US-Familienunternehmen:Gespaltene Gefühle

Amerikas Kleinunternehmer gelten als Stütze der Wirtschaft. Nun hoffen sie darauf, dass der neue Präsident Barack Obama das auch zu würdigen weiß - und verlangen ihren Teil vom Konjunkturpaket.

Moritz Koch

Es gibt nur wenige Branchen, die in den USA noch Konjunktur haben. Dazu zählen mit Sicherheit die Hersteller und Händler von Obama-Andenken. Kekse, Seifen, Anstecknadeln und T-Shirts mit Motiven des neuen Präsidenten finden bei den Straßenhändlern reißenden Absatz.

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Ein Laden in Washington D.C., in dem Obama-Andenken gehandelt werden. Vier von fünf nordamerikanischen Familienbetrieben beurteilen die Wirtschaftslage derzeit als schlecht. Wer allerdings mit Präsidenten-Memorabilia handelt, wird derzeit nicht über schlechte Geschäfte klagen können.

(Foto: Foto: AFP)

Auch das Online-Versandhaus Uncommon Goods in Brooklyn verdient kräftig. Halsketten aus Wahlzetteln und Handtaschen bedruckt mit Zeitungsseiten, die den historischen Sieg des schwarzen Senators dokumentieren, haben Firmengründer Dave Bolotsky ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft beschert - während der Einzelhandel insgesamt schwere Einbrüche verzeichnete und Kaufhausketten wie Circuit City sogar Insolvenz anmelden mussten.

Obama ist en vogue. Und das auch in Branchen, auf die sich sein Wahlsieg nicht so direkt auswirkt wie auf die Verkäufer von Souvernirs. Familienbetriebe überall im Land hoffen auf den neuen Präsidenten und wirtschaftspolitische Reformen, denn die Situation ist ernst. Noch Anfang 2007 bewertete die Mehrheit der Familienunternehmer ihren wirtschaftlichen Ausblick positiv. Dann kippte die Stimmung: 2008 schätzten 70 Prozent die Aussichten ihres Betriebs negativ ein. Inzwischen äußern sich annähernd 80 Prozent pessimistisch.

Weniger Kredite

Auch die Familienbetriebe sind Opfer der Finanzkrise. Mehr als zwei Drittel der US-Banken haben die Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen nach eigenen Angaben beschränkt. So von ihren Finanzquellen abgeschnitten, stehen viele Betriebe unter Druck.

Allerdings ist die Lage der Kleinunternehmen noch besser als die der Konzerne. Zum Glück sind Mittelständler in der Regel nicht wie Konzerne auf die maroden Großbanken als Geldgeber angewiesen, die sich mit komplizierten Immobiliengeschäften verhoben haben und nun fast alle ihr Geld zusammenhalten müssen. Die kleineren Unternehmen profitieren davon, dass sie mit vergleichsweise gesunden Regionalbanken Geschäfte machen und enge persönliche Beziehungen zu ihren Geldgebern aufgebaut haben.

"Dieses Band ist noch nicht gerissen", sagt William Dunkelberg, Verwaltungsratschef der Liberty Bell Bank in New Jersey und Wirtschaftsberater der National Federation of Independent Business, des US-Bundesverbandes unabhängiger Unternehmer. Die Entscheidungen über eine Kreditvergabe werde bei kleineren Banken auf der Basis von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung gefällt, nicht auf Grundlage von standardisierten Wall-Street-Algorithmen. "Wir Geldgeber haben ein ganz anderes Problem", sagt Dunkelberg: "Wir haben kaum noch Kunden. Deutlich weniger Betriebe wollen überhaupt noch einen Kredit." Die meisten Kleinunternehmer sind von der Enthaltsamkeit der Konsumenten wie gelähmt. Ihre Ertragsströme sind versiegt. Sie sehen keinen Grund zu investieren und müssen Beschäftigte entlassen.

Das mehr als 800 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket, das Präsident Obama auflegen will, soll den Niedergang stoppen; darauf hoffen auch die Mittelständler. Es soll Betriebe entlasten und den verunsicherten US-Konsumenten Mut machen. Auch in Nordamerika, dem Land, dessen Image von Kapitalgesellschaften wie McDonald's, Google, Coca-Cola und Exxon Mobil geprägt wird, ist der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft. Mehr als 60 Prozent aller Arbeitnehmer arbeiten in Familienbetrieben. "Dennoch wurden in der Vergangenheit die Stimmen der Mittelständler in Washington oft überhört", sagt Molly Brogan von der Mittelstandsvereinigung National Small Business Association (NSBA). "Es ist wichtig, dass wir uns um Zugang in Washington bemühen."

