Süddeutsche Zeitung

USA als neuer Exporteur:Öl für die Welt

Die USA exportieren seit der Ölkrise kein Rohöl mehr, aus Angst, selbst ohne Öl dazustehen. Doch nun holt das Land selbst reichlich davon aus der Erde - und streitet, wie es das Zeug verkaufen kann.

Von Kathrin Werner, New York

Manchmal kann ein Öltanker Geschichte schreiben. Die BW Zambesi lief am Abend des 30. Juli aus einem Hafen in Texas City aus und machte sich auf den Weg nach Südkorea. Das Schiff hatte nichtraffiniertes Öl im Wert von 40 Millionen Dollar im Bauch. Es war das erste Mal seit den 70er-Jahren, dass die Vereinigten Staaten Öl ins Ausland exportierten, das nicht vorher in einer Raffinerie zu Benzin oder ähnlichen Produkten verarbeitet worden war. Das Exportverbot für Rohöl, das dem amerikanischen Ideal vom freien Markt im Grunde widerspricht, sollte das Land nach der Ölkrise der 70er-Jahre vor einem Energiemangel schützen. 1973 hatte die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) die Fördermengen gedrosselt, weil arabische Länder den Westen in der Israelpolitik unter Druck setzen wollten.

Das amerikanische Exportverbot für Rohöl gilt noch immer, nur ab und zu vergibt das Handelsministerium Ausnahmegenehmigungen für Transporte nach Kanada. Dass die BW Zambesi trotzdem Öl nach Südkorea bringen durfte, hat sie einer juristischen Spitzfindigkeit zu verdanken. Die Anwälte des Ölkonzerns Enterprise Products Partners aus Houston hatten es geschafft, das Handelsministerium davon zu überzeugen, dass die Flüssigkeit im Bauch der BW Zambesi kein Rohöl war, sondern ein bereits minimal bearbeitetes Öl. Die Behörde genehmigte die Ausfuhr. Es war ein Durchbruch.

Öl im Überfluss

Doch der amerikanischen Ölindustrie reicht das nicht, sie will noch mehr Öl in die Welt verkaufen, und zwar nicht nur wenig bearbeitete Kondensate, sondern möglichst auch normales Rohöl. Denn anders als in den 70er-Jahren haben die USA davon derzeit im Überfluss. Grund für den Boom ist das umstrittene Fracking, das Umweltschützer heftig kritisieren, weil Wasser und Chemikalien in Gesteinsschichten gepresst werden, um Gas und das sogenannte Tight Oil, also fest sitzendes Öl, hervorzudrücken.

Inzwischen fördern die Vereinigten Staaten mehr als acht Millionen Barrel Öl pro Tag, 55 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Ein Fass oder Barrel entspricht rund 159 Litern. Das Land hat inzwischen sogar Russland und Saudi-Arabien überholt und ist zum ersten Mal der größte Energieproduzent der Welt geworden. Es importiert zwar noch immer Öl, aber der Anteil des ausländischen Öls am Gesamtverbrauch ist auf ein Drittel gesunken. So gering war er zuletzt 1985.

Suche nach Abnehmern

"Vor der Tight-Oil-Revolution haben die Leute gedacht, dass die Ölversorgung langfristig betrachtet zurückgehen würde, aber jetzt boomt sie", sagte Peter Jackson, der beim Recherchehaus IHS CERA die Abteilung für die Analyse von Öl- und Gasförderung leitet. "Das wird die Märkte umgestalten. Es wird die Handelsströme erheblich verändern. Das hat einen Einfluss auf die Richtung von Exporten in der Welt, es wird sie von West nach Ost verändern, zum Beispiel nach China." Länder aus der bisher so mächtigen Opec, etwa Saudi-Arabien oder Venezuela, die derzeit vor allem in die Vereinigten Staaten exportieren, müssen sich dann neue Abnehmer für ihr Öl und Gas suchen. Außenpolitiker fürchten oder hoffen - je nach Standpunkt -, dass sich die Vereinigten Staaten von ihrer Rolle als Weltpolizist mehr und mehr verabschieden, wenn sie weniger auf Energieimporte angewiesen sind.

