US-Wirtschaft:Eine Frage des Vertrauens

Die ökonomische Bilanz von Präsident Bush ist bislang gar nicht so schlecht, doch sein politischer Kurs birgt Risiken.

Von Nikolaus Piper

Vor der Wahl in Amerika hatten Ökonomen eine simple Formel entwickelt: Bush ist gut für den Welthandel, Kerry für den Staatshaushalt. Der Präsident, so die Überlegung, steht in der freihändlerischen Tradition der Republikaner und wird daher am ehesten größeren protektionistischen Versuchungen widerstehen - Voraussetzung für den Erfolg der laufenden Welthandelsrunde.

Sein Herausforderer würde im Falle eines Wahlsieges versuchen, an Bill Clinton und dessen Finanzminister Robert Rubin anzuknüpfen, die in den neunziger Jahren erfolgreich den Boom der New Economy für die Sanierung des Budgets genutzt hatten.

Die Schablone hat zwar nie ganz gestimmt, aber sie trifft doch so weit zu, dass sich an ihr die Perspektive einer zweiten Amtszeit von George Bush für die Weltwirtschaft abschätzen lässt.

Verstoß gegen alte republikanische Werte

Zunächst sollte man sich vom Wahlkampfgetöse nicht täuschen lassen. Die ökonomische Bilanz der ersten Amtszeit des Präsidenten ist gar nicht so schlecht.

Zwar hat Amerika in den vier Jahren netto Jobs verloren, aber das war kaum zu vermeiden nach dem Zusammenbruch der Aktienkurse und den Terroranschlägen von 2001.

Eher muss man Bush und Notenbankpräsident Alan Greenspan zugute halten, dass sie nach dem 11. September eine Panik verhindert und so viel Geld in die Wirtschaft gepumpt haben, dass ein neuer Aufschwung mit zeitweise spektakulären Wachstumsraten möglich wurde.

Der Preis für diesen Aufschwung ist eine exorbitante Steigerung der Verschuldung und der Ausgaben des Staates; damit verstieß der Präsident massiv gegen alte republikanische Werte. Eine Korrektur ist unabweisbar, die Frage ist nur, ob Bush sie mit der nötigen Konsequenz verfolgen kann angesichts des Kriegs im Irak und der im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen.

Unklar ist auch noch, in welchem Umfang sich in der amerikanischen Wirtschaft Inflationspotenzial aufgebaut hat. Alles zusammen bedeutet jedenfalls Risiken für den Dollar und damit besonders für die europäische Exportwirtschaft.

Auch in Sachen Welthandel sind die Perspektiven einer zweiten Amtszeit Bushs gemischt. Der Präsident hat sich zwar schon einige Sündenfälle zuschulden kommen lassen - neue Agrarsubventionen und Stahlzölle -, insgesamt hat seine Regierung den Freihandel aber gestützt.

Bushs Handelsbeauftragter Robert Zoelleck ist, anders als viele Neokonservative, ein Anhänger bindender, multilateraler Regeln im Welthandel. Er ist auch in Europa als verlässlicher Partner hoch angesehen. Ob die Europäer unter einem Präsidenten Kerry einen ähnlichen Partner bekommen hätten, ist zumindest fraglich.

Schäden beseitigen

Die Sorgen vieler Unternehmer und Ökonomen haben daher kaum mit der eigentlichen Handelspolitik Amerikas zu tun, sondern mit der Außenpolitik.

Diese hat seit der Auseinandersetzung um den Irak-Krieg schon große Kollateralschäden besonders im transatlantischen Geschäftsklima hinterlassen, auch wenn sich dies nicht in Zahlen ausdrücken lässt.

Wie will man auch Misstrauen messen? Die Frage ist, ob es während einer zweiten Amtszeit Bushs gelingt, diese Schäden zu beseitigen und neue Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen.

Einen Hinweis gaben am Tag nach der Wahl die steigenden Ölpreise. Die Spekulanten wetteten offenbar darauf, dass es Bush bis auf weiteres nicht gelingen wird, den Irak zu befrieden und/oder dass seine Politik den Nahen Osten weiter destabilisieren könnte.

Allgemeiner ausgedrückt: Wenn Außenpolitik in ihren Zielen unklar ist und wenn man nicht weiß, zu welchen Mitteln sie greift, wird sie auch ökonomisch schwer kalkulierbar.

Auch für die Weltwirtschaft hängt es daher entscheidend davon ab, wie stark die Ideologen im nächsten Kabinett Bush sein werden - und wie ernsthaft man in Washington, Paris und Berlin an einer Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses arbeitet.

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