Finanzierungsmittel Kreditkarte

Die Lobby der Familienunternehmer hat Quartier bezogen in der Hauptstadt, und auch Obama pflegt den Dialog. Schon vor seinem offiziellen Amtsantritt trafen sich Wirtschaftsberater von Obama mit der NSBA. Die Familienunternehmer wissen genau, was sie wollen. Es geht ihnen nicht nur um Geld, sondern auch um neue Gesetze. So fordern sie, dass der Markt für Kreditkarten anders geregelt wird. Umfragen zeigen, dass Kreditkarten das wichtigste Finanzierungsmittel für kleine und mittlere Betriebe sind. Firmeninhaber haben häufig gleich mehrere davon im Portemonnaie. Allerdings tauschen die Kreditkartenfirmen ihre Kundendaten untereinander aus. Gerät ein Unternehmer bei einem Kreditkartendienstleister in Zahlungsrückstand, muss er auch bei seinem übrigen Plastikgeld mit höheren Zinsen rechnen. Die NSBA will erreichen, dass diese Praxis gestoppt wird. Gerade jetzt in der Krise.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum viele Mittelständler Barack Obama zunächst skeptisch gegenüber standen.

Gespaltene Gefühle

Zudem dringt der Verband darauf, die Kreditgarantien des sogenannten "Small Business Administration"-Programms auszubauen. Dieses Förderprogramm unterstützt Betriebe dabei, Erfindungen zur Marktreife zu bringen, indem es Kredite an Kleinunternehmen staatlich garantiert. Die Ideenschmieden, die ein Motor der nordamerikanischen Innovationskraft und des Wirtschaftswachstums sind, leiden besonders unter der Schockstarre an den Finanzmärkten. Risikokapitalgesellschaften haben ihre Investitionen zusammengestrichen. Daher ruft die NSBA die öffentliche Hand zu Hilfe.

Es ist noch nicht lange her, da war Obama vielen Mittelständlern suspekt. Vor allem mit seinen Plänen, die Steuersenkungen der Regierung Bush rückgängig zu machen und kleine Firmen zu verpflichten, ihren Angestellten eine Krankenversicherung zu bezahlen, machte er sich im Wahlkampf kaum Freunde im Unternehmerlager.

Der Republikaner John McCain versuchte, daraus Kapital zu schlagen, als er den Klempner Joseph Wurzelbacher zur Galionsfigur seiner Kampagne machte. Doch "Joe, the Plumber" konnte den Siegeszug des Demokraten nicht stoppen und wurde zum Symbol republikanischer Niveaulosigkeit.

Verbitterung über Republikaner

Zwei Gründe begeistern mittlerweile auch Unternehmer für Obama: Zum einen pflegt der neue Präsident einen pragmatischen Politikstil. Als sich der Abschwung beschleunigte, rückte er rasch davon ab, die Steuern für Besserverdiener zu erhöhen. Zum anderen ist die Verbitterung der Familienunternehmer über die Republikaner groß, vor allem über die Industrie- und Finanzpolitik der Regierung Bush. "Wir wollen eine schlanke Regierung und einen freien Markt", sagt Mittelstandsbankier Dunkelberg. "Heute ist der Staat größter Aktionär der Citibank. Die Wall Street streicht Milliardenhilfen ein - und der Rest ist auf sich gestellt."

Auch in der Gesundheitspolitik rechnen die Unternehmer nicht mehr mit dem Schlimmsten. "Obama wird sich erst um die Wirtschaftskrise kümmern müssen", sagt Dunkelberg. "Eine systematische Reform wird er frühestens in ein, zwei Jahren angehen können." Doch die Sorgen bleiben: Die Pflicht, Angestellte zu versichern würde viele Unternehmer in den Ruin treiben, warnt die NSBA.

Auch in der Steuerpolitik drohen Konflikte. Die Demokraten haben signalisiert, an der Erbschaftsteuer festhalten zu wollen, die George W. Bush aussetzen ließ. Schon formiert sich Widerstand im Unternehmerlager. Jahrelang haben sie die Erbschaftsteuer als Todessteuer verdammt. Jetzt wollen sie ihre Wiederbelebung mit allen Mitteln verhindern.

Jenseits der politischen Auseinandersetzung wartet aber noch ein weiteres, womöglich weitaus ernsteres Problem auf viele US-Mittelständler. Bald geht die Generation der Baby Boomer in Rente. Viele Unternehmer müssen rechtzeitig einen Nachfolger für ihre Betriebe finden. Keine leichte Aufgabe. Nur 30 Prozent aller Familienunternehmen in den USA überstehen die Übergangsphase in die zweite Generation. Bis in die dritte schaffen es gar nur zwölf Prozent. Dynastien haben es nicht leicht in Amerika. Auch das hat Obama mit seinem Wahlsieg gezeigt.

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