US-Finanzkrise:Paulson und die faulen Kredite

US-Finanzminister Henry Paulson will die Konsumenten zum Geldausgeben animieren - sie sollen mehr Schulden machen dürfen. Ökonomen und Politiker halten das für eine schlechte Idee.

Carsten Matthäus

Die Finanzkrise erwischt den normalen Konsumenten in den USA besonders brutal. Die erste Welle erwischte die Hausbesitzer, deren Häuser plötzlich kaum noch etwas wert waren. Viele von ihnen mussten machtlos zusehen, wie sich der Wert ihres Besitzes in Luft auflöste und sie selbst in akute Zahlungsschwierigkeiten gerieten.

US-Finanzkrise: Kreditkarten in den USA: Konsumstreik droht.

Kreditkarten in den USA: Konsumstreik droht.

(Foto: Foto: AP)

Die zweite Welle wird alle Steuerzahler treffen, die nun ein gigantisches Banken-Rettungspaket in Höhe von 700 Milliarden Dollar finanzieren müssen. Die dritte Welle droht nun die amerikanischen Verbraucher an ihrer Achilles-Ferse zu erwischen: den Verbraucherkrediten.

Klamme Banken sind seit einiger Zeit dabei, die Konditionen für Kreditkarten-Kunden zu verschärfen. Dazu drehen sie gleich an mehreren Stellschrauben. Zum einen müssen die Kunden nun höhere Zinsen auf ihre Kreditkarten-Käufe zahlen. So erhöht beispielsweise die Citibank nach Angaben des Wall Street Journals rund zehn Millionen US-Kunden im Schnitt die Sollzinsen um drei Prozentpunkte - trotz des gerade bewilligten staatlichen Hilfspakets. Außerdem werden die Kreditlinien zurückgefahren. Einfach gesagt muss ein Kreditnehmer damit schon bei niedrigeren Schuldensummen mit Zwangsmaßnahmen der Bank rechnen: nochmals deutlich höhrere Überziehungszinsen, Mahnungen, Einfrieren des Kontos.

Die Konsumenten haben auf die neue Pein bereits reagiert, der Einsatz der Kreditkarten geht dramatisch zurück. Einer aktuellen Umfrage von America's Resarch Group zufolge wollen 88,6 Prozent der Befragten mehr Einkäufe in bar bezahlen. 59,7 Prozent wollen explizit den Gebrauch von Kreditkarten einschränken und nur 1,1 Prozent mehr mit Kreditkarte einkaufen. Das ist insbesondere in den USA problematisch, da hier sehr viel mehr Käufe mit Hartplastik abgewickelt werden als in jedem anderen Land der Erde. Hinzu kommt, dass US-Verbraucher auch beim Autokauf oder bei der Finanzierung ihres Studiums hohe Kredite aufnehmen. Verschärfen die Banken auch hier die Konditionen, droht ein regelrechter Konsumstreik.

US-Finanzminister Henry Paulson hat somit ein großes Problem. Sein Banken-Rettungspaket ist nur dann wirklich hilfreich, wenn damit nicht allein ein paar wankende Bankriesen einigermaßen stabilisiert werden. Der Geldregen muss vor allem die einfachen Bankkunden erreichen - und das tut er momentan nicht.

Deshalb wird Paulson gemeinsam mit Ben Bernanke, dem Chef der US-Notenbank Federal Reserve, eine sogenannte Kreditfabrik vorstellen, berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf informierte Kreise. Paulson hatte die Idee bereits Mitte November vorgestellt. Demnach soll ein Teil der Milliarden aus dem Banken-Rettungspaket - man spricht von 25 bis 100 Milliarden Dollar - direkt den Kreditnehmern zugutekommen. Der amerikanische Staat verleiht damit also Geld an Geldverleiher, damit diese wieder mehr Geld zu günstigeren Konditionen an ihre Kunden verleihen. Verteilen soll das Geld die Fed, wie genau das Procedere sein wird, ist noch unklar.

Was zunächst gut klingt, hat allerdings einen gewaltigen Haken. Denn der amerikanische Staat nutzt das Geld der Steuerzahler in diesem Fall für Kredite, für die es keine Sicherheiten gibt. Anders als bei Hypothekenkrediten kann die Bank hier kein Haus versteigern, um zumindest einen Teil des Kreditausfalls zurückzubekommen. Dean Baker, Mitbegründer des Center for Economic Policy Research, glaubt außerdem nicht daran, dass ein solches Paket die Konsumneigung steigern wird. "Paulson denkt, die Liquidität der Verbraucher sei das Problem, es ist aber das Vertrauen in die Konjuktur. Die Leute kaufen nicht, weil sie viel Geld verloren haben oder ihren Job verlieren könnten", sagte er dem US-Magazin Time.

Melinda Katz, Stadträtin von New York, hält Paulsons Rettungsversuche aus einem anderen Grund für höchst ärgerlich. Er habe, so schreibt sie in einem offenen Brief an den Finanzminister, den Banken bei seinem Rettungspaket viel zu wenig Bedingungen gestellt. Ihren Worten zufolge ist es "empörend", wenn Unternehmen wie American Express auch noch an der Krise verdienen, in dem sie billiges Geld vom Staat bekommen und ihre Kunden mit schlechteren Konditionen traktieren. Als Zeichen des Protests zerschnitt sie öffentlich ihre American-Express-Karte und bat andere New Yorker, es ihr gleichzutun.

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