Allerdings müssen die Exporte dafür erst einmal erlaubt sein. Mächtige Konzerne wie Exxon-Mobil sprechen sich schon seit Monaten mit zunehmender Lautstärke für ein Ende des Exportbanns aus. Jetzt hat sich eine Gruppe aus mindestens zehn Ölkonzernen zusammengeschlossen, um bei der Regierung in Washington dafür zu kämpfen, darunter die Marathon Oil, Conoco-Phillips, Hess, Continental Resources und Pioneer Natural Resources, berichtet das Wall Street Journal. "Rohölexporte werden die Investitionen in die Öl- und Gasförderung ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen, die Handelsbilanz verbessern und dem Land noch weitere wirtschaftliche Vorteile bringen", sagte Lee Warren von Marathon Oil der Zeitung.

Widerstand im Kongress

Die USA haben traditionell ein Handelsdefizit, sie importieren mehr, als sie exportieren. Der neue Öl- und Gasreichtum hat die heimische Wirtschaft kräftig angekurbelt und Tausende Arbeitsplätze geschaffen. Neue Fabriken siedeln sich wegen der billigen Energiepreise in den USA an.

Allerdings stößt der Vorschlag, das Ausfuhrverbot aufzuheben, auf Widerstand. Vor allem demokratische Politiker im Kongress in Washington fürchten, dass mit dem Ölexport der Preis für Benzin an der Zapfsäule steigen würde. Das ist ein sensibles Thema für Wähler. Die Unternehmensberatung FTI Consulting hat kürzlich in einer Umfrage herausgefunden, dass 53 Prozent aller Wähler gegen die Exporte sind. Laut einer Studie des von IHC CERA würde der Benzinpreis durch die Exporte aber sogar sinken. Wenn mehr amerikanisches Öl in den Weltmarkt flösse, würden der global an den Börsen bestimmte Ölpreis sinken und damit auch die Zahlen an der Zapfsäule. Freier Handel würde die Wirtschaft ankurbeln, das Exportverbot werde dem neuen Ölboom nicht gerecht, sagte IHS-Vizechef Daniel Yergin. "Es ist ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit."

Die Ölindustrie, die für ihre gemeinsame Lobby-Stärke berühmt ist, zeigt sich in diesem Fall allerdings nicht einig. Während es für Unternehmen, die Öl fördern und verschiffen, gut wäre, wenn es neue Abnehmer aus dem Ausland gäbe, fürchten die Betreiber von Raffinerien, dass sie umgangen werden. Bislang ist es ein gutes und wichtiges Geschäft für sie, das viele amerikanische Öl vor dem Abtransport zu Benzin zu verarbeiten. Im Mai exportierten die USA Angaben des staatlichen Energieinformationsdienstes EIA zufolge pro Tag mehr als 4,1 Millionen Barrel Öl, davon waren nur 288 000 Barrel echtes Rohöl. Mit den restlichen Fässern verdienten amerikanische Raffinerien ihr Geld.

Sorge um den Benzinpreis

Die Ölförderer haben allerdings Gründe, auf den Export ohne Beteiligung der Raffinerien zu drängen. Die amerikanischen Raffinerien können mit dem sehr leichten Rohöl aus den Fracking-Quellen nicht gut umgehen, sie sind zum großen Teil auf importiertes, schweres Rohöl aus den arabischen Ländern eingestellt. Spätestens im vierten Quartal dürfte es mehreren Studien zufolge an Verarbeitungskapazität fehlen. Der Preis für das leichte Rohöl ist deshalb schon gefallen, zeitweise war es zehn Dollar pro Fass billiger als der schwerere Rohstoff. Es gibt allerdings mehrere Projekte zum Bau von Raffinerien für das leichte Öl oder alte Raffinerien umzurüsten. Das wäre hinfällig, wenn das leichte Öl ohne Verarbeitung verschifft würde - ein weiterer Grund, warum viele Raffinerie-Betreiber gegen die Pläne der Ölförderer Stimmung machen.

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SZ vom 01.09.2014/hgn
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