Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Was Obamas Sieg für die Wirtschaft bedeutet

Der Wahlkampf war kräftezehrend, doch Barack Obama bleibt nicht viel Zeit zum Verschnaufen: Die Wirtschaft seines Landes erholt sich zu langsam von den Folgen der Finanzkrise, die USA brauchen dringend neue Arbeitsplätze. Bis zum Jahresende muss der Präsident eine Lösung für das Schuldenproblem finden. Sonst droht ein tiefer Fall.

Benjamin Romberg und Pia Ratzesberger

Selten haben Wirtschaftsthemen einen US-Wahlkampf derart dominiert wie in diesem Jahr. Auch vier Jahre nach der Lehman-Pleite haben sich die Vereinigten Staaten noch nicht von den Folgen der Finanzkrise erholt. Auch wenn sich die Aufmerksamkeit derzeit vor allem auf die Schuldenkrise in Europa konzentriert, stehen die USA vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Wachstumsdaten waren deshalb im Wahlkampf Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Kandidaten, die neuesten Zahlen vom Arbeitsmarkt schienen unmittelbaren Einfluss auf die Umfrageergebnisse zu haben. Bei Wirtschafts- und Finanzthemen waren die Kontrahenten Obama und Romney grundsätzlich unterschiedlicher Meinung.

Die Wähler haben sich nun für Obama entschieden. Was bedeutet sein Sieg für die Wirtschaft und die Finanzindustrie in den USA?

Kampf gegen die Staatsschulden

Amerika steuert auf einen gefährlichen Abgrund zu. Bis zum Jahreswechsel müssen sich Präsident, Senat und Repräsentantenhaus auf einen Plan zum Abbau der gigantischen Staatsschulden (16 Billionen Dollar) verständigen - andernfalls tritt im Januar eine automatische Schuldenbremse in Kraft. 600 Milliarden Euro werden dann durch Steuerhöhungen und Ausgabenkürzungen eingespart. Notenbank, Politik und die meisten Ökonomen sind sich einig: Ein Konjunktureinbruch wäre die Folge - im schlimmsten Fall rutscht das Land in die Rezession.

Die sogenannte fiscal cliff, die fiskalische Klippe, war absichtlich so schmerzhaft gestaltet worden, um die beiden Parteien zu einer vernünftigeren Haushaltsplanung zu zwingen. Nach Schätzungen der Haushaltsbehörde im US-Kongress würde sich durch den Sparautomatismus das Defizit gemessen an der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um vier Prozent verringern. Das ist zwar positiv, doch die wirtschaftlichen Folgen wären dramatisch.

Vor allem Investoren fürchten sich davor. Eine Gruppe von Anlegern, angeführt vom weltweit größten Vermögensverwalter Black Rock, hat Anfang der Woche ganzseitige Anzeigen in den größten amerikanischen Tageszeitungen geschaltet. Darin warnen sie: "Amerika steht vor einer akuten Krise, die im Wahlkampf kaum beachtet wurde."

Präsident Obama bleibt also nicht viel Zeit, um für eine Einigung zwischen Demokraten und Republikanern zu sorgen. Er würde die Steuerentlastungen für Geringverdiener und die Mittelklasse gerne aufrechterhalten und dafür die Reichen mehr Steuern zahlen lassen. Die Immobiliensteuer, die Romney gerne abschaffen würde, will Obama erhöhen. Beides wird mit den Republikanern nur schwer zu machen sein. Es droht ein erneuter Stillstand.

Deshalb gibt es schon Überlegungen, wie verhindert werden kann, dass die zerstrittenen Parteien das Land gemeinsam in die Haushaltskrise treiben. Die Deutsche Bank sieht in ihrem Bericht zur globalen Wirtschaftslage einen Aufschub als das wahrscheinlichste Szenario. Nur wenige Maßnahmen der automatischen Schuldenbremse würden durchgesetzt - ein Großteil würde einfach aufgeschoben. Eine nachhaltige Lösung für die Probleme des Landes wäre das freilich nicht.

