US-Wahl:Trumps Visionen könnten tatsächlich funktionieren

  • Massive Steuererleichterungen, die Abschaffung von Obamacare, eine Liberalisierung der Banken - Trumps Pläne klingen populistisch-unrealistisch.
  • Eine Analyse zeigt jedoch, dass seine Pläne rechnerisch durchaus realistisch sind und die US-Wirtschaft tatsächlich davon profitieren könnte.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Noch ist Donald Trump gar nicht im Amt. Einen ersten Erfolg aber hat der nächste Präsident der Vereinigten Staaten bereits errungen. Das schwere Beben auf den Weltfinanzmärkten, das Experten für den Fall seines Wahlsiegs vorhergesagt hatten, ist ausgeblieben. Das Gegenteil ist eingetreten. Der Börsenindex Dow Jones stieg auf ein Rekordhoch.

Das hat weniger mit Vertrauen in den neuen starken Mann der USA zu tun. Anleger hoffen auf Geschäfte, doch Ökonomen können sich noch keinen rechten Reim auf Trumps wirtschaftspolitischen Kurs machen. Zu vage war bisher seine Agenda, zu inhaltsleer sein Wahlkampf. Grundsätzlich jedoch sollte sich niemand in ihm täuschen. So oberflächlich-populistisch er oft daherreden mag, so ernst ist es mit dem angekündigten Umbau der Wirtschaft.

Die Stichworte lauten dabei Renationalisierung, Rückkehr zu starken industriellen Strukturen und die Abschottung einzelner Branchen gegen ausländische Konkurrenz. Zwar wird Trump viele seiner Überlegungen nur in Stufen, mit beträchtlichen Abstrichen und gravierenden Änderungen umsetzen können, will er nicht massiven Ärger mit großen heimischen Unternehmen riskieren. Das wird ihn aber nicht davon abhalten, unmittelbar nach Amtsantritt mit seiner Agenda zu beginnen.

Über Nacht zu einem der attraktivsten Steuerstandorte der Welt

An erster Stelle könnte dabei die geplante Steuerreform stehen, mit der die Abgabenlast der Betriebe von heute nominell 35 auf nur noch 15 Prozent sinken soll. "Die USA würden damit über Nacht von einem der unattraktivsten zu einem der attraktivsten Steuerstandorte der Welt", sagt Bart van Ark, Chefvolkswirt des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts Conference Board. Hauptleidtragender wäre vermutlich Europa - und das in gleich doppelter Hinsicht: Trump plant nämlich zudem eine Steueramnestie für US-Konzerne, die aus Furcht vor dem heimischen Fiskus mehr als zwei Billionen Dollar an Gewinnen im Ausland geparkt haben sollen, vor allem auch in der EU. Sie müssten in den USA einmalig mit nur noch zehn Prozent versteuert werden. Nutzen die Firmen die Chance, was etwa Apple-Chef Tim Cook bereits angekündigt hat, flössen riesige Summen aus Europa in die USA ab.

Trump käme der Geldsegen gerade recht, denn er braucht gewaltige private und staatliche Mittel für sein Infrastrukturprogramm, mit dem er Straßen, Brücken und Eisenbahntrassen, Wasserwege, Energienetze und Internetverbindungen ausbauen und sanieren will. Direkte Nutznießer eines solchen Programms wären Bau- und Energiefirmen, aber auch die Industrie, beispielsweise Stahlhersteller, denn sämtliche Bau- und Zulieferaufträge sollen an amerikanische Firmen gehen.

Trump wird Obamacare wohl kaum einfach kippen können

Der zweite logische Schritt auf Trumps Liste wäre eine Gesundheitsreform, die für die Republikaner größte Symbolkraft hätte und die Partei mit dem einst ungeliebten Präsidentschaftskandidaten versöhnen könnte. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Trump das als Obamacare bekannte Reformgesetz seines Amtsvorgängers, wie im Wahlkampf angekündigt, einfach kippt, weil damit 20 Millionen Menschen über Nacht wieder ohne Krankenversicherungsschutz dastünden. Dass Obamacare angesichts ausufernder Kosten, explodierender Mitgliedsbeiträge und hoher Verluste der Versicherer umgebaut werden muss, bestreiten aber auch Trump-kritische Ökonomen nicht.

