US-Handelspolitik:Willkommen in der Wirklichkeit, Herr Trump

Der US-Präsident will das Freihandelsabkommen Nafta nun doch nicht mehr kündigen. Stattdessen will er neu verhandeln. Das ist eine gute Entscheidung, denn das Abkommen ist tatsächlich völlig veraltet.

Kommentar von Marc Beise

Man stutzt, reibt sich die Augen und freut sich: Amerikas Präsident Donald Trump wird das Freihandelsabkommen Nafta, diese "Katastrophe für die USA, für die Firmen und besonders für die Arbeitskräfte", nun doch nicht aufkündigen. So aber hatte er es seinen Anhängern und Wählern versprochen, wieder und wieder. Mehr noch: Dieses "verfehlte Abkommen" war für ihn nach eigener Aussage ein Hauptgrund gewesen, überhaupt das Präsidentenamt anzustreben. Noch vor wenigen Tagen hieß es aus dem Weißen Haus, Trump werde Nafta mit einem Federstrich zu Fall bringen, einseitig, per Dekret. Und nun? Fühlt er sich "geehrt", das Abkommen mit den Präsidenten von Mexiko und Kanada nachverhandeln zu dürfen, zum gemeinsamen Vorteil.

Die ergänzende Drohung, notfalls am Ende doch zu kündigen, ist übliche Verhandlungstaktik. Wer redet, schießt nicht, auch nicht mit Mitteln der Handelspolitik. Und nun wird lange geredet, vermutlich Jahre lang, das ist gängige Praxis.

Nafta ist eigentlich ein Experiment aus den Neunzigern

Gegen diese neue Marschrichtung ist nichts einzuwenden. Eine einseitige Aufkündigung von Nafta wäre eine wirtschaftspolitische Torheit gewesen und ein verhängnisvolles Signal. Freier Handel fördert grundsätzlich Wachstum und Wohlstand, Protektionismus bewirkt das Gegenteil. Deshalb sind Handelsverträge fast immer hilfreicher als einseitige Maßnahmen, und je intensiver die Absprachen sind, desto besser. Trotzdem ist es durchaus sinnvoll, Nafta zu überprüfen und gegebenenfalls neuzufassen.

Dieses Abkommen ist ein Dinosaurier seiner Gattung, ein Experiment aus den Neunzigern, mittlerweile 23 Jahre alt, begonnen unter anderen wirtschaftlichen Bedingungen, als sie heute herrschen. Was heute üblich ist, dass nämlich über Zölle und Quoten hinaus auch andere wirtschaftliche Abreden getroffen werden bis hin zu Schutzbestimmungen für Investoren, war damals neu. Vieles, was versprochen worden ist, ist so nicht eingetreten. Dass beispielsweise die USA gegenüber Mexiko einen kleinen Handelsüberschuss hatten und heute ein Defizit von 62 Milliarden Dollar, war damals so nicht vorgesehen und von vielen Experten auch nicht vorausgesehen. Auch das Verhältnis von Handel und Umwelt wurde damals nicht so scharf gesehen, wie das heute der Fall ist. Dies alles nun zu hinterfragen, ist erlaubt, selbst wenn die Forderung von einem Extremformulierer wie Donald Trump kommt.

Verhandeln statt anordnen, ein gemeinsamer Vertrag statt eines einseitigen Dekrets - das ist die neue Linie in Washington, und die entspricht durchaus den üblichen Gepflogenheiten. Willkommen in der Wirklichkeit, Mister President.

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