Süddeutsche Zeitung

Streit um Zölle:Was erwartet Deutschlands Autobosse im Weißen Haus?

Lesezeit: 4 min

Topmanager von VW, Daimler und BMW sind am Dienstag zu Gesprächen mit der Trump-Regierung geladen. Die Frage ist, was der US-Präsident erreichen will.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel, Claus Hulverscheidt, New York, und Max Hägler, New York

So ganz genau wissen Herbert Diess, Dieter Zetsche und Nicolas Peter nicht einmal, wer da eigentlich vor ihnen stehen wird, wenn sich an diesem Dienstagnachmittag die Pforten des Weißen Hauses für sie öffnen. Wirtschaftsminister Wilbur Ross, Präsidentenberater Larry Kudlow, der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer - drei zweifellos wichtige Männer, die man aber auch mit weniger Aufwand andernorts hätte treffen können? Oder doch Donald Trump persönlich, dieser so schwierige Präsident, der seit Monaten Zölle auf alles und jedes verhängt und dem man als Topmanager eines exportabhängigen Konzerns lieber nicht absagen sollte?

Die Chefs von VW und Daimler, dazu der Finanzvorstand von BMW im Weißen Haus: Man könnte das als "Auto-Gipfel" bezeichnen. Oder aber als Reise ins Unbekannte, denn keiner kann so recht sagen, was dieses Treffen eigentlich soll. In Europa hat nur die EU-Kommission das Recht, mit anderen Staaten über die Einführung oder Streichung von Zöllen zu verhandeln - nicht die Bundesregierung, schon gar nicht ein einzelnes Unternehmen. Von einer "panikartigen Reaktion" der deutschen Autobosse ist daher in Brüssel die Rede: Diess, Zetsche und Peter hätten sich schlicht nicht getraut, Nein zu sagen.

Was aber sollen sie auch machen? Seit Monaten droht Trump damit, einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf Pkw-Lieferungen aus Europa einzuführen. Vor allem die deutschen Unternehmen sind dem Präsidenten ein Dorn im Auge, weil sie deutlich mehr Autos in die USA liefern als amerikanische Konkurrenten umgekehrt gen Bundesrepublik verschiffen. Das trägt maßgeblich zum immensen deutschen Exportüberschuss gegenüber den Vereinigten Staaten bei. Auch belastet die EU den Import amerikanischer Pkw mit zehn Prozent, während die USA umgekehrt nur 2,5 Prozent verlangen. Trump hatte deshalb schon einmal eine "Nulllösung" vorgeschlagen, dabei aber übersehen, dass die USA auf die Einfuhr der in Amerika besonders beliebten Pickup-Trucks - eine Art Geländewagen mit offener Ladefläche - satte 25 Prozent Zoll erheben. Eine Abschaffung sämtlicher Abgaben hätte somit auch diesen Spezialschutzwall für die US-Hersteller beseitigt.

Ob es sinnvoll ist, mit Trump und seinen Adlaten direkt zu sprechen, ist auch unter den deutschen Autobauern selbst durchaus umstritten. Es gibt Manager, die die jetzige Reise für kontraproduktiv halten und davor warnen, die EU-Kommission zu desavouieren. Beim recht reisefreudigen VW-Konzern heißt es dagegen: "Miteinander reden ist stets besser als übereinander." Es gehe ja - zumindest nach dem Verständnis der Automanager - nur um Diskussionen, nicht um Verhandlungen. Auch sei man in engem Kontakt mit der Bundesregierung und der Brüsseler Kommission.

