Wechselkurs:US-Politiker planen eine Revolution des globalen Finanzsystems
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Von Claus Hulverscheidt, New York
Beifall kann man es wahrscheinlich nicht nennen, was Donald Trump da zu Wochenbeginn aus der Opposition entgegenschallte - dafür ist das Verhältnis zwischen dem US-Präsidenten und den Demokraten wohl zu vergiftet. Ein zustimmendes Murmeln aber war sehr wohl zu vernehmen, als Trump den Handelsrivalen China am Montag der "Währungsmanipulation" bezichtigte und ihm vorwarf, die USA mit künstlich verbilligten Exporten zu überschwemmen. Wenn es überhaupt Kritik gab, dann die, dass der Präsident erst jetzt damit beginne, gegen Währungspfuscher in aller Welt vorzugehen.
Der parteiübergreifende Ärger der Amerikaner ist verständlich, denn viele Handelspartner nutzen tatsächlich auch die Wechselkurspolitik, um die Absatzchancen ihrer Produkte in den USA zu erhöhen. So zielte etwa die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren nicht zuletzt darauf ab, den Kurs des Euro möglichst niedrig zu halten. Das gelang: Seit Anfang 2015 notiert die Gemeinschaftswährung ebenso beständig wie deutlich unter dem Durchschnitt der vorherigen zehn Jahre. Auch China manipulierte den Yuan lange Zeit - zuletzt allerdings ironischerweise mit dem Ziel, eine zu starke Abwertung zu verhindern und damit dem Zorn Washingtons zu entgehen.
Viele US-Politiker, vor allem auch Demokraten, wollen es nun nicht länger bei Kritik und offiziellen Beschwerden belassen, sondern selbst in das Rennen um immer niedrigere Wechselkurse einsteigen. Zwar kann ein solches Rennen schon rein denklogisch niemand gewinnen, denn im Verhältnis zweier Währungen können ja nicht beide gleichzeitig an Wert verlieren. Angesichts ihrer finanziellen Stärke wären die Vereinigten Staaten aber immer im Vorteil.
Sollten die USA tatsächlich zurückschlagen und den Dollar künftig durch gezielte Verkäufe willkürlich schwächen, käme das einer Revolution gleich, deren Auswirkungen bis in den letzten Winkel des Erdballs zu spüren wären. Seit fast 50 Jahren ist der Dollar die unumstrittene Leitwährung der Welt und der Eckpfeiler des globalen Finanzsystems. Regierungen in Asien, Afrika und Lateinamerika haben ihre eigenen Währungen an die US-amerikanische gekoppelt, um ihre Länder vor allzu großen Devisenschwankungen zu schützen. Mit dem Dollar untermauerten die Vereinigten Staaten nicht nur ihre politische Vormachtstellung in der Welt, sie exportierten vielmehr auch wirtschaftliche Stabilität. Zugleich profitierten sie selbst von der Macht des Dollars: Sie schützt vor Inflation, erspart der heimischen Wirtschaft Wechselkursrisiken etwa beim Kauf von Öl und erlaubt es der Regierung in Washington, sich praktisch unbegrenzt zu verschulden.
Alle US-Präsidenten der jüngeren Vergangenheit - egal welcher Partei sie angehörten - bekannten sich deshalb zu dem Mantra, dass "ein starker Dollar im Interesse der USA" sei. Doch der Konsens bröckelt - bei den Demokraten sogar noch mehr als bei den Republikanern. Elizabeth Warren etwa, demokratische Präsidentschaftsbewerberin aus Massachusetts, hat angekündigt, dass sie im Falle eines Wahlsiegs den Wechselkurs des Dollars "aktiv managen" lassen würde - was nichts anderes hieße, als dass die Notenbank Fed und das Finanzministerium fortan gehalten wären, die Landeswährung durch regelmäßige Verkäufe nachhaltig zu schwächen. "Wenn wir auf den Märkten aggressiv intervenieren können, um die Interessen der Wohlhabenden und jener mit guten Verbindungen zu schützen, wie wir das mit Rettungspaketen und Subventionen jahrzehntelang getan haben, dann können wir all die zur Verfügung stehenden Instrumente doch auch verdammt gut dazu nutzen, die Interessen der amerikanischen Arbeitnehmer zu schützen", so die Senatorin in ihrem Anfang Juni vorgelegten Programm.
Die Pläne zeigen, wie sehr sich die Stimmung in der US-Politik verändert hat
Noch weiter gehen wollen Warrens Senatorenkollegen Tammy Baldwin und Josh Hawley. Sie haben einen parteiübergreifenden Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die Fed verpflichten würde, das Defizit in der US-Leistungsbilanz, die breiteste Gegenüberstellung aller Waren-, Dienstleistungs- und Vermögensgeschäfte mit dem Ausland, binnen fünf Jahren zu beseitigen. Geschehen soll das über eine "Marktzugangsabgabe", die der Republikaner Hawley und die Demokratin Baldwin allen ausländischen Finanzhäusern, Firmen, Bürgern und Staaten in Rechnung stellen wollen, die in den USA Aktien, Anleihen, Immobilien und andere Vermögenswerte erwerben. Die Idee: Werden Kapitalanlagen teurer, gehen nicht nur die Wertpapierkäufe zurück, vielmehr sinkt auch die Nachfrage nach Dollars, die für den Erwerb dieser Papiere benötigt werden. Im Ergebnis verlöre die US-Währung dauerhaft an Wert.
Ob der Vorschlag je Gesetz wird, ist völlig ungewiss. Er zeigt aber, wie sehr sich die Stimmung in der US-Politik verändert hat und warum die großen Finanzinstitute an der Wall Street zunehmend alarmiert sind. Für sie sind Wertpapierkäufe ausländischer Kunden, die sich allein 2018 auf mehr als 20 Billionen Dollar summierten, ein glänzendes Geschäft. Dagegen werfen Baldwin und Hawley den Finanzinvestoren vor, den Dollar-Kurs künstlich hoch zu halten. Damit verteuerten sie US-Exporte und seien für den Verlust Millionen amerikanischer Arbeitsplätze verantwortlich.