Süddeutsche Zeitung

Strafzölle:US-Verbraucher zahlen für "America First"

  • Wegen Trumps Zollpolitik mussten US-Verbraucher zuletzt knapp 1,5 Milliarden Dollar mehr für Waschmaschinen und Trockner ausgeben.
  • Ziel der Zölle ist es eigentlich, Hersteller wie Samsung oder LG dazu zu bewegen, neue Arbeitsplätze in den USA zu schaffen.
  • Rein rechnerisch kostete jeder dieser 1800 neuen Jobs fast 820 000 Dollar - deutlich mehr als bei vielen anderen Arbeitsbeschaffungsprogrammen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Man kann die Zahlen so oder so interpretieren, je nachdem, ob man diesem sonderbaren Präsidenten nun zugeneigt ist oder nicht. Wohlmeinende werden auf die Zahl der Arbeitsplätze verweisen, die Donald Trump geschaffen hat - indem er Zölle auf im Ausland gefertigte Waschmaschinen verhängte. Kritiker dagegen dürften eher auf die Kosten für die amerikanischen Verbraucher abstellen, die jeden dieser neuen Jobs rein rechnerisch mit einer beinahe siebenstelligen Summe subventionieren müssen. So oder so: Die jüngsten Zahlen aus der Elektrogroßgeräte-Branche zeigen erstmals an einem konkreten Beispiel auf, welche Auswirkungen Trumps Zollpolitik auf die Beschäftigung und die Kundschaft im eigenen Land hat - gewollte wie ungewollte.

Seit Ende Januar 2018 werden Waschmaschinen bei der Einfuhr in die USA generell mit einer Sonderabgabe von 20 Prozent belegt. Sobald die Zahl die Marke von 1,2 Millionen importierter Geräte übertrifft, steigt der Satz auf 50 Prozent, was im Herbst 2018 auch geschah. Mit dem Beschluss - laut Trump eine Reaktion auf die "schweren Schäden", die ausländische Billiganbieter der US-Industrie in den vergangenen Jahren zugefügt hätten - will die Regierung in Washington erreichen, dass Hersteller wie die koreanischen Großkonzerne Samsung und LG ihre Waschautomaten für den amerikanischen Markt künftig in den USA anstatt in Fernost bauen.

Die Behauptung, sein Land werde im Welthandel unfair behandelt, ist seit jeher einer der Eckpfeiler der Trump'schen Wirtschaftspolitik. Als Beleg dienen dem Präsidenten Staaten wie Korea und Deutschland, die viel mehr Waren in die USA verkaufen, als sie von dort importieren. Ökonomen halten diese Rechnung für Unsinn, bei vielen Wählern, auch bei Anhängern der oppositionellen Demokraten, kommt das Bekenntnis zur heimischen Wirtschaft dagegen sehr gut an. Trump hat deshalb zahlreiche Importe, insbesondere aus China, aber auch aus Europa und anderen Weltregionen, mit Strafzöllen belegt.

Wie Ökonomen der Universität Chicago und der US-Notenbank Fed jetzt herausgefunden haben, ging die Rechnung des Präsidenten im Fall der Waschmaschinen zumindest teilweise auf: Samsung und LG verlagerten tatsächlich einen Teil der Produktion in die Vereinigten Staaten und schufen in South Carolina und Tennessee insgesamt 1600 neue Jobs. Der US-Rivale Whirlpool, auf dessen Beschwerden die Zölle zurückgehen, stellte in einem Werk in Ohio zusätzlich 200 Menschen ein. Insgesamt entstanden also 1800 Arbeitsplätze.

Anders als von Trump behauptet, sind es allerdings nicht die ausländischen Unternehmen, die die Zeche zahlen, sondern in erster Linie die US-Verbraucher. Waschmaschinen wurden nämlich der Studie zufolge zwischen Anfang Februar 2018 und Ende Januar 2019 im Schnitt um knapp zwölf Prozent teurer - und zwar durch die Bank. Das heißt, dass nicht nur Importgeräte heute deutlich mehr kosten als noch vor gut einem Jahr, vielmehr hob auch Whirlpool die Preise kräftig an. Das wirft die Frage auf, ob es dem US-Konzern tatsächlich um Schutz vor Billigkonkurrenten oder nicht vielleicht eher darum ging, die eigenen Geräte teurer verkaufen zu können.

Auch Wäschetrockner sind teurer geworden

Laut Untersuchung stiegen jedoch nicht nur die Preise für Waschmaschinen, sondern auch jene für Wäschetrockner - und das obwohl letztere gar nicht mit Einfuhrzöllen belegt wurden. Die Autoren der Studie vermuten, dass die Hersteller die günstige Gelegenheit nutzten, ein zweites Gerät gleich mit zu verteuern. Viele Kunden nämlich kaufen Wasch- und Trockenautomat gewissermaßen im Paket, durch das Splitting der Preiserhöhungen ließen sich die Zusatzkosten für die Kunden mit rund 90 Dollar pro Gerät besser verschleiern.

Insgesamt mussten die US-Verbraucher damit seit Einführung der Zölle knapp 1,5 Milliarden Dollar mehr für Waschmaschinen und Trockner ausgeben als zuvor. Rein rechnerisch kostete also jeder der 1800 neuen Jobs fast 820 000 Dollar - deutlich mehr als bei vielen anderen staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen. Die Regierung nahm durch die Zölle im ersten Jahr zusätzlich 82 Millionen Dollar ein.

Der Waschmaschinen-Fall lässt sich vermutlich nur bedingt auf die vielen anderen Branchen und Weltregionen übertragen, die Trump schon mit Strafzöllen belegt hat oder noch belegen will. Das Beispiel zeigt jedoch, dass Importabgaben neben den erhofften auch viele überraschende Folgewirkungen haben können. Zudem bestätigte sich der Vorwurf, dass die Kosten größtenteils bei den Kunden hängen bleiben.

Allerdings gehört es auch zur Wahrheit, dass es nicht Trump war, der erstmals auf die Idee kam, Whirlpool unter die Arme zu greifen: Schon sein Vorgänger Barack Obama belegte 2012 Waschmaschinen-Importe aus Südkorea und Mexiko mit einer Abgabe, was Samsung und LG dazu veranlasste, die Produktion nach China zu verlagern. Wegen der niedrigeren Lohnkosten in der Volksrepublik wurden die Geräte für die US-Kunden dadurch vorübergehend sogar billiger. Da es ihm jedoch vor allem um Arbeitsplätze ging, reagierte Obama dennoch und weitete die Zölle auf China aus. Doch auch Samsung und LG blieben nicht untätig: Sie verlagerten Teile ihrer Produktion einfach nach Thailand und Vietnam.

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SZ vom 24.04.2019/vit
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