Die unterschiedliche Herangehensweise hat auch damit zu tun, dass die Interessen der drei Firmen nicht identisch sind. BMW baut mittlerweile so viele Wagen in den Vereinigten Staaten, dass der Konzern zum größten Autoexporteur des Landes aufgestiegen ist - noch vor den US-Herstellern. Volkswagen betreibt zwar auch ein Werk, allerdings mit eher durchschnittlichem Produktionsvolumen. Zudem verbleiben alle in den USA gebauten Modelle in Amerika. Auch Daimler baut Autos im Land und ist zudem größter Lkw-Hersteller. So leiden die einen schon heute unter dem Handelskonflikt, den Trump etwa mit seinen Zöllen gegen China in Gang gesetzt hat, die anderen sind kaum betroffen.

Als Initiator des Treffens im Weißen Haus wird in der Industrie Richard Grenell angesehen, der US-Vertreter in Berlin, der mit seiner fordernd-unverschämten Art die Rolle eines Botschafters völlig neu definiert hat. In Berlin weiß man nicht so recht, ob sein brüskes Vorgehen auf Trumps Geheiß geschieht, oder ob Grenell Treffen wie den Auto-Gipfel auch deshalb arrangiert, um sich beim Präsidenten lieb Kind zu machen. "Der macht eine Riesenwelle", klagt ein Top-Manager, während andere es richtig finden, dass Grenell den "Treiber" gibt: "Wir schätzen das." Immerhin erhalte man so die Möglichkeit, die Leistungen der deutschen Industrie in den USA zu erklären.

Klar ist den Managern aber auch: Umsonst wird diese Reise nicht zu haben sein, wer ins Weiße Haus will, sollte etwas mitbringen. Das musste BMW-Chef Harald Krüger letzte Woche erfahren, als er sagte, man "überlege", ein Motorenwerk im Land zu bauen. "Autofirmen strömen in die USA, darunter BMW", triumphierte Trump umgehend im Kurzmitteilungsdienst Twitter, der Konzern habe "soeben den Bau einer großen neuen Fabrik angekündigt". Dass man in München schon seit zwei Jahren über das Projekt nachdenkt, fällt dabei ebenso weg wie der Umstand, dass ein Komponentenwerk eher keine "ganz große Fabrik" ist. Aber Trump sah sich wohl bestätigt, zumal am Tag darauf zu hören war, VW wolle weiter ein E-Auto-Werk in den USA bauen. Auch Daimler wird womöglich gemeinsam mit dem Zulieferer Magna den Bau eines neuen Werks ankündigen.

Trump möchte die Autobosse womöglich gegeneinander ausspielen

Was aber will Trump? Da die Manager keinerlei Prokura haben, mit seiner Regierung über Zölle oder andere wirtschaftspolitische Fragen zu verhandeln, kann es ihm eigentlich nur um den Versuch gehen, die Europäer gegeneinander auszuspielen. "Grenell will die deutsche Autoindustrie gegen die Kommission aufhetzen und so einen Keil in die laufenden Gespräche zwischen Brüssel und Washington treiben", sagt ein EU-Diplomat. Denkbar ist etwa, dass Trumps Adlaten erneut mit Zöllen auf den Import europäischer Pkw drohen werden, damit VW, Daimler und BMW ihrerseits in Berlin und Brüssel vorstellig werden und größere Zugeständnisse der EU an anderer Stelle einfordern - etwa beim Import amerikanischer Agrarprodukte.

Dass ein solches Manöver gelingt, ist allerdings kaum vorstellbar: Die Autokonzerne sind auf gute Beziehungen zur EU mindestens so angewiesen wie auf solche zur US-Politik. Dem Vernehmen nach wird EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am kommenden Freitag mit den deutschen Autobossen zusammenkommen.

Immerhin: Kurz vor ihrem Abflug erhielten Diess, Zetsche und Peter am Montag Rückendeckung von beinahe höchster Stelle: Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Manager reisten nicht nach Washington, um Handelsfragen zu debattieren, sondern als Vertreter von Firmen, die in den USA große Werke betrieben und Zehntausende Jobs sicherten. Sie hätten also allen Grund, "als amerikanische Arbeitgeber mit der amerikanischen Administration zu sprechen".

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Quelle:
SZ vom 04.12.2018
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