Süddeutsche Zeitung

Elon Musk:Zynismus pur

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Elon Musk lässt seine Twitter-Fans abstimmen, ob er Steuern zahlen soll oder nicht. Klingt lustig - ist es aber nicht: Statt beim Einkommen muss der Staat künftig beim Vermögen zulangen.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Im Grunde muss man Elon Musk fast dankbar sein für seinen jüngsten PR-Stunt, denn eindrucksvoller hätte er sein Weltbild kaum zur Schau stellen können: Nicht Regierungen und gewählte Abgeordnete sollen darüber entscheiden, ob der reichste Mann der Welt Steuern zahlt oder nicht, sondern, wenn überhaupt, seine Millionen Fans beim Kurzmitteilungsdienst Twitter. Demokratieverachtung gepaart mit Social-Media-Einfalt, das ist wahrlich Zynismus pur.

Um es gleich zu sagen: Niemand stellt Musks Lebensleistung infrage oder neidet ihm den Erfolg. Der einstige Physik- und Ökonomie-Student hat mit Space-X und Tesla zwei Firmen geschaffen, die ihre Branchen gehörig aufgerüttelt haben. Das gilt vor allem für den Elektroautobauer Tesla: Hätte Musk den Chefinnen und Chefs der etablierten Pkw-Hersteller nicht über die Jahre beständig in den Hintern getreten, wäre die Verkehrswende noch immer nicht mehr als ein Begriff.

Doch auch viele andere Menschen haben sich um das Allgemeinwohl verdient gemacht, ohne daraus die Forderung abzuleiten, vom Finanzamt bitteschön für alle Zeiten in Ruhe gelassen zu werden. Musks Mut hat ihm bisher ein Vermögen von fast 340 Milliarden Dollar beschert, da ist eine weitere Belohnung in Form von staatlicher Schonung kaum vonnöten. Oder anders gesagt: Wenn ausgerechnet der reichste Mann der Welt keinen einzigen Cent Steuern zahlt, während einfache Amerikaner Jahr für Jahr Tausende Dollar an den Staat überweisen, dann muss man kein Kommunist sein, um auf den Gedanken zu kommen, dass es hier vielleicht einen Fehler im System gibt.

Reiche, die Geld brauchen, leihen es sich bei der Bank

Theoretisch bemisst sich die Höhe der Steuerlast in den USA wie in Deutschland an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen. Grundlage ist dabei das Einkommen - und genau hier liegt das Problem: Menschen wie Musk haben nämlich oft gar kein klassisches Arbeitseinkommen. Brauchen sie Geld, gehen sie zur Bank und leihen es sich. Für die Bank ist das ein tolles Geschäft, denn angesichts des hohen Kundenvermögens muss sie sich keinerlei Sorge um die Tilgung machen. Der Kreditnehmer wiederum entrichtet zwar Zinsen, vermeidet aber zugleich jedwede Steuerzahlung.

Möglich ist die Trickserei, weil das Finanzamt erst in dem Moment Zugriff auf Musks ständig steigendes Aktienvermögen erhält, in dem der Tesla-Chef Papiere verkauft - sprich: Einkommen generiert. Das ist in Deutschland genauso. In den USA kommt aber noch ein zweiter, beinahe perverser Umstand hinzu: Ultrareiche können ihre Aktien sogar steuerfrei vererben, denn der Wertzuwachs des Depots wird mit jeder nächsten Generation erst einmal wieder neu auf null gestellt. Wer nur reich genug sei, hat jüngst ein Experte des Zentrums für Amerikanischen Fortschritt (CAP) gesagt, könne in den USA selbst entscheiden, ob er Steuern zahlt oder nicht. Die Erfahrung zeigt: Viele Ultra-Vermögende wählen Variante B.

Im Extremfall muss ein Milliardär auch mal ein Haus oder Auto verkaufen

In Washington wird deshalb jetzt diskutiert, ob Kursgewinne künftig am Ende jedes Jahres auch dann besteuert werden sollen, wenn die Papiere gar nicht verkauft werden, sondern im Depot verbleiben. Wäre das der Fall gewesen, hätte etwa Musk allein seit 2019 einen zweistelligen Milliardenbetrag abführen müssen. Der Ansatz ist sinnvoll, aber noch nicht breit genug: Richtiger wäre es, die Leistungsfähigkeit künftig statt am Einkommen am Vermögen des Einzelnen zu bemessen, denn selbstverständlich ist ein Mensch mit 30 000 Euro Verdienst und 100 Millionen Euro Vermögen wirtschaftlich potenter als einer mit gleichem Einkommen, aber keinerlei Rücklagen.

Viele werden nun einwenden, dass der Aufwand für die Erhebung jedweder Vermögensteuer vergleichsweise hoch sei. Das mag sein, kann angesichts der grotesken Ungerechtigkeit des jetzigen Rechts aber doch nicht im Ernst das entscheidende Argument sein. Und ja, im Extremfall könnte eine solche Reform auch dazu führen, dass ein Betroffener einmal Aktien, ein Haus oder den Viertwagen verkaufen muss, um die Steuer bezahlen zu können. Immerhin entschieden dann aber Gesetze und gewählte Volksvertreter darüber. Und nicht die Twitter-Jünger eines latent größenwahnsinnigen Unternehmers.

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