US-Notenbank stützt die Wirtschaft mit Milliarden:Land der begrenzten Möglichkeiten

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Der zerstrittene US-Kongress hat versagt, nur die Notenbank Fed kann die Wirtschaft noch ankurbeln. Weil die Konjunktur wieder schwächelt, setzt die Fed auf alte Rezepte und stützt die Wirtschaft mit 267 Milliarden Dollar. Gleichzeitig drängt Präsident Obama die Europäer weiter zur Lösung der Eurokrise: Amerika ist zu schwach, um sich selbst zu helfen.

Moritz Koch, New York

Damit hatte noch vor ein paar Monaten kaum jemand gerechnet. Auf dem Weg zu Besserung erschien die US-Wirtschaft im Frühjahr, Amerika wähnte sich im Aufwind. Doch inzwischen ist die Konjunktur erlahmt - so sehr, dass die Notenbank in Washington am Mittwoch beschloss, ihre Wachstumshilfen fortzusetzen. Das Geld soll billig bleiben, um jeden Preis. Das ist die Therapie, die Federal-Reserve-Chef Ben Bernanke seinem Land verschreibt.

US-Notenbankchef Ben Bernanke kämpft für noch niedrigere Zinsen. (Foto: AP)

Das Muster ist vertraut. Schon 2010 und 2011 war mit dem Frühling die Zuversicht erwacht, doch der Sommer brachte stets Ernüchterung. Damals wie heute ist vom zerstrittenen Kongress keine Hilfe zu erwarten, handlungsfähig ist allein die Fed. Sie sprang der lahmenden Wirtschaft vor zwei Jahren mit einem Programm zum Kauf von Staatsanleihen bei. Im vorigen Jahr setzte sie zur "Operation Twist" an, bei der sie Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit gegen Staatsanleihen mit langer Laufzeit eintauschte, was darauf abzielte, die langfristigen Zinsen zu senken.

Die Märkte sehnen sich nach Bernankes Geldspritzen

Die Operation sollte eigentlich in diesen Tagen auslaufen, doch jetzt wird sie fortgesetzt. Ihr Umfang beträgt 267 Milliarden Dollar. Das soll Unternehmen zu mehr Investitionen verleiten und den Immobilienmarkt ankurbeln. Wie erwartet beließ die Fed die Leitzinsen bei fast null Prozent. Auch im kommenden Jahr soll es dabei bleiben. Die Reaktion der Börse: Im ersten Moment fielen die Kurse, dann stiegen sie. Die Märkte haben sich an die Therapien der Fed gewöhnt, sie sehnten sich seit Tagen nach neuen Geld-Infusion. Einige Investoren hatten auf eine höhere Dosis spekuliert.

Die Erwartungshaltung der Anleger kann eine gefährliche Abhängigkeit schaffen. Doch Bernanke hält die Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik für beherrschbar. Er sieht sich sogar zum Handeln gezwungen. Die schwere Rezession von 2008 und 2009 hat 8,4 Millionen Jobs gekostet; die Arbeitslosenquote sank zuletzt nur, weil viele Amerikaner die Suche nach einem neuen Job einstellten. Nicht einmal 70.000 Jobs schuf die US-Wirtschaft im Mai, 150.000 wären nötig, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.

Obama kämpft gegen den Kollaps

Vor diesem Hintergrund ist das Drängen auf eine Lösung der Euro-Krise zu verstehen, mit dem Präsident Barack Obama den Europäern auf die Nerven fällt. Amerika ist zu schwach, um sich selbst zu heilen, es braucht Absatzmärkte, die Nachfrage des Auslands - sonst droht der Kollaps. Wenn die Euro-Krise eskaliert und das Wachstum der Schwellenländer ins Stocken gerät, wird auch Bernanke nicht mehr helfen können.

Ausgerechnet jetzt beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs - und die Fed droht, zwischen die Fronten zu geraten. Die Republikaner lehnen Bernankes laxe Geldpolitik ab. Versuche, die Konjunktur zu stützen, werten rechte Stimmungsmacher als Wahlkampfhilfe für Obama. Die Probleme des Landes wären lösbar, doch Demokraten und Republikaner führen einen Stellungskrieg.

Sollten beide Lager bis Ende Dezember keinen Konsens bei der Haushaltskonsolidierung und in der Steuerpolitik finden, greifen automatische Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Das schürt Unsicherheit, und Unsicherheit ist Gift für die Konjunktur. Es wirke so stark, dass Firmen schon jetzt Investitionen verzögern, glaubt die Bank of America. Da können die Zinsen noch so stark fallen.

Obamas Vision stirbt in ihren Ansätzen

Bald vier Jahre regiert Obama nun im Weißen Haus. Was ist geblieben von seinem Plan für ein neues Amerika? Obama wollte die Konsum- und Schuldenwirtschaft auf Produktion umzustellen. Nur Ansätze sind davon zu sehen. Das Land erlebt so etwas wie eine industrielle Renaissance, die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen verbessert sich. Doch zugleich stieg die Staatsverschuldung. Inzwischen ist sie höher als in der geschmähten Euro-Zone.

Er halte die USA für ein größeres Sorgenkind als Europa, sagt Martin Wittig, Chef der Beratungsfirma Roland Berger. Er sieht löchrige Straßen, marode Brücken und hätte erwartet, dass Obama hier investiert. Stattdessen mahnt der US-Präsident die Europäer ab. Nur einer handelt: Ben Bernanke - mit den alten Rezepten.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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