Aus Sicht von Banken und Hedgefonds sind es 848 Seiten Teufelswerk, für Obama ist er die lange überfällige Antwort der Politik auf die Finanzkrise: der Dodd-Frank Act. Die neuen Gesetze sollen die Finanzmärkte im Zaum halten, und verhindern, dass gierige Banker die Weltwirtschaft noch einmal durch Zockereien in Gefahr bringen können. Der Handel mit hoch komplexen aber nicht minder riskanten Finanzprodukten soll transparenter werden, Banken dürfen nicht länger mit den Einlagen ihrer Kunden spekulieren.

Bislang ist aber gerade mal ein Drittel der geplanten Kontrollmaßnahmen umgesetzt: 144 der 237 Regeln, die bis Anfang November eingeführt sein sollten, stehen noch aus. Romney wollte - ganz im Sinne der Finanzlobby - den Dodd-Frank Act abschaffen. Vielen an der Wall Street wäre ein Erfolg des Republikaners wohl lieber gewesen. Obama wird nun in seiner zweiten Amtszeit versuchen, die Finanzindustrie weiter zu regulieren.

Ben, wirf die Notenpresse an!

Obamas Wahlsieg könnte auch eine weitere Amtsperiode für US-Notenbankchef Ben Bernanke bedeuten. Der frühere Princeton-Professor hatte 2006 die Nachfolge von Alan Greenspan als Chef der Federal Reserve (Fed) angetreten. Im Januar 2014 endet seine zweite Amtszeit. Auch wenn Bernanke nachgesagt wird, er sei amtsmüde und wolle ohnehin auf eine Weiterbeschäftigung verzichten - Obama hat sich bereits für eine dritte Amtszeit des Ökonomen ausgesprochen.

Oftmals wurde kritisiert, die expansive Geldpolitik Bernankes und die niedrigen Zinsen seien bei der Wahl ein Vorteil für Obama. Der Notenbankchef hatte erst im September angekündigt, die Konjunktur mit monatlichen Anleihekäufen von monatlich mehr als 40 Milliarden stützen zu wollen, Zinsen nahe der Null-Prozent-Marke blieben ebenfalls erhalten.

Gegner Bernankes, vor allem aus dem republikanischen Lager, warfen dem 58-Jährigen vor, diese Politik helfe zwar kurzfristig, doch nur zum Schein. Langfristig führe der Fed-Chef eine inflationäre Blase herbei. Obama lässt sich von diesen kritischen Stimmen nicht beirren. Selbst wenn Bernanke 2014 nicht mehr antreten sollte, stehen mit Ex-Finanzminister Lawrence Summers oder Fed-Vizechefin Jannet Yellen mögliche Nachfolger bereit, die die bisherige Geldpolitik fortsetzen könnten.

Der Staat kümmert sich schon

Die US-Wirtschaft erholt sich nur sehr langsam von der Wirtschaftskrise. In diesem und im kommenden Jahr wächst das Bruttoinlandsprodukt um etwa zwei Prozent. Experten halten aber ein dauerhaftes Wachstum von mindestens 2,5 Prozent für notwendig, um die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken. Derzeit sind etwa 23 Millionen Amerikaner ohne Job, 4,5 Millionen mehr als vor der Krise. In einem Punkt waren sich Obama und Romney während des Wahlkampfs einig: Es müssen dringend neue Jobs her. Wie dieses Ziel zu erreichen sei, darüber gingen die Ansichten jedoch auseinander.

Anders als Romney glaubt Obama, dass der Staat die Wirtschaft in schwierigen Zeiten unterstützen muss. 800 Milliarden Dollar investierte er während seiner ersten Amtszeit in Konjunkturpakete; alleine die Autoindustrie erhielt Milliarden, um Arbeitsplätze zu schützen. Selbst das viele Geld reichte aber nicht, um die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken. Auch deshalb blieb die Wahl bis zum Schluss spannend.

Für seine zweite Amtszeit hat Obama bereits neue Konjunkturstützen angekündigt. Vor allem durch Investitionen in die Infrastruktur sollen zusätzliche Jobs entstehen - eine Million neue Stellen hat Obama in den kommenden vier Jahren versprochen.

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