USA: Kreditkarten:Der nächste Stress

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Kaum haben die amerikanischen Banken den Test der Regierung überstanden, droht ihnen neuer Ärger: Präsident Obama will Kreditkarten deutlich strenger regeln.

Moritz Koch, New York

Auf die Statistik war Verlass. Gerade in schlechten Zeiten machten Datenreihen die Kalkulation der Kreditkarten-Ausfälle zum Kinderspiel. In wirtschaftlichen Schwächephasen lag in den USA die Quote der faulen Darlehen in der Regel knapp unter der Quote der Arbeitslosigkeit. Logisch: Wer seinen Job verliert, wird wahrscheinlich auch seine Kreditkartenschulden nicht mehr bedienen können.

Kreditkartenanbieter haben über Jahre gute Geschäfte gemacht, doch schon bald könnte die Blase platzen. (Foto: Foto: dpa)

Doch dieser enge Zusammenhang hält der heutigen Rezession nicht stand. Weil viele Amerikaner nicht nur die Angst umtreibt, ihre Arbeit zu verlieren, sondern auch die Sorge, ihr Haus räumen zu müssen, droht ein unkontrollierter Anstieg der Zahlungsausfälle. Das Kreditkartengeschäft ließ bei den Großbanken jahrelang die Gewinne sprudeln; nun könnte es den angeschlagenen Konzernen das Genick brechen. Zumal der Branche zusätzlicher Ärger droht, und zwar von oberster Stelle.

Präsident Barack Obama will die Amerikaner vor der vermeintlichen Willkür der Finanzindustrie schützen und damit ein Wahlversprechen einlösen. Er drängt den Kongress dazu, eine "Grundrechtscharta für Kreditkartenkunden" auf den Weg zu bringen. "Die Amerikaner wissen, dass sie die Verantwortung haben, ihre Schulden zu begleichen", sagte Obama in seiner letzten Radioansprache. "Aber sie haben auch das Recht, nicht durch plötzliche Zinssprünge, unfaire Strafen und versteckte Gebühren betrogen zu werden."

In Amerika sind die sogenannten echten Kreditkarten weit verbreitet. Anders als in Deutschland, wo die Ausgaben meist einfach vom Konto abgebucht werden, gewähren die Karten in den USA Kreditlinien, was viele Haushalte in die Schuldenfalle stürzt. Erst recht, weil die Kreditkarten-Unternehmen die Angewohnheit haben, Zinsforderungen rückwirkend zu erhöhen. Gerade in harten Zeiten verstünden sich Banken darauf, ihre Verluste durch steigende Forderungen auszugleichen und auf ihre Kunden abzuwälzen, klagt Washington.

Zum Rapport ins Weiße Haus

Damit soll Schluss sein, fordert Obama. Schon vor Wochen zitierte der Präsident die Chefs der Großbanken zum Rapport ins Weiße Haus. Die Herren gelobten Besserung, doch Obama will sich nicht mit Absichtserklärungen begnügen. Auch wenn die Notenbank Federal Reserve bereits eine Verschärfung der Spielregeln für die Kreditkarten-Unternehmen beschlossen hat, die von Juli 2010 an gelten soll, verstärkt Obama den Druck. Er will eine umfassendere Reform noch in diesem Jahr, am liebsten sofort. Im Mai soll das Grundrechte-Gesetz verabschiedet werden, fordert er. Das Abgeordnetenhaus hat dem neuen Regelwerk bereits mit großer Mehrheit zugestimmt, diese Woche folgt die Debatte im Senat. Die Lobby der Wall Street versucht mit aller Macht, das Gesetz zu verhindern. Im Senat hat sie traditionell mehr Einfluss als im Abgeordnetenhaus.

Dennoch sieht es so aus, als würden sich Obama und seine politischen Verbündeten durchsetzen. Die amerikanischen Kreditkarten-Unternehmen stellen sich auf das schlechteste Jahr in ihrer Geschichte ein. Mit den Neuregelungen entsteht für die Banken neuer Stress, die gerade erst mit Mühe und Verhandlungsgeschick die Stresstests der Regierung hinter sich gebracht haben. Insgesamt fehlen den Konzernen dem Finanzministerium zufolge etwa 75 Milliarden Dollar, um gegen eine lange Rezession gewappnet zu sein. Allein aus dem Kreditkartengeschäft drohen ihnen nach den Regierungsprojektionen bis 2010 zusätzliche Verluste von 82,4 Milliarden Dollar. Kritiker halten die Stresstests für zu nachsichtig und die Verlustprognosen für untertrieben.

Tatsächlich dürften die Ausfälle bei den Kreditkarten noch viel höher sein, glauben sie - 141,5 Milliarden Dollar nach Schätzungen der Beratungsfirma Oliver Wyman. Bisher war es die Hoffnung der Finanzkonzerne, mit neuen Gewinnen alte Verluste ausgleichen zu können. Das dürften die Schuldner-Grundrechte erschweren.

Massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit

Die US-Banken haben 2008 etwa 5,5 Prozent ihrer Kreditkartenschulden abgeschrieben, während die Arbeitslosenquote im Schnitt bei 5,8 Prozent lag. Doch seither ist die Arbeitslosigkeit rapide angestiegen, 8,9 Prozent betrug die Quote im April. Die Immobilienpreise sind derweil weiter gefallen, das Konsumentenvertrauen eingebrochen. Daher werde die Ausfallrate in diesem Jahr weit schneller steigen als die Arbeitslosigkeit, sagen Experten. Immer weniger Amerikaner könnten ihre Kreditkartenschulden begleichen, indem sie ihre Altersvorsorge anzapften oder eine Hypothek auf ihr Haus aufnähmen.

Sollte die Arbeitslosigkeit zehn Proozen überschreiten, droht den Unternehmen American Express und Capital One Financial ein Ausfall von 20 Prozent ihrer Kreditkarten-Darlehen 2009 und 2010, JP Morgan Chase, der Bank of America und der Citigroup sogar 23 Prozent. Der Regierung ist sich dessen bewusst. Doch ist Washington offenbar entschlossen, ein Zeichen zu setzen. Nach zahlreichen Rettungseinsätzen an der Wall Street sollen nun nicht mehr allein die Bürger die Lasten der Rezession tragen.

© SZ vom 12.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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