Süddeutsche Zeitung

US-Republikaner bekämpfen Gewerkschaften:Kriegserklärung im Rostgürtel

In den USA versuchen republikanische Gouverneure die Gewerkschaften per Gesetz zurückzudrängen, indem sie sie finanziell ausbluten lassen - nun sogar in ihrem letzten Rückzugsgebiet im Mittleren Westen. Das wäre auch ein Sieg für Romney und Gingrich, weil Präsident Obama an der Seite der Gewerkschaften steht.

Moritz Koch, New York

Die harten Gesetze tragen einen sanften Namen. "Right to Work" werden sie genannt. Recht auf Arbeit. Was freundlich klingt, ist in Wahrheit eine Kriegserklärung, und sie richtet sich gegen die Gewerkschaften der USA. Mehrere Bundesstaaten wollen Arbeiterorganisationen die Erhebung von verpflichtenden Gebühren verbieten. Damit greifen sie das finanzielle Fundament an, auf dem die amerikanische Gewerkschaftsbewegung ruht.

Nirgendwo sind die Beratungen so weit fortgeschritten wie in Indiana. Das Abgeordnetenhaus in Indianapolis votierte diese Woche für ein Right-to- Work-Gesetz. Weil die Zustimmung des Senats als sicher gilt und auch der republikanische Gouverneur Mitch Daniels die Initiative unterstützt, könnte es schon in der nächsten Woche in Kraft treten. Indiana ist damit auf bestem Weg, der erste Bundesstaat seit zehn Jahren zu werden, der eine Right-to-Work-Vorschrift erlässt, und der erste überhaupt aus dem Mittleren Westen, der traditionellen Machtbasis der Gewerkschaften.

Ermutigt von dem Erfolg in Indiana und getragen von fulminanten Wahlsiegen im Herbst 2010 wollen konservative Politiker auch in anderen Bundesstaaten eine Änderung der Gewerkschaftsfinanzierung erzwingen, darunter Michigan, Missouri und Maine.

Die Republikaner triumphieren bereits. Sie sehen ihr erklärtes Ziel in greifbarer Nähe, dem sogenannten Rostgürtel, eine krisengeschüttelte Industrieregion, die von Neuengland bis nach Iowa reicht, mit wirtschaftsfreundlichen Initiativen zu neuem Glanz zu verhelfen. Mehr Investitionen, mehr Jobs, mehr Wirtschaftswachstum und steigende Steuereinnahmen versprechen sich konservative Politiker und Ökonomen. Doch Demokraten und Gewerkschafter vermuten hinter den Gesetzesmanövern ganz andere Motive.

Sie glauben, dass es den Republikanern vor allem darum geht, ihre politische Dominanz zu zementieren und ihre Gegner auszuschalten. Es ist kein Geheimnis, dass Gewerkschaften zu den wichtigsten Finanziers demokratischer Wahlkampagnen gehören, während die Republikaner vor allem auf die Unterstützung der Wirtschaftslobby zählen können.

Der legislative Kampf um die Gewerkschaften dürfte eines der wichtigsten Themen im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf werden. Die republikanischen Kandidaten Newt Gingrich und Mitt Romney haben Sympathie für Right-to-Work-Gesetze geäußert. Präsident Barack Obama hingegen steht treu an der Seite der Gewerkschaften - und sie können seine Unterstützung gut brauchen.

Geschäftsmodell der Gewerkschaften steht in Frage

Die amerikanische Arbeiterbewegung ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ein massiver Mitgliederschwund hat den Einfluss der Gewerkschaften dezimiert. 1973 waren noch 34 Prozent aller männlichen und 16 Prozent aller weiblichen Angestellten gewerkschaftlich organisiert. Inzwischen sind es nur noch acht beziehungsweise sechs Prozent.

Insgesamt gibt es in den USA bereits 23 Bundesstaaten, in denen Right-to-Work-Gesetze gelten. Die Regelungen stellen das Geschäftsmodell der Arbeitnehmervertreter in Frage.

Normalerweise funktioniert es so: Gewerkschafter organisieren einen Betrieb und können verpflichtende Gebühren von allen Angestellten einfordern - egal ob diese in der Gewerkschaft sind oder nicht. Gelten allerdings Right-to-Work-Regeln, können Gewerkschaften nur noch Mitgliedsbeiträge und freiwillige Leistungen einstreichen. Arbeiter können spekulieren, dass sie die Vorteile der gewerkschaftlichen Organisation - höhere Löhne etwa oder bessere Versicherungsleistungen - auch dann bekommen, wenn sie nichts dafür zahlen. Ökonomen sprechen von Trittbrettfahrer-Verhalten, und es führt dazu, dass das Finanzierungssystem zusammenbricht.

Längst ist der Rostgürtel zum Rückzugsgebiet der Gewerkschaftsbewegung geworden. Daher sind die Gesetzesvorstöße für die Arbeitnehmerorganisationen so gefährlich.

Allerdings ist der Angriff auf die Gewerkschaften auch für die Republikaner hoch riskant. Als strahlende Wahlsieger hatten sie im vergangenen Jahr in Wisconsin und Ohio versucht, die Rechte der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst zu beschneiden. Daraufhin schlug ihnen eine Welle der Empörung entgegen. Im November kippten die Wähler in Ohio das Anti-Gewerkschafts-Gesetz mit einem Volksentscheid. In Wisconsin sammelten die Gewerkschafter und ihre Unterstützer genug Stimmen, um eine Neuwahl zu erzwingen.

Die jetzigen Angriffe auf die privatwirtschaftlichen Gewerkschaften dürften eine ähnliche Gegenreaktion auslösen. Zumal die Debatte über die zunehmende soziale Spaltung in den USA an Schärfe gewonnen hat und Studien zeigen, dass der Niedergang der Gewerkschaften die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft.

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SZ vom 28.01.2012/jab
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