Strafzölle auf chinesische Produkte:Biden verprellt die Umweltschützer

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US-Präsident Joe Biden kündigt am Dienstag die neuen Strafzölle für chinesische Produkte an. (Foto: Mandel Ngan/AFP)

Der US-Präsident schottet sich gegen China ab. Doch eine kleine Minderheit verteidigt den Freihandel - vor allem wegen der Klimapolitik.

Von Fabian Fellmann, Washington

Besonders laut sind sie zurzeit nicht, die Verteidiger des Freihandels in den Vereinigten Staaten. Im Präsidentschaftswahlkampf überbieten sich Amtsinhaber Joe Biden und sein Herausforderer Donald Trump gerade mit Strafzöllen für chinesische Produkte. America First ist längst nicht mehr nur der nationalistische Schlachtruf rechter Populisten, sondern politischer Konsens über die Parteigrenzen hinweg.

America First ist auch Basis des wirtschaftspolitischen Programms der Biden-Regierung, einmal mehr sichtbar geworden am Dienstag: Der US-Präsident teilte mit, Importabgaben auf die allermeisten chinesischen Waren aufrechtzuerhalten, die sein Vorgänger eingeführt hatte. Auf strategisch bedeutsame Produkte wie Elektrofahrzeuge, Hochleistungsbatterien und Stahl hat Biden die Zölle deutlich erhöht, auf weitere Produkte wie medizinische Gesichtsmasken und Spritzen führte er sogar neue Zölle ein.

Die Republikaner hätten gern noch höhere Strafzölle

Von den Republikanern, traditionell die Partei der Wirtschaft, wurde Biden gescholten. Allerdings nicht etwa, weil er Hürden für den Freihandel hochzieht - sondern weil sie nicht hoch genug seien. "Fake Zölle" seien das, schimpfte Senator Marco Rubio aus Florida, derzeit hoch im Kurs als möglicher Vizepräsidentskandidat an der Seite Donald Trumps. "China versucht die amerikanische Autoindustrie auszulöschen, und Biden unternimmt einen Dreck dagegen", schrieb Rubio auf dem sozialen Netzwerk X. Er hätte sich demnach auch Abgaben auf benzinbetriebene Autos und Lastwagen aus chinesischer Fabrikation gewünscht.

Die Andersdenkenden existieren indes durchaus noch. Einer der wenigen, der sich am Dienstag laut äußerte, war ausgerechnet ein Demokrat, noch dazu einer, der immer wieder als möglicher Präsidentschaftsanwärter gehandelt wird, wenn Bidens Amtszeit einmal zu Ende gehen wird. "Das sind fürchterliche Nachrichten für amerikanische Konsumenten und ein wesentlicher Rückschlag für saubere Energie", kommentierte Colorados Gouverneur Jared Polis die Ankündigung von Biden. "Zölle sind eine direkte, regressive Steuer für Amerikaner, und diese Steuererhöhung wird jede Familie treffen."

Polis hat vor seiner politischen Karriere diverse Internetunternehmen gegründet und mit deren Verkäufen mehrere Hundert Millionen Dollar an Vermögen angehäuft. Seinen Kommentar begründete er mit seinen Klimaschutzvorhaben in Colorado. Polis will den sonnenreichen Staat in den Rocky Mountains bis 2040 komplett mit erneuerbaren Energien versorgen. Diese Klimaschutzziele sieht Polis in Frage gestellt, weil Solarpanels aus amerikanischer Herstellung teurer sind als chinesische, sofern sie überhaupt verfügbar sind. Es sei richtig, dass Biden versuche, eine einheimische Lieferkette für Solarenergie aufzubauen. "Aber Zölle sind nicht die Antwort", schrieb Polis in einer Eingabe an die Handelsbeauftragte Bidens. Es werde mehrere Jahre dauern, um die Produktionskapazitäten in den USA aufzubauen. In der Zwischenzeit würden Zölle lediglich Unsicherheit schaffen und die Kosten für Konsumenten erhöhen. Die Einschätzung teilen viele Klimaschützer nicht. Die Umweltorganisation Sierra Club sprach wie viele andere Biden ihren Rückhalt aus: Die Abhängigkeit von fremdem Öl lasse sich nicht ersetzen durch eine Abhängigkeit von chinesischer Solartechnologie.

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Kritik übt indes auch Dani Rodrik, Professor für internationale politische Ökonomie an der Harvard Kennedy School. Er unterstützt die Bemühungen des Präsidenten, die amerikanische Produktion erneuerbarer Energien anzukurbeln. Das seien handelspolitische Instrumente, die nötig seien, um die Folgen des Klimawandels abzufedern, argumentierte er in einem Beitrag für Project Syndicate. Hingegen seien Abgaben auf ausländische Produkte abzulehnen, weil sie zu viele schädliche Nebenwirkungen zeigten.

Biden heize mit seiner Handelspolitik die Inflation zusätzlich an, wirft ihm die Interessenvertretung des Einzelhandels, die National Retail Federation, vor. Höhere Preise befürchtet auch der US-China Business Council. Letztlich werde es für amerikanische Unternehmen deswegen schwieriger, auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig zu bleiben. Die Lobbyvereinigung versucht nun, Ausnahmebewilligungen für Zollbefreiungen für einzelne Produktkategorien zu erhalten, eine Möglichkeit, die Bidens Handelsbeauftragte am Dienstag eingeführt hatte.

Das Feilschen darum, wer von Bidens protektionistischer Wirtschaftspolitik in welchem Umfang profitieren kann und wer die Rechnung schultern muss, beginnt erst - allerdings fernab vom Wahlkampf, in dem Biden und Trump um die Gunst der Stahl- und Autoarbeiter im amerikanischen Rostgürtel buhlen.

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