Süddeutsche Zeitung

US-Steuerreform:Trumps Steuerpläne helfen vor allem einem: Trump

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Das US-Repräsentantenhaus hat dem Vorhaben zugestimmt, damit nimmt es eine wichtige Hürde. Den "vergessenen Amerikanern", über die der US-Präsident gerne spricht, wird die Reform nichts nützen.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, New York

Einmal im Monat legt das US-Meinungsforschungsinstitut Gallup eine Umfrage dazu vor, was die Amerikaner für das größte Problem der Gegenwart halten. Jeden fünften Bürger stört demnach das Dauergerangel und der politische Stillstand in Washington am meisten. Auch Rassismus, die Spaltung der Gesellschaft und die Zukunft der Gesundheitsversorgung treiben die Menschen um. Das Thema Steuern hingegen taucht erst sehr weit unten auf der Liste auf: Nur zwei von 100 Amerikanern halten die Abgabenlast für dasjenige Thema, das am dringendsten angegangen werden muss.

Die Umfrageergebnisse wollen nicht so recht passen zu dem Bohei, den Präsident Donald Trump und die Spitzen des Kongresses seit Wochen um ihre Steuersenkungspläne veranstaltet haben. Ja, mehr noch, sie entlarven eine Reform, die ein angeblich gravierendes wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Problem lösen soll, als das, was sie in Wahrheit ist: der Versuch, der in sich zerstrittenen Republikanischen Partei ein identitätsstiftendes Projekt und dem unbeliebtesten Präsidenten seit Jahrzehnten den dringend nötigen parlamentarischen Erfolg zu verschaffen.

Das bedeutet mitnichten, dass sich im US-Steuerrecht nicht vieles verbessern ließe. Im Gegenteil: Der Steuersatz für Firmen etwa ist, global gesehen, mit 35 Prozent zu hoch, zugleich gibt es für einzelne Branchen und Betriebsformen riesige Schlupflöcher. Das hemmt nicht nur die Investitionsbereitschaft, sondern führt auch zu großer Ungerechtigkeit: Manche Unternehmen zahlen unter dem Strich 30 Prozent Steuern, andere keine drei.

Eine deutliche Senkung des Steuersatzes bei gleichzeitiger Streichung vieler Privilegien wäre also folgerichtig - und tatsächlich: Der Satz soll künftig 20 Prozent betragen. Nur: Es werden zwar einige Löcher geschlossen, zugleich aber neue geschaffen. Das größte und skandalöseste ist die Einführung eines eigenen Satzes von nur noch 25 Prozent für inhabergeführte Firmen: Sie wird dazu führen, dass Anwälte, Ärzte und Immobilienunternehmer, wie Trump selbst einer ist, ihre Einkünfte umdeklarieren und sich aus der Einkommensteuer mit ihrem Spitzensatz von 39,6 Prozent verabschieden werden.

Trump wird sich selber feiern

Richtiggehend absurd wird die Argumentation der Republikaner an der Stelle, an der sie behaupten, die Betriebe würden ihre Steuerersparnis an die Mitarbeiter weitergeben. Das ist so dreist und weltfremd, dass es einem fast die Sprache verschlägt. Läuft es gut, werden die Firmen Teile des Geldes investieren, damit das Wirtschaftswachstum beflügeln und die Einnahmeausfälle des Staats reduzieren. Ein anderer Teil aber wird, das lehrt alle Erfahrung, in Aktienrückkäufe und höhere Dividenden fließen: Für die Volkswirtschaft bringt das wenig, es verstärkt aber die Rekordjagd an den Börsen, für die sich Trump dann wieder selbst feiern wird.

Dem einfachen Bürger hingegen bleiben durch die Veränderungen im Einkommensteuerrecht nur ein paar Hundert Dollar im Jahr extra. Das wäre für sich genommen in Ordnung, schließlich ist die Steuerlast ja, siehe oben, aus Sicht der Amerikaner kein allzu gravierendes Problem. Sehr wohl problematisch ist aber, dass die Entlastungen für viele Bürger nach einigen Jahren auslaufen und sich teils in Steuererhöhungen verwandeln werden, dass sich die Abgabenquote weiter zugunsten der Wirtschaft und zulasten der Beschäftigten verschiebt und dass das Staatsdefizit mit der Reform massiv ansteigen wird. Auch dafür werden künftige Arbeitnehmergenerationen geradestehen müssen.

Selbst für die USA ungewöhnlich zynisch

Vollends in Schieflage geraten würde das Vorhaben aber, sollten zudem sowohl die Erbschaftsteuer als auch der Steuerzuschuss zu den Krankenversicherungsprämien armer Amerikaner gestrichen werden. Beides wird erwogen. Die Erbschaftsteuer wird heute nur bei Nachlässen im Wert von 5,5 Millionen Dollar an aufwärts fällig, ihr Wegfall wäre also ein Geschenk ausschließlich an Multimillionäre. Gleichzeitig droht 13 Millionen Menschen, die auf staatliche Finanzhilfe angewiesen sind, der Wegfall ihres Gesundheitsschutzes. Die Allerärmsten finanzieren die Steuerentlastungen der Millionenerben: Das wäre selbst für die USA ein ungewöhnlich zynisches Verhandlungsergebnis.

Das Repräsentantenhaus hat das Vorhaben heute beschlossen. Im Senat wird unabhängig vom Abgeordnetenhaus eine eigene Version eines Steuergesetzes debattiert, das in Teilen von dem Vorschlag des Abgeordnetenhauses abweicht. Sollte der Senat sich zu seiner Version durchringen, müssten beide Papiere dann noch in Einklang gebracht werden.

Trump hätte mit der Reform die Chance gehabt zu beweisen, dass es wirklich die einfachen Leute sind, die ihm am Herzen liegen, jene "vergessenen Amerikaner", über die er im Wahlkampf so viel gesprochen hat und die ihn am Ende tatsächlich ins Weiße Haus beförderten. Stattdessen jedoch hat er einen Verdacht erhärtet, der seit seinem Amtsantritt ohnehin schwelt: dass der Präsident Trump seine Politik nämlich nicht zuletzt danach ausrichtet, ob sie dem Unternehmer und Privatmann Trump finanziell nutzt.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017
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