Wenn Bilanz gezogen wird am Ende einer Ära, stehen dem Rezensenten oft zwei Wege offen: Mag er den zu Beurteilenden, dann war es vor allem dessen Leistung, die Positives bewirkt oder Schlimmeres verhindert hat. Mag er ihn nicht, waren es vor allem die glücklichen Umstände.
Bei Janet Yellen hingegen ist sich die Schar der Kritiker ungewöhnlich einig: Sie fand durchaus günstige Umstände vor, als sie vor vier Jahren als erste Frau an die Spitze der US-Notenbank Fed rückte - und machte aus der guten Situation eine noch bessere. In einer Umfrage des Wall Street Journal gaben ihr 60 Prozent der teilnehmenden Volkswirte für ihre Arbeit die Note Eins, 30 Prozent entschieden sich für eine Zwei, acht für eine Drei. "Man kann ihr gar nicht genug Anerkennung zollen", sagte Russell Price vom Finanzdienstleister Ameriprise Financial. "Die wirtschaftlichen Ergebnisse sind beinahe optimal."
Das kann man so sagen. Die US-Wirtschaft wächst im achten Jahr in Folge, die Zahl der Beschäftigten nimmt seit 86 Monaten beständig zu, die Arbeitslosenquote sank seit Yellens Amtsantritt von 6,7 auf zuletzt 4,1 Prozent. Zugleich lag die Inflationsrate praktisch durchgängig unter dem Zielwert der Fed von zwei Prozent. Beide Kernaufgaben der Notenbank - stabile Preise und eine möglichst hohe Beschäftigung - sind damit praktisch erfüllt. Yellens Nachfolger Jerome Powell, der die Führung der Zentralbank wohl Anfang Februar übernehmen wird, muss einem beinahe leidtun: Mittelfristig können sich die Dinge eigentlich nur zum Schlechteren wenden.
Bevor es zum Wechsel kommt, leitete Yellen am Mittwoch noch einmal eine Sitzung des geldpolitischen Ausschusses und nahm letztmals vor der Presse Stellung zu den Beschlüssen. Der Rat entschied, die Tagesgeldzielspanne, den wichtigsten Leitzins, zum dritten Mal in diesem Jahr um einen Viertelpunkt auf jetzt 1,25 bis 1,5 Prozent anzuheben. Damit sollen eine konjunkturelle Überhitzung und ein mögliches Aufflammen der Inflation verhindert werden. Yellen verwies auf die zuletzt überdurchschnittlichen Wachstumsraten und die ungewöhnlich robuste Arbeitsmarktlage. Die geplante Steuerreform werde diese Entwicklung noch stützen, sagte sie. Wie groß der Effekt sein werde, sei aber offen.
Die Fed-Chefin äußerte sich nicht dazu, ob sie ihre Arbeit gerne bis 2022 fortgesetzt hätte. Sie erinnerte aber daran, dass sie seit 2004 in verschiedenen Führungspositionen für die Fed tätig gewesen sei. "Es war eine lohnende Zeit", die irgendwann aber auch zu Ende gehen müsse, sagte sie. Präsident Donald Trump hatte die Ökonomin im Wahlkampf zunächst als Helferin Hillary Clintons beschimpft, sie später jedoch über den grünen Klee gelobt. Um der Fed eine "eigene Handschrift" zu verpassen, entschied er dennoch, Yellen durch Powell zu ersetzen. Die geborene New Yorkerin, zu deren Mentoren einst auch der Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin zählte, ist damit seit vier Jahrzehnten der erste Mensch an der Fed-Spitze, der nach nur einer einzigen Amtszeit gehen muss.