Wie eine Reform aussehen könnte, ist allerdings offen, entsprechendes gilt für die Frage nach Gewinnern und Verlierern. So würden etwa die Versicherer und die Pharmaindustrie zwar einerseits finanziell entlastet. Andererseits hat der künftige Präsident aber auch erklärt, dass er etwa den Preiswettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt durch mehr Medikamentenimporte deutlich verschärfen will.

In Sachen Handelspolitik dürfte es für Trump kompliziert werden

Vor einer ähnlich unsicheren Zukunft wie die Gesundheitswirtschaft steht auch die Finanzindustrie. Nimmt man Trump beim Wort, werden praktisch alle Restriktionen zurückgenommen, die der Branche in der Folge der Finanzkrise von 2008 auferlegt worden waren. So könnten die Banken etwa den Eigenhandel mit Wertpapieren wieder ausweiten. Ob eine Rückkehr zur Risikopolitik früherer Jahre bei Investoren aber gut ankäme, ist fraglich. Auch plädieren weite Teile der Republikanischen Partei für die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes von 1933, das eine strikte Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken vorsah. Käme es dazu, müssten sich fast alle großen Banken des Landes radikal umstrukturieren.

Der komplizierteste Teil der Trump'schen Reformagenda dürfte die Handelspolitik werden. Der künftige Präsident will zum Schutz heimischer Hersteller den Import vieler Produkte mit hohen Zöllen belegen und Verträge wie das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen. Hauptnutznießer wären Branchen, die in einem harten globalen Wettbewerb stehen wie etwa die Stahlindustrie. Ein solcher Kurs hätte jedoch nicht nur erhebliche außenpolitische Konsequenzen für die USA, insbesondere im Verhältnis zu China. Leidtragende wären vielmehr auch zahlreiche heimische Branchen, wenn - was zu erwarten wäre - die betroffenen Staaten im Gegenzug Zölle auf US-Waren einführten.

Das gilt beispielsweise für Luft- und Raumfahrtkonzerne wie Boeing, die einen erheblichen Teil ihrer Gewinne im Ausland erwirtschaften. Größter Absatzmarkt ist mittlerweile China, wohin, weltweit gesehen, jedes fünfte Flugzeug verkauft wird. Eine ähnliche Bedeutung für US-Hersteller hat auch der chinesische Automarkt. Weitere Leidtragende könnten nach einer Analyse der Ratingagentur Moody's die Chemie-, die Öl- und ganz besonders die Technikindustrie der USA sein. Unternehmen wie Apple lassen einen Großteil ihrer Produkte in China herstellen und sind deshalb auf reibungslose Beziehungen zu der asiatischen Großmacht angewiesen.

Rein rechnerisch sind Trumps Pläne durchaus möglich

Ob es Trump angesichts der Probleme tatsächlich gelingen kann, das Wirtschaftswachstum auf vier Prozent pro Jahr zu verdoppeln und 25 Millionen Jobs zu schaffen, gilt unter Ökonomen als fraglich. Rein rechnerisch, das zeigt eine Analyse der Deutschen Bank USA, ist es möglich: Demnach könnte Trumps Plan das Wachstum um etwa 2,5 Prozentpunkte erhöhen und die Arbeitslosenquote allein bis Ende 2017 von heute 4,9 auf 3,7 Prozent drücken. Der Preis wäre allerdings ein Anstieg der Staatsschuld um 4,6 Billionen Dollar binnen zehn Jahren. In die Quere kommen könnte dem Präsidenten auch die Notenbank Fed, die die Leitzinsen schrittweise anheben will. Allerdings kann er Fed-Chefin Janet Yellen 2018 durch einen ihm genehmeren Kandidaten ersetzen.

Nimmt man alle Bausteine zusammen, bleibt ein gehöriges Maß an Ungewissheit, wohin die Reise unter Präsident Trump gehen wird. Gelingt es ihm, Bürger, Betriebe und Finanzmärkte positiv zu überraschen, könnte die Wirtschaft profitieren. Sollte aber der Rüpel aus dem Wahlkampf wieder zum Vorschein kommen, wird das jetzt ausgebliebene Börsenbeben die Welt bald schon umso heftiger erschüttern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: