Huawei angeklagt:Die Technologiebranche ist nur das erste Schlachtfeld

Demonstration für Freilassung von Huawei-Finanzchefin

Viele Chinesen sehen die Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou als Opfer einer amerikanischen Kampagne gegen ihr Unternehmen.

(Foto: Liau Chung-Ren/dpa)
  • Das US-Justizministerium hat in 13 Punkten Anklage gegen Huawei erhoben - und zwar unmittelbar vor den Gesprächen über eine Beendigung des Handelsstreits.
  • Huawei soll die Sanktionen gegen Iran unterlaufen haben. Es geht auch um Geldwäsche in großem Stil, Betrug und andere Delikte.
  • Einige US-Politiker sind nun in Sorge, dass China groß auftrumpft.

Von Christoph Giesen, Peking, und Georg Mascolo

Vor ein paar Tagen noch, da strotzten sie bei Huawei nur so vor Selbstbewusstsein. Der sonst so verschwiegene chinesische Telekommunikations-Konzern hatte zur Pressekonferenz in einem Vorort von Peking geladen: "Wir haben die beste Cybersicherheit, den besten Datenschutz", rief Vorstandsmitglied Richard Yu und schob aufgekratzt nach: "Wir sind die Besten!" Widerspruch? Ach, zwecklos. "Wir haben die beste Reputation", belehrte Yu die Journalisten. "Unsere Kunden haben volles Vertrauen." Huawei sei nicht aufzuhalten. Das war am Donnerstag. Und nun? Huawei hat wieder einmal juristischen Ärger in den Vereinigten Staaten. Und diesmal kommt es knüppeldick.

Unmittelbar vor den neuen Verhandlungen über die Beendigung des Handelsstreits zwischen den USA und China hat das amerikanische Justizministerium Anklage gegen den chinesischen Konzern erhoben und die Auslieferung von Meng Wanzhou, der in Kanada festgehaltenen Finanzchefin und Tochter des Gründers, beantragt. Meng war am 1. Dezember in Vancouver festgenommen und später gegen Kaution freigelassen worden. Ein Bundesgericht in New York hatte den Haftbefehl erlassen, weil Huawei systematisch gegen Iran-Sanktionen verstoßen haben soll. Seitdem ist zwischen Peking und Washington nichts mehr, wie es einmal war.

Und zwischen Peking und Ottawa erst recht nicht: Bereits wenige Tage nach Mengs Festnahme wurden in China zwei Kanadier inhaftiert. Michael Kovrig, ein ehemaliger Diplomat, der heute als Politikberater tätig ist, sowie Michael Spavor, ein Geschäftsmann, der Reisen nach Nordkorea organisiert hat. China wirft ihnen Aktivitäten vor, die "die nationale Sicherheit gefährden". Im Januar geriet ein dritter Kanadier in den Fokus. Er war wegen angeblichen Drogenschmuggels zu 15 Jahren Haft verurteilt. Ein Berufungsgericht wandelte nun die Freiheits- in die Todesstrafe um.

Davon ungerührt haben jetzt die US-Behörden in New York ihre Vorwürfe präzisiert: Insgesamt handelt es sich um 13 Anklagepunkte. Huawei soll nicht nur die Sanktionen gegen Iran unterlaufen haben. Es geht auch um Geldwäsche in großem Stil, Betrug und andere Delikte. Zudem soll sich Huawei Betriebsgeheimnisse von T-Mobile zu einem Testroboter für Mobiltelefone illegal angeeignet haben.

Im Zentrum der amerikanischen Vorwürfe steht jedoch die Tätigkeit der mutmaßlichen Huawei-Tochter Skycom. In Iran soll das Unternehmen Geschäfte gemacht haben mit Anlagen, in denen auch amerikanische Produkte verbaut gewesen sind - ein Sanktionsverstoß und eine Straftat in den USA. Der Konzern bestreitet Verbindungen zu Skycom. Die Führung in Peking spricht von politischen Motiven. Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters legen jedoch nahe, dass Skycom und Huawei eng miteinander verbunden gewesen sind. Handelsregisterauszüge aus Iran und Syrien zeigen, dass mindestens ein hochrangiger Huawei-Mitarbeiter zum Iran-Manager von Skycom ernannt worden ist. Zudem haben den Dokumenten zufolge mindestens drei Personen mit chinesischen Namen Prokura für Bankkonten sowohl von Huawei als auch Skycom. US-Handelsminister Wilbur Ross beteuert, dass die Verwürfe in keinem Zusammenhang mit den bevorstehenden Verhandlungen zwischen China und den USA über den Handelskonflikt stünden.

