USA:Wettbewerb im Finstern

New Yorks U-Bahn-Linien sollen künftig um das Wohlwollen der Kunden konkurrieren - und damit besser werden.

Nikolaus Piper

Die Stadt New York hat eine der ältesten U-Bahnen der Welt. Und das merkt man. Die Subway der Acht-Millionen-Metropole ist ebenso berühmt wie laut, rumpelig und unzuverlässig. Zwar hat sich viel verbessert seit den siebziger Jahren, als es lebensgefährlich war, bestimmte Linien nach Büroschluss zu benutzen.

Die U-Bahn ist sicher, die Wagen sind besser in Schuss, es bleiben weniger Züge liegen. Trotzdem ist das wichtigste Verkehrsmittel der New Yorker ein ständiges Ärgernis: dreckige Bahnhöfe, kaum Rolltreppen, lange Wartezeiten im Stoßverkehr, "Scratchities" (verkratzte Fensterscheiben), die an Stelle der mittlerweile verschwundenen Graffities die Wagen verunstalten.

Zurück zu den Wurzeln

Jetzt will die Stadtverwaltung für Abhilfe sorgen, und zwar mit einem radikalen Schritt: Die 24 U-Bahn-Linien der Stadt sollen untereinander um das Wohlwollen ihrer Kunden konkurrieren. Zwar bleibt die Metropolitan Transportation Authority (MTA) weiter eine städtische Behörde, jede einzelne Linie jedoch bekommt ein eigenes Management. An diesem Montag wurden bei den Linien 7 und L bereits die neuen Chefs eingesetzt.

Mit der größten Umstrukturierung seit Jahrzehnten kehrt New Yorks U-Bahn in gewissem Sinne zu ihren Wurzeln zurück. Die erste Linie, die seit dem 27. Oktober 1904 den Süden Manhattans mit der Bronx verbindet, wurde anfangs von einem privaten Unternehmen betrieben. Jahrzehntelang gab es in der Stadt zwei, später sogar drei unabhängige U-Bahn-Systeme; erst 1940 wurden sie unter einem Dach vereinigt.

Diese Geschichte merkt man der Subway bis heute an: Der Netzaufbau ist unsystematisch, zuweilen hat ein und derselbe U-Bahn-Knoten unterschiedliche Namen, je nachdem, auf welcher Linie man sich ihm nähert. An einem Bahnhof in Manhattan kann man nur dann umsteigen, wenn man nach Süden fährt, nicht aber auf dem Weg nach Norden. Viele Linien haben ihren eigenen Charakter: Die 4 und 5 an der Ostseite Manhattans gelten als relativ gepflegt und zuverlässig, die G in Brooklyn dagegen ist berüchtigt für Dreck und Wartezeiten.

Die neuen Linienmanager haben jetzt weitreichende Vollmachten. Sie können über Personal entscheiden und sind verantwortlich dafür, wann und wo sie Reparaturtrupps einsetzen und wie oft geputzt wird. Ihre Aufgabe ist, dass sie schnell die am meisten beklagten Missstände beseitigen: Überfüllte Züge im Berufsverkehr, Dreck und unverständliche Durchsagen in den Zügen - entweder weil die Lautsprecher nicht funktionieren oder weil die Zugführer einen Akzent haben, der selbst gebürtigen New Yorkern fremd ist.

Die Umstrukturierung der U-Bahn mit ihren 27000 Angestellten ist ehrgeizig und gewagt. Vieles muss zentral gesteuert werden: Zugläufe, Signale und Investitionen. Und dann ist auch in New York der öffentliche Nahverkehr eine Spielwiese für Politiker. Gerade hat der Gouverneur des Staates, Eliot Spitzer, verhindert, dass der Preis für ein Einzelticket von derzeit zwei Dollar (1,35 Euro) auf 2,25 erhöht wird. Stattdessen steigt nun der Preis für die 30-Tage-Karte von 76 auf 81 Dollar. Die hat weniger Symbolwert, wird aber von fast einem Drittel der Fahrgäste genutzt. Bestraft werden also die Stammkunden. Die Linienmanager können dagegen nichts machen.

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