Süddeutsche Zeitung

US-Zinsen:Die Fed erhöht den US-Leitzins - und macht Trump das Leben schwer

  • Die US-Notenbank Fed hebt den Leitzins um einen Viertelpunkt auf 0,75 bis 1,0 Prozent an.
  • Sie reagiert damit auf die guten Arbeitsmarktdaten und die anziehenden Preise in den USA.
  • Gleichzeitig stellt sich Notenbankchefin Janet Yellen damit gegen die Ziele von Donald Trump - und hilft dem EZB-Chef Mario Draghi.

Von Claus Hulverscheidt, New York, und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn zwei dasselbe sehen, so lautet eine Erkenntnis der Sinnesforschung, dann sehen sie noch lange nicht das gleiche. Wohl kaum ein Duo hat die Richtigkeit dieser These in der jüngeren Vergangenheit so eindrucksvoll unter Beweis gestellt wie Donald Trump und Janet Yellen, die beiden führenden Wirtschaftspolitiker der USA. Wo der Präsident beim Blick auf sein Land verlassene Fabriken, frustrierte Menschen und ärmliches Wachstum entdeckt, erspäht die Chefin der Notenbank Fed etwas ganz anderes: Betriebe, die an der Kapazitätsgrenze produzieren, Personalchefs, die händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern suchen, und Wohlstandsgewinne, die zwar nicht rekordverdächtig, wohl aber robust sind. Die Diskrepanz könnte größer nicht sein.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis es zum Knall kommt, denn naturgemäß leiten Trump und Yellen aus ihren unterschiedlichen Sichtweisen auch unterschiedliche politische Konzepte ab. Wer immer sich dabei durchsetzt - die Folgen werden enorm sein, auch für Europa. Denn zumindest vorübergehend könnte sich die Kluft zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt noch vertiefen.

Während Trump noch mit sich und dem Kongress um ein Programm ringt, ist Yellen schon auf Kurs: Angesichts der äußerst niedrigen Arbeitslosenrate und zunehmender Inflationsgefahren hob die Fed ihren wichtigsten Leitzins an diesem Mittwoch zum zweiten Mal binnen drei Monaten um einen Viertelpunkt auf nunmehr 0,75 bis ein Prozent an. Allein bis Ende 2017 sollen nach jetziger Planung weitere zwei Schritte folgen. 2019, so die Marschroute, könnten die Zinsen dann wieder bei etwa drei Prozent liegen. Mutmaßliche Folgen wären eine Verteuerung von Bankkrediten, höhere Darlehenskosten für den Staat, ein weiterer Dollar-Anstieg, eine Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits und ein gedämpftes Wachstum - kurzum: das Gegenteil dessen, was Trump versprochen hat.

Auf den Finanzmärkten hat diese Perspektive bereits tiefe Spuren hinterlassen. Der Dollar ist ungewöhnlich stark, die Rendite amerikanischer Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit erreichte zu Wochenbeginn gar den höchsten Stand seit zwei Jahren. Der Trend dürfte sich noch fortsetzen: Für den Devisenhandel etwa geht die Deutsche Bank davon aus, dass der Dollar noch dieses Jahr die Ein-Euro-Schwelle knacken wird. Pro Euro, so die Vorhersage, erhielte man dann nicht mehr wie heute 1,06 Dollar, sondern nur noch 95 Cents.

Die Leidtragenden dieser Entwicklung wären nicht nur US-Exportfirmen, deren Waren deutlich teurer würden. Auch viele Schwellenländer Südamerikas und Ostasiens, deren Regierungen oder Betriebe sich in Dollar verschuldet haben, wären betroffen. Verstärkt würden die Probleme noch dadurch, dass auch die Zinsen vielerorts wieder steigen. Die Deutsche Bank erwartet, dass sich die Rendite zehnjähriger US-Bonds bis Jahresende weiter von heute 2,6 auf 3,1 Prozent erhöhen wird. Auch in Portugal werfen die gleichen Papiere wieder fast vier Prozent ab, italienische Schuldscheine bringen immerhin 2,3 Prozent. In Deutschland und Frankreich, den beiden größten Volkswirtschaften der Euro-Zone, dagegen sind die Renditen mit 0,4 und 1,1 Prozent weiter historisch niedrig.

