So kontrovers die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten beurteilt wird - auf den Kapitalmärkten kommt sie gut an. Dank seinen Plänen soll es mit der US-Wirtschaft wieder kräftig aufwärts gehen, so die Erwartung, die er und sein Team kräftig schüren. Diese Zuversicht drückt sich auch in Aktienkursen aus: Seit Anfang November, als sich Trumps Wahl abzuzeichnen begann, legten allein die US-Aktien gemessen am S&P500-Index weitere fast zehn Prozent zu, nachdem der gleiche Index schon von seinem Tiefpunkt im Februar bis dahin um mehr als 14 Prozent angestiegen ist.
Als Zeichen für den wachsenden Optimismus können auch die gestiegenen Inflationserwartungen gewertet werden. Sie bewegen sich um die zwei Prozent, also nahe dem Zielwert der US-Notenbank Fed. Deshalb, und von der Erwartung eines größeren Wirtschaftswachstums getrieben, haben auch die Zinsen in den USA - und in der Folge sogar weltweit - nach vielen Jahren wieder angezogen. Noch im Juli notierte der Langfristzins in den USA, gemessen an der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, unter 1,40 Prozent. Mittlerweile hat er sich mit einem Anstieg auf 2,55 Prozent schon fast verdoppelt.
Ein Grund für den Optimismus an den Märkten sind die von Donald Trump geplanten Steuersenkungen, von denen vor allem Unternehmen und Reiche profitieren sollen. Indirekt soll das aber auch die Konjunktur ankurbeln und die Arbeitslosigkeit senken, da Firmen bei geringeren Steuerausgaben zu mehr Investitionen bereit sein könnten und Private mehr ausgeben. Noch direkter auf die Konjunktur sollen die von Trump ebenfalls geplanten Infrastrukturinvestitionen wirken. Sie würden die Nachfrage direkt erhöhen.
Wie so oft, wenn die Erwartungen sich fast schon selbst nähren, gibt es gute Gründe zur Vorsicht gegenüber dieser Euphorie. Die drei wichtigsten:
1. Die Schattenseiten zu hoher Erwartungen
Eines der fundamentalen Probleme des vorherrschenden Optimismus liegt darin, dass noch vollkommen unklar ist, was die neue Administration im Detail überhaupt umsetzen will, während die Wirkung der hohen Erwartungen an den Märkten bereits für sich gesehen die Konjunktur schwächt. Das gilt einmal für den Dollarkurs, der im Tandem mit den Langfristzinsen seit Anfang November zum Beispiel gegenüber dem Euro um fast 6,4 Prozent von 0,897 auf 0,954 Franken angestiegen ist. Der teurere Dollar schwächt die Wettbewerbsfähigkeit von US-Produkten. Den gleichen Effekt hat die wieder steigende Inflation. Die steigenden Zinsen verteuern Investitionen und weitere kreditgetriebene Ausgaben.
Das Problem ist, dass höhere Zinsen, eine höhere Inflation und ein teurerer Dollar bereits zu sehen sind und ihre Wirkung zu entfalten beginnen, während die von Trump versprochenen Maßnahmen erst konkretisiert, beschlossen und umgesetzt werden müssen. Und das kann deutlich länger dauern. Dazu kommt, dass ihre Wirkung beschränkt bleiben dürfte, wenn sie so umgesetzt werden, wie das zuweilen kolportiert wird. Betreffen etwa Steuersenkungen hauptsächlich die Reichsten, dann wird sich deren Konsum nur beschränkt ausweiten. Sollen die Infrastrukturinvestitionen hauptsächlich durch Steueranreize für private Investoren angeschoben werden, dann werden sie nur lukrative Projekte betreffen, die im Bereich der Infrastruktur beschränkt bleiben dürften. So werfen öffentliche Güter wie intakte Brücken oder ein nicht kostenpflichtiges lokales Straßennetz keinen monetären Gewinn ab.
2. Die US-Wirtschaft läuft schon heiß
Geht man nun aber davon aus, dass Trumps Pläne funktionieren und die Nachfrage in den USA tatsächlich anheizen, ergibt sich ein ganz anderes Problem: Die US-Wirtschaft läuft bereits jetzt heiß. Die langfristig einer ausgelasteten Wirtschaft entsprechende Arbeitslosenquote der USA schätzen die Ökonomen und Entscheidungsträger bei der Fed auf 4,8 Prozent. Die aktuelle Quote liegt mit 4,6 Prozent bereits tiefer. Etwas bildlich gesprochen, führt ein weiterer Zufluss in ein bereits volles Fass zu dessen Überlaufen. Für eine Volkswirtschaft bedeutet das, dass Anschubmaßnahmen in einer voll ausgelasteten Wirtschaft vor allem die Inflation anheizen.
Die Antwort der künftigen US-Regierung darauf ist, dass es weniger um Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage als um solche des Angebots geht. Also um eine Erhöhung der Kapazität der US-Volkswirtschaft - um beim obigen Bild zu bleiben, einer Vergrößerung des Fasses. Diesem Ziel sollen die Investitionen und die Steuersenkungen vor allem dienen. Die Erfahrungen der Vergangenheit geben jedoch Anlass zu Skepsis. So hat die gleiche Ideologie während der Präsidentschaft von Ronald Reagan in den Achtzigerjahren weniger die Kapazität der US-Wirtschaft erhöht, als vielmehr die Staatsschulden explodieren lassen. Die Gesamtverschuldung hat sich von 1980 mit 865 Milliarden Dollar bis 1990 mit 3200 Milliarden mehr als verdreifacht.
3. Die Fed als Spielverderber
In den letzten Jahren, als Teile des Potenzials der US-Wirtschaft als Folge der Finanzkrise brachlagen, die Arbeitslosenquote deutlich höher lag und die Inflation deutlich unter dem Zielwert der Fed, hat die Notenbank nicht nur auf Negativzinsen gesetzt, sondern auch auf eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Konjunkturelle Anschubmaßnahmen durch den Staat waren in dieser Situation erwünscht und haben der Fed keinen Anlass geliefert, ihre äußerst expansive Geldpolitik zu ändern.
Läuft die US-Wirtschaft aber so gut wie derzeit, liegt die Aufgabe der Fed vor allem darin, einen Anstieg der Inflation zu verhindern, die bei einer Nachfragesteigerung über die Vollbeschäftigung hinaus drohen kann. Ihr Instrument dazu ist der Leitzins, den sie in einer solchen Situation rasch anheben würde, um eine solche Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Die Fed droht so in eine Lage zu kommen, in der sie - um wieder zum Vergleich zurückzukommen - das zusätzliche Wasser, das die Administration Trump ins Fass US-Wirtschaft pumpt, gleich wieder absaugt. Präsident Trump kann zwar neue Fed-Gouverneure wählen, wenn deren Amtszeit abläuft, aber er kann ihnen ansonsten nichts vorschreiben und sie auch nicht entlassen. Die Politik der Fed bleibt unabhängig von derjenigen des Präsidenten und seiner Administration.
Dieser Artikel erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 01.01 2017.