Süddeutsche Zeitung

US-Klimapolitik:Obama will CO₂-Emissionen drastisch senken

In den USA laufen 600 Kohlekraftwerke. Sie liefern 40 Prozent des Stroms und sind für ein Drittel der CO₂-Emissionen des Landes verantwortlich. US-Präsident Obama verschärft nun den Umweltschutz - "als Präsident und als Vater".

Von Nikolaus Piper, New York

Vor fast vier Jahren scheiterte Präsident Barack Obama mit seinem ersten großen Versuch zur Klimapolitik. Damals, im Juli 2010, weigerte sich der Kongress, ein Gesetz über den Handel mit Emissionsrechten zu beraten. Jetzt kommt der zweite Versuch: Am Montag stellte die Chefin der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA), Gina McCarthy, einen Plan vor, nach dem die fossil befeuerten Kraftwerke der USA ihren Ausstoß an Kohlendioxid bis 2030 um 30 Prozent reduzieren müssen - gegenüber dem Stand von 2005. Obama nahm an der Pressekonferenz zwar nicht teil, das EPA machte jedoch klar, dass der Plan Teil einer Klima-Initiative des Präsidenten ist.

Obama geht für den Plan erhebliche politische Risiken ein. Die besonders in armen Bundesstaaten unpopuläre Klima-Initiative dürfte es für die Demokraten schwerer machen, bei den Wahlen im November die Mehrheit im Senat zu verteidigen. Für Obama kommt es darauf an, als der Präsident in die Geschichte einzugehen, der als erster einen nennenswerten Beitrag der USA zum Klimaschutz durchgesetzt hat. "Als Präsident und als Vater weigere ich mich, unseren Kindern einen Planeten zu hinterlassen, der nicht mehr repariert werden kann", sagte Obama am Samstag bei seiner wöchentlichen Radioansprache. Die Verordnung wird dazu führen, dass Versorger mehr Erdgas, erneuerbare Energien, aber auch Atomstrom einsetzen. 2011 hatte Obama eine Verordnung durchgesetzt, nach der der Spritverbrauch amerikanischer Autos drastisch sinken muss.

Weltpolitisch ist die Initiative Obamas kaum zu überschätzen. Bisher waren die USA beim Klimaschutz immer in der Defensive. Dem Kyoto-Protokoll von 1997 zur Begrenzung der Emission von Klimagiften sind die Vereinigten Staaten nie beigetreten. Der Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember 2009 scheiterte auch deshalb, weil sich Präsident Obama als handlungsunfähig erwies. Jetzt könnte sich etwas ändern. Mit dem EPA-Plan im Rücken kann Obama nun bei den nächsten Klimagipfeln im September in New York und 2015 in Paris anders auftreten. Vor allem hat er einen Hebel, um mit der Volksrepublik China Vereinbarungen zu erreichen. China hat in den vergangenen Jahren die USA überholt und ist heute der größte Emittent von Kohlendioxid auf der Welt.

Initiative gegen Staub, Stickoxide und Schwefeldioxid

Formal ist die Initiative lediglich der Vorschlag einer Verordnung im Rahmen des Gesetzes zur Luftreinhaltung (Clean Air Act). Außer CO₂ soll auch der Ausstoß von Staub, Stickoxiden und Schwefeldioxid um 25 Prozent sinken. Der Entwurf wird jetzt den interessierten Verbänden zur Kommentierung vorgelegt. In einem Jahr soll die Verordnung dann rechtskräftig werden. Mit dem Verfahren versucht Obama den Kongress zu umgehen, wo ein Klimagesetz auch heute keine Mehrheit fände. Die Verordnung wird den 50 Bundesstaaten Flexibilität bei der Umsetzung der Klimaziele geben.

Den Kraftwerksbetreibern kommt das EPA insofern entgegen, als das Referenzjahr 2005 gewählt wurde. Seit 2005 ist der Ausstoß von CO₂ in den USA um zehn Prozent gesunken, entsprechend leichter wird das Klimaziel also zu erreichen sein. Wegen des reichlichen Angebots an billigem, durch die Methode des Fracking gewonnenem Erdgas wurden zuletzt mehrere Kohlekraftwerke stillgelegt und durch vergleichsweise umweltfreundliche Gasturbinen ersetzt. Trotzdem arbeiten immer noch 600 Kohlekraftwerke in den USA. Sie liefern 40 Prozent des Stroms und sind verantwortlich für ein Drittel der CO₂-Emissionen des Landes.

Die US-Wirtschaft lehnt zwar mehrheitlich die EPA-Verordnung ab, die Positionen sind aber nicht einheitlich. Die US-Handelskammer rechnete vor, die Verordnung werde die Wirtschaft bis 2030 jedes Jahr im Durchschnitt 51 Milliarden Dollar kosten. Insgesamt werde es 224 000 Jobs weniger geben. EPA-Chefin McCarthy rechnet dagegen: umgerechnet bis zu 93 Milliarden Dollar an Verbesserungen des Klimas und der öffentlichen Gesundheit sind möglich. Die Stromrechnungen der Amerikaner würden im Durchschnitt um acht Prozent sinken. Dagegen legte auch der Bergbauverband National Miners Association Protest sein. Dessen Präsident Hal Quinn erklärte, die Verordnung werde "die Stromkosten erhöhen und die Verlässlichkeit des Stromnetzes gefährden".

Dagegen setzte sich Calpine, ein Stromversorger aus Texas mit einem vergleichsweise umweltfreundlichen Kraftwerkspark ausdrücklich für ehrgeizige Klimaziele ein. Derek Furstenwerth, der Umweltdirektor des Unternehmens, sagte: "Die EPA sollte etwas vorschlagen, das zu bedeutenden Reduktionen (von CO₂) führt." Die politische Brisanz liegt für Obama darin, dass sich die Emissionen von Kohlendioxid auf einige Bundesstaaten konzentrieren: Kentucky, Wyoming, West Virginia, Indiana und North Dakota.

In West Virginia kämpft die Demokratin Natalie Tennant darum, einen der beiden Senatssitze des Kohlestaates für ihre Partei zu retten. Tennant setzte sich daher mit harten Worten von Obama ab: "Ich werde Präsident Obama und jeden anderen bekämpfen, der versucht, unsere Kohlejobs zu gefährden." Auch in Kentucky lehnt die demokratische Kandidatin Alison Lundergan Grimes die Klimapolitik Obamas ab. Dagegen drängen die Demokraten aus anderen Bundesstaaten, vor allem aus Kalifornien, den Präsidenten zu einer entschlossenen Klimapolitik. Gegner des Projekts könnten versuchen, die neue Verordnung vor Gericht zu stoppen.

Auch zwischen den Unternehmen gibt es riesige Unterschiede. Nach einem Bericht der Umweltorganisation Ceres erzeugen ganze fünf Stromversorger 25 Prozent der CO₂-Emissionen aus US-Kraftwerken: American Electric Power (AEP), Duke Energy, Southern Company, NRG, und die Tennessee Valley Authory.

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SZ vom 03.06.2014/mike/lala
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