Hört man in diesen Tagen amerikanischen Politikern zu, dann geht es allerdings immer um China. Um die Sorge, dass das Land sich unter Präsident Xi Jinping nicht mehr kleinmacht, sondern groß auftrumpft, den Vereinigten Staaten die Stellung in der Welt streitig machen will, und dass man dies, leider, viel zu lange ignoriert habe. Abgelenkt von Russland und dem Kampf gegen den Terrorismus. Nun strafft sich die Supermacht, mobilisiert ihre Kräfte für eine Auseinandersetzung mit einem Land, das der frühere US-Verteidigungsminister Robert Gates intern einmal "die Sowjetunion unserer Tage" genannt haben soll. Manche in Washington sehen einen neuen Kalten Krieg heraufziehen.

Aus gegenseitiger Abhängigkeit wird Konkurrenz

Die Technologiebranche ist nun das Feld, auf dem die erste Schlacht ausgetragen wird. Beide Nationen ringen um die Vorherrschaft im Internet. Lange ging das erstaunlich gut, die Amerikaner erdachten die Technik, etwa für die Smartphones, in China wurden sie zusammengeschraubt, mit amerikanischen Chips. Das für beide Seiten gute Geschäft schien eine Auseinandersetzung zu verhindern, die gegenseitige Abhängigkeit war und ist der entscheidende Unterschied zum Kalten Krieg alter Tage.

Aber China ist nicht mehr nur die Werkbank Amerikas. Die Chinesen stellen jetzt selbst Waren auf Weltniveau her. Und zuerst ist ihnen dies ausgerechnet in einem Bereich gelungen, der zum Konflikt führen musste: der Technologiebranche. Nun ist die Auseinandersetzung da, befeuert durch die Angst der USA, am Ende womöglich gar ins Hintertreffen zu geraten. "Wir verlieren", stand in einem Dossier des Nationalen Sicherheitsrates, in dem es um 5 G geht, den neuen Mobilfunkstandard. Selbstfahrende Autos werden darüber kommunizieren oder auch Maschinen in der Produktion. Es ist eine große Chance - und eine gewaltige Gefahr. Verglichen mit dem, was sich künftig an Daten abschöpfen ließe, sind die aktuellen Möglichkeiten Kleinkram.

Berlin ist in der Bredouille

Eine Gruppe Abgeordneter in den USA hat deshalb gerade ein Gesetz eingebracht, das den Export von Chips an Huawei und ZTE, ein zweites chinesisches Telekommunikations-Unternehmen, verbieten würde. 5 G, das mobile Internet der Zukunft, ist nun das erste Feld der Auseinandersetzung. Wie diese begann, haben Journalisten der Australian Financial Review recherchiert. Es war in Kanada, im Juli 2017. Die Geheimdienstchefs der mächtigsten Abhör-Allianz der Welt, der sogenannten Five Eyes, hatten sich nach ihren offiziellen Beratungen in ein Resort in Nova Scotia zurückgezogen. Premierminister Justin Trudeau kam auf einen Drink vorbei, zum Abendessen gab es Hummer. Dann wurde die Frage diskutiert, die schon so oft zuvor gestellt wurde: Wie gefährlich ist es, wenn die Technologie für den revolutionären Ausbau des Internets ausgerechnet aus China kommt?

Ein förmlicher Beschluss ist bis heute nicht bekannt geworden, aber die Ergebnisse sind nun weltweit sichtbar. Statements, Interviews, Warnungen, die USA wurden auch in Deutschland und Japan vorstellig mit dem dringenden Ersuchen, auf Made in China zu verzichten.

Berlin bringt das in die Bredouille. Die Amerikaner sind trotz Trump ein Freund und außerdem mit ihren Soldaten und den Geheimdiensten für die äußere und innere Sicherheit unverzichtbar. In China wird das Geld verdient. Was tun? Erste Überlegungen gehen dahin, zumindest zentrale Bauteile des 5 G-Netzes ohne chinesische Beteiligung zu bauen. Besonders sensible Komponenten also. Ähnliches wird offenbar in Großbritannien überlegt, wo Huawei wie in Deutschland bereits einen erheblichen Marktanteil hat. Denn überall in Europa verweist die Telekommunikationsbranche darauf, dass es ohne chinesische Technik gar nicht gehen könne. Die bisher errichteten Funkmasten - bei der Deutschen Telekom stammen mehr als die Hälfte von den Chinesen - werden auch für 5 G benötigt. Man muss nur weitere dazubauen.

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