Die deutschen Reisenden sind eher nicht dafür bekannt, dass ihnen die politische Situation im Urlaubsland am Herzen liegt. In der Türkei regiert ein Autokrat namens Recep Tayyip Erdoğan. Egal. Trotzdem flogen vergangenes Jahr mehr Bundesbürger nach Antalya als nach Palma de Mallorca. Wo bekommt man sonst so frisch renovierte Hotels zu derart günstigen Preisen? In Thailand drohen bis zu 15 Jahre Haft, wenn man den König beleidigt. Aber waren Sie schon mal Schnorcheln auf Ko Samui? Herrlich. Und in Ägypten werden Menschenrechte verletzt und die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Aber: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist top und die Pyramiden von Gizeh muss man gesehen haben.
„Lasst mich einfach Urlaub machen, der Rest tangiert mich nicht“ – auch wenn ein großer Teil der Deutschen bei der Auswahl ihrer Reiseziele offenbar nach diesem Motto verfahren, so erschien es zuletzt, als gäbe es zumindest eine Ausnahme: die USA nämlich.
Lange Zeit waren die Vereinigten Staaten Lieblingsfernreiseziel der Bundesbürger, mit jährlich steigenden Besucherzahlen – zumindest bis 2016, als die US-Amerikaner erstmals Donald Trump zum Präsidenten wählten. Daten der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, kurz FUR, zeigen, dass noch 2015 etwa 1,25 Millionen Reisende aus Deutschland in die USA kamen, ein Jahr später waren es nur noch 910 000, ein Minus von mehr als 25 Prozent, 2017 sogar nur noch 840 000.
Reisen in die USA sind bis zu 40 Prozent teurer als vor Corona
Auch wenn jetzt vier Jahre Joe Biden im Weißen Haus gesessen hat, scheint die Liebe weiterhin angeknackst. Die USA verzeichneten nach der Pandemie, anders als andere Destinationen, nicht wieder ihre vorherigen Besucherzahlen. Aus Deutschland sind im vergangenen Jahr lediglich 760 000 Menschen in den Vereinigten Staaten gewesen. Laut Friedericke Kuhn, Projektleiterin bei der FUR, legen diese Ergebnisse nahe, dass einigen Menschen durch Trump und die politische Situation im Land die Lust auf die USA vergangen sei. Als Argument für ihre These verweist Kuhn auf das Nachbarland Kanada, das trotz einer ähnlichen Reisedistanz, einer ähnlichen Kultur und ähnlich hohen Kosten keinen Besucherrückgang verzeichnet.
Für die Anbieter von USA-Reisen gibt es nun aber Grund zur Hoffnung, dass den Deutschen im Jahr 2024 endlich egal geworden ist, wer im Weißen Haus sitzt oder sie sich zumindest nicht mehr davon abschrecken lassen. „Seit der Trump-Wahl sind die Anfragen bei uns sogar hochgegangen“, sagt Timo Kohlenberg, Chef des Reiseveranstalters America Unlimited. Kohlenberg erklärt sich das damit, dass bei den Reisenden manche Unsicherheiten entkräftet sind. So ist es etwa wahrscheinlich, dass die Machtübergabe von Biden und Trump relativ geordnet ablaufen wird und keine Ausschreitungen zu befürchten sind, so wie im Januar 2021, als aggressive Trump-Anhänger nach dessen Abwahl das Kapitol in Washington stürmten. „Bedenken um die eigene Sicherheit beeinflussen das Reiseverhalten generell mehr als das Politische“, sagt Kohlenberg.
Abschreckend auf US-Reisende könnten allerdings die Kosten sein, vermutet Kohlenberg. Die sind mittlerweile 30 bis 40 Prozent höher als vor der Pandemie. Ein Grund ist der starke Dollar, ein anderer die Tatsache, dass die US-Amerikaner in der Pandemie die Schönheit ihres eigenen Landes entdeckt haben. Und weil sie bereit waren, für Urlaubsunterkünfte mehr Geld auszugeben als die Menschen aus vielen anderen Ländern, trieb das die Hotelpreise in die Höhe. Zumindest dieser Trend sei inzwischen gestoppt, sagt Kohlenberg. Die Amerikaner nämlich reisen wieder verstärkt ins Ausland. Vielleicht tun sie es aus Fernweh, bei einigen mag die Flucht vor den politischen Verhältnissen auch eine Rolle spielen. Es muss ja nicht gleich die vierjährige Anti-Trump-Kreuzfahrt sein, die eine US-Reederei jetzt anbietet. Seit vergangenem Jahr haben die US-Bürger ein neues Lieblingsfernreiseziel, das auch den Deutschen gut gefällt: Mallorca.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass aggressive Anhänger von Donald Trump das Kapitol in Washington Anfang 2017 gestürmt hätten. Richtig ist, dass sich die Übergriffe im Januar 2021 ereigneten.