Handelsstreit zwischen USA und China:Hongkong wird zum Spielball

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Bald abgeriegelt vom Rest der Welt? Hongkong zählt zu den wichtigsten und beliebtesten Finanzplätzen der Welt, auch weil die Kronkolonie - noch - einen Sonderstatus innerhalb Chinas genießt. (Foto: Isaac Lawrence/AFP)

Ein Aufheben des Sonderstatus der Stadt könnte verheerend Folgen haben - sowohl für die Volksrepublik, als auch die weltweite Finanzwirtschaft.

Von Christoph Giesen, Peking

Die Zahlen sind schlecht, klar, die Corona-Krise fordert ihren Tribut. Chinas Außenhandel ist im Mai um 9,3 Prozent eingebrochen. Besonders besorgniserregend: Die Einfuhren aus den USA gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,6 Prozent zurück. Dabei sollten die Importe doch steigen und zwar drastisch. Ende 2019 hatten sich China und die USA auf eine Art vorläufigen Waffenstillstand im Handelskrieg geeinigt. "Phase eins", nannten die Verhandlungsführer ihr Ergebnis damals. Mitte Januar, nur wenige Tage vor der Abriegelung Wuhans flog Chinas Vizepremierminister Liu He noch einmal nach Washington: formale Unterschrift, Fototermin mit US-Präsident Donald Trump und die Hoffnung auf wenigstens ein bisschen Entspannung in diesem ruinösen Wettstreit.

Die USA verzichteten auf neue Zölle für Konsumgüter im Wert von 150 Milliarden Dollar. Und China verpflichtete sich im Gegenzug, die Importe aus den USA über zwei Jahre um 200 Milliarden Dollar zu erhöhen; davon fast 40 Milliarden Dollar für amerikanische Agrarprodukte. Vor allem Schweinefleisch und Sojabohnen von US-Landwirten, Trumps Kernwählerschaft. Und nun? Die chinesischen Behörden haben in den vergangenen Tagen Staatskonzernen einen Importstopp für amerikanische Sojabohnen verordnet. Und wie die Pekinger Statistik zeigt, sind auch fast alle anderen Güter nicht stärker gefragt als vorher. Die ohnehin schlechten amerikanischen-chinesischen Beziehungen haben sich noch einmal merklich abgekühlt.

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Besonders deutlich ist das dieser Tage in Hongkong, der neuen Frontstadt dieses Konflikts zu beobachten: Nachdem der Nationale Volkskongress in Peking Ende Mai ein neues Sicherheitsgesetz für die ehemalige Kronkolonie gebilligt hat, kündigte Trump an, den ökonomischen Sonderstatus Hongkongs zu beenden, Washington werde - sobald das umstrittene Gesetz in Kraft tritt - die chinesische Sonderverwaltungszone als einen Teil der Volksrepublik betrachten. Die amerikanischen Strafzölle würden dann auch in Hongkong gelten, vor allem aber könnte es den Bankenstandort und Handelsplatz empfindlich treffen.

Kein Handelsplatz der Welt boomte zuletzt so wie die Stadt zwischen den Systemen

In Hongkong ist die mit Abstand wichtigste Börse der Region beheimatet. Neun der zehn wertvollsten Unternehmen Chinas sind in Hongkong gelistet, der Internetkonzern Tencent, genauso wie Ping An, das weltweit wertvollste Versicherungsunternehmen. 73 Prozent der in Hongkong gehandelten Aktien gehören zu Unternehmen, die ihr Geschäft maßgeblich in der Volksrepublik betreiben.

Hongkong ist die Börse Chinas und dennoch frei - das funktioniert vor allem aufgrund des amerikanischen Hong Kong Policy Act von 1992, den Washington nun aufkündigen könnte. Er besagt, dass die Metropole als eigenständige Zollzone zu betrachten sei, Firmen aus Hongkong werden von den US-Regulierungsbehörden ähnlich wie amerikanische Unternehmen behandelt, zudem hat die Wertpapieraufsichtsbehörde der Wall Street eine Durchsetzungsvereinbarung mit Hongkong geschlossen, für die beiden Börsen in der Volksrepublik, in Shanghai und Shenzhen, undenkbar. All das könnte bald widerrufen werden.

Wie gravierend die Folgen sein werden, ist noch nicht absehbar. Die ersten Auswirkungen sind aber sichtbar: Die Großbanken HSBC und Standard Chartered haben bekanntgegeben, die Einführung des Sicherheitsgesetzes zu unterstützen. Beide Institute haben zwar ihren Sitz in London, machen den Großteil des Geschäfts aber in Asien. 2019 verbuchte HSBC 90 Prozent des Vorsteuergewinns in Hongkong. Bei Standard Chartered waren es 41 Prozent. Die beiden Geldhäuser sahen sich offenbar wie andere Konzerne massivem politischen Druck aus China ausgesetzt, sich hinter die Pläne der Führung aus Peking zu stellen.

Untergebracht ist die Hongkonger Börse in einer der geschäftigsten Malls der Stadt. Und dennoch ist sie fast eine Oase der Ruhe in dieser sonst so trubeligen Metropole. Seit Ende 2017 ist nämlich der Handelsraum geschlossen. Man läuft über Teppiche, an den Wänden hängen alte Aufnahmen aus einer Zeit, als hier noch richtig was los war. 1100 Händler drängten sich hier einst lauthals schreiend, die Telefonhörer an die Ohren gepresst. 1993 dann der erste chinesische Börsengang: die Brauerei Qingdao, natürlich gab es Freibier. Immerhin der alte Gong ist noch da - gegossen aus Bronze, wird er stets geschlagen, wenn ein Unternehmen an die Börse geht.

Und das passiert noch sehr regelmäßig: Kein Handelsplatz der Welt boomte zuletzt so sehr wie Hongkong, trotz der vielen Demonstrationen im vergangenen Jahr. Mit einem Volumen von 11,3 Milliarden Dollar fand sogar der größte Börsengang des Jahres Ende 2019 in Hongkong statt: die Zweitnotierung des chinesischen Onlinegroßhändlers Alibaba. Erst New York, jetzt auch Hongkong. Gehandelt wird die Aktie unter der Wertpapierkennnummer: "9988". Diese Zahlenfolge reimt sich auf Chinesisch auf "Wohlstand für immer". Für Anleger aus Fernost mit Hang zum Aberglauben ist das nicht die allerschlechteste Kombination, zumal das Co-Listing in Hongkong von vielen Analysten damals als Absicherung verstanden wurde, falls die Papiere in New York im Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China in Mitleidenschaft gezogen werden - beinahe prophetisch.

Denn: Die US-Regierung dringt seit vergangener Woche auf weltweit striktere Börsenvorschriften für chinesische Firmen. Alle Handelsplätze rund um die Welt sollten ihre Regeln verschärfen, forderte US-Außenminister Mike Pompeo. Der Handelsstreit zwischen Peking und Washington ist wieder in vollem Gang.

© SZ vom 09.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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