Künftig fließt wohl noch mehr ausländisches Kapital in die USA

Die große Zinsdifferenz zwischen Amerika und wichtigen EU-Ländern erhöht die Attraktivität von US-Anleihen und wird dazu führen, dass noch mehr ausländisches Kapital in die Vereinigten Staaten fließt. Das steigert den Aufwärtsdruck auf den Dollar weiter und wird das von Trump beklagte US-Leistungsbilanzdefizit zusätzlich anschwellen lassen. Bryan Riley, Handelsexperte des Forschungsinstituts Heritage Foundation, schlug diese Woche schon scherzhaft vor, den Verkauf von US-Bonds an Ausländer künftig als Export zu titulieren. "Die Handelsbilanz wäre dann schnell ausgeglichen", so der Ökonom.

Längerfristig betrachtet ist aber auch denkbar, dass die USA und Europa wieder zusammenrücken, denn der größte Nutznießer der jüngsten Entwicklungen könnte ausgerechnet Mario Draghi sein, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Ihm nämlich spielen die Dinge derzeit in die Hände: Der schwache Euro erhöht die Exportstärke europäischer Firmen, zugleich importiert die Euro-Zone über den starken Dollar Inflation. Damit kommt Draghi dem Ziel, Europas Wirtschaftskraft zu stärken und die Deflationsgefahr endgültig zu beseitigen, erheblich näher.

Das wiederum macht es dem EZB-Chef leichter, auch daheim ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik einzuläuten. Entsprechende Forderungen kommen mittlerweile nicht mehr nur von den deutschen Vertretern im EZB-Rat, vielmehr hat die Notenbank mit der Anhebung ihrer Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent selbst eingestanden, dass sich die Lage klar verbessert hat. Auch hat die Inflationsrate mit zwei Prozent exakt die EZB-Zielmarke erreicht. Draghi jedoch möchte die Wahlen dieses Jahres abwarten, etwa in Frankreich. Siegen dort nämlich die Rechtspopulisten, könnte die gute Konjunkturlaune in der Euro-Zone rasch dahin sein. Machen hingegen Parteien der politischen Mitte das Rennen, dann ist ein geldpolitischer Kurswechsel der EZB wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Währungshüter noch in diesem Jahr das Ende der Geldschwemme ankündigen und womöglich den Strafzins, den Banken auf Einlagen bei der EZB zahlen müssen, verringern. Ökonomisch gesehen käme das einer Leitzinserhöhung gleich. Im EZB-Rat wurde über das Thema bei der letzten Sitzung schon gesprochen.

Weicht die Fed von ihrem Kurs ab, dürfte es turbulent werden

Während die in den USA geplanten Leitzinsanhebungen auf den Finanzmärkten schon weitgehend eingepreist sind, würde eine Zinswende in Europa durchaus noch Wirkung entfalten. "Das gilt umso mehr, als die jüngste Verbesserung der Wachstumsaussichten in Europa vielleicht sogar noch signifikanter ist als jene in den USA", sagt Randall Kroszner, einstiges Vorstandsmitglied der Fed und heute Professor für Volkswirtschaft an der Universität von Chicago. Von einem "Boden unter dem Euro-Dollar-Kurs", spricht auch Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Diba. Und auch die Deutsche Bank geht davon aus, dass sich der Euro vom erwarteten Rückgang auf 95 US-Cents bald erholen und bis Ende 2019 wieder auf 1,10 Dollar steigen wird.

Etwas undurchsichtiger ist die Situation auf den Bond-Märkten. "Früher war es so, dass höhere Renditen bei US-Anleihen zu etwa zwei Dritteln auf den europäischen Markt durchschlugen", sagt Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank. Seit die EZB jedoch für 2,2 Billionen Euro Anleihen kaufe, gelte diese Regel nicht mehr.

Turbulent könnte es werden, wenn die Fed deutlich von ihrem erwarteten Kurs abgehen sollte - etwa weil Yellen Trumps Steuer- und Ausgabenpläne als Inflationstreiber betrachtet oder weil umgekehrt der Präsident die Notenbankspitze austauscht und mit eigenen Gefolgsleuten besetzt. Kroszner hält aber auch ein gütliches Ende des Konflikts zwischen Wirtschafts- und Geldpolitik noch für denkbar. "Die Fed hat ja nichts gegen mehr Wachstum - so lange sich dieses wie in den neunziger Jahren aus einer höheren Produktivität und besseren Standortbedingungen speist", so der Ex-Notenbanker. Blähe die Regierung die Wirtschaftsleistung hingegen künstlich auf, "dann ist ein Zusammenstoß mit der Geldpolitik unvermeidlich".

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SZ vom 16.03.2017/vit
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