen eine Geldauflage. Die Millionen gehen nun an die Staatskasse und gemeinnützige Einrichtungen. „Mit einer Einstellung nach Paragraf 153a Strafprozessordnung ist keine Verurteilung verbunden, die Unschuldsvermutung gilt fort“, sagte ein Sprecher der Behörde. Bei der Entscheidung sei insbesondere berücksichtigt worden, dass weder der Bundesrepublik und dem Land Hessen noch einer natürlichen oder juristischen Person ein finanzieller Schaden entstanden sei und die mutmaßlichen Straftaten bereits längere Zeit zurückliegen. Zudem handele es sich um Vorwürfe der „Selbstgeldwäsche“, die erst seit November 2015 strafbar sei. Bei den mutmaßlichen Vortaten der Geldwäschevorwürfe handelt es sich um Auslandssachverhalte.
Offenbar hatten Usmanows Anwälte selbst auf eine Einstellung des Verfahrens gedrängt und dafür eine satte Zahlung in Kauf genommen. Seine Sprecher teilten mit, „aus Gründen der Verfahrensökonomie“ sei ihm von seinen Anwälten geraten worden, Paragraf 153a der deutschen Strafprozessordnung zur Einstellung zu verwenden. Er habe „diesen erfundenen Fall“ nicht weiter „künstlich in die Länge ziehen“ wollen und der Einstellung daher freiwillig zugestimmt.
Gleichwohl ist die Geldauflage auch deshalb bemerkenswert, weil wiederum das Landgericht Frankfurt mehrere Razzien, die mit dem Verdacht der Geldwäsche begründet waren, im Nachhinein für rechtswidrig erklärt hatte. Die Richter sahen den dafür notwendigen Anfangsverdacht als nicht begründet an. Der Vorwurf, sein Milliardenvermögen beruhe vor allem auf in Russland begangenen Straftaten, sei zu pauschal gewesen. Es mangele dafür an Beweisen – ein Erfolg, den Usmanow in Deutschland auch medial auszuschlachten wusste.
Usmanow hat auch Schadenersatzklage gegen eine Tochter der Schweizer Großbank UBS eingereicht
Ohnehin wehrt sich Usmanow erbittert gegen die deutschen Behörden, sieht sich als Justizopfer und bezeichnet die Ermittlungen gegen ihn als „politisch motiviert“. Seine Anwälte zeigten die Frankfurter Staatsanwälte nach der Entscheidung des Landgerichts zur Razzia sogar an, wegen Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger – ein harscher Vorwurf. Niemand anders als Ex-Bundesrichter Thomas Fischer schrieb dazu ein Gutachten, und Usmanows Medienanwalt Joachim Steinhöfel sagte in der als russlandfreundlich bekannten Berliner Zeitung, es gebe dazu bereits ein Ermittlungsverfahren.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt teilte auf SZ-Anfrage indes mit, sie habe die Einleitung eines Verfahrens mangels Anfangsverdachts abgelehnt. Über eine Beschwerde dazu muss nun die Generalstaatsanwaltschaft befinden. Ob es dazu kommt, ist unklar. Am Montag teilte Usmanow mit, er habe sich entschieden, die von ihm zuvor gegen Beamte der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wegen Amtsmissbrauchs erhobenen Strafanzeigen sowie seine Klage dagegen zurückzuziehen.
Aber nicht nur gegen die Justiz geht Usmanow vor: Im Sommer reichte er zudem eine Schadenersatzklage gegen die Tochter der Schweizer Großbank UBS in Frankfurt ein. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Usmanow seien ausgelöst worden durch Geldwäscheverdachtsmeldungen der Bank, begründeten seine Anwälte von der Kanzlei Gauweiler & Sauter die beim Landgericht Frankfurt eingereichte Klage.
In einem Interview verglich der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler die Sachlage mit dem Fall des Medienmoguls Leo Kirch, in dem die Deutsche Bank nach Äußerungen von Ex-Chef Rolf Breuer Schadenersatz zahlen musste. Das Verhalten der UBS sei sogar „nochmals gravierender“ gewesen, tönte Gauweiler. Experten halten die Erfolgsaussichten der Klage indes für überschaubar, da Banken per Gesetz verpflichtet sind, solche Meldungen abzugeben. Auch diese Sache wird die Justiz ziemlich sicher beschäftigt halten: Laut Landgericht Frankfurt soll dazu im März kommenden Jahres verhandelt werden.