Süddeutsche Zeitung

USA zwischen Hoffen und Bangen:Loch in der Handelsbilanz

Balanceakt mit ungewissem Ausgang: Die Arbeitslosenzahl sinkt, die Autokonzerne melden gute Geschäfte - doch selbst die wenigen Lichtblicke verlieren angesichts der Krisenstimmung in den USA an Leuchtkraft. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession schätzen Ökonomen mittlerweile auf 30 bis 50 Prozent. Auf eine neue Krise wäre das Land nicht vorbereitet.

Moritz Koch

Ist es nur ein Sommerloch, oder kündigt sich eine neue Rezession an? Seit Wochen schwankt Amerika zwischen Hoffnung und Bangen. Das Land befindet sich am Scheideweg, auf eine neue Krise wäre es nicht vorbereitet. Die politische Führung ist zerstritten und die Notenbank hat ihr Pulver verschossen. Schon jetzt verharrt die Arbeitslosenquote bei mehr als neun Prozent, und sie wäre noch viel höher, wenn nicht Millionen Amerikaner entmutigt die Suche nach einem neuen Job eingestellt hätten.

Am Donnerstag schürten Konjunkturdaten neue Ängste: Der Außenhandel schwächt sich ab. Wie das Arbeitsministerium meldete, gingen im Juni sowohl Einfuhren als auch Ausfuhren zurück, und das Defizit weitete sich aus: Die Amerikaner gaben für Importe 53 Milliarden Dollar mehr aus, als sie mit Exporten verdienten.

Das ist der höchste Fehlbetrag seit Oktober 2008, viel mehr, als von Experten erwartet und vor allem: ein Zeichen der Verunsicherung. Die Konsumenten halten ihr Geld zusammen, die Unternehmen produzieren weniger. Für die Vorsicht gibt es Gründe. Die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in die Rezession abgleitet, schätzen Ökonomen auf 30 bis 50 Prozent.

Allerdings gab es am Donnerstag auch gute Nachrichten: Die Erstanträge auf Arbeitslosengeld gehen zurück und das seit Monaten. Der Trend geht in die richtige Richtung, aber er ist zu schwach, um den Arbeitsmarkt aus der Krise zu ziehen. Derweil trudeln die Zinsen auf US-Staatsanleihen historischen Tiefstständen entgegen. Die meisten Experten sind sich einig: Washington sollte die günstigen Konditionen für ein Investitionsprogramm nutzen - trotz der hohen Staatsverschuldung.

Doch der Regierung sind die Hände gebunden. Zwar will Präsident Barack Obama die marode Infrastruktur sanieren, doch seine Wünsche verhallen in den leeren Fluren des Kongresses. Senatoren und Abgeordnete machen Sommerpause. Und selbst nach ihrer Rückkehr dürfte sich keine Mehrheit für Obamas Initiative finden.

Die Republikaner, die im vergangenen Herbst das Abgeordnetenhaus eroberten, haben das Land einem Spardiktat unterworfen. Sie befürchten griechische Verhältnisse. Ein gefährlicher Irrglaube, entgegnen Experten: Die Verschuldung werde erst in etwa fünfzehn Jahren zum akuten Problem, genug Zeit, um jetzt Konjunkturimpulse zu setzen und zugleich die mittelfristige Sanierung der Kranken- und Altersversicherung zu beschließen.

Der Finanzcrash steigert die Rezessionsgefahr noch weiter. Viele Amerikaner haben ihre Ersparnisse an den Börsen deponiert, gerade die Altersvorsorge steckt oft in Aktienfonds. Die Kursausschläge machen sich daher auch bei einfachen Bürgern bemerkbar. Fallen die Kurse, halten die Konsumenten sich noch mehr zurück.

Auch die Unternehmen, die seit zwei Jahren ihre Gewinne horten, finden einen weiteren Grund, Investitionen zu verschieben. Besonders groß ist die Sorge um die Banken, nicht so sehr wegen der heimischen Wachstumsschwäche, sondern aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen zu europäischen Instituten. Die Eurokrise droht sich zu einer transatlantischen Bankenkrise ausweiten.

Vom rasanten Verfall ihrer Aktien aufgeschreckt, erwägt die Bank of America offenbar, sich von ihrer milliardenschweren Beteiligung an der China Construction Bank zu trennen.

Selbst die wenigen Lichtblicke verlieren an Leuchtkraft. So müssen die Autokonzerne, die in der ersten Jahreshälfte gute Geschäfte meldeten, um ihre Absatzziele bangen. Dan Akerson, Chef von General Motors, sprach in einem Interview aus, was viele denken: "Es besteht die Gefahr einer neuen Rezession."

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SZ vom 12.08.